Vor einigen Jahren wurde ich nach China, Russland und in den Iran eingeladen, um dort meine Einschätzung der Weltlage aus geografischer und weltpolitischer Sicht - kurz Geopolitik - zu präsentieren. Das war lange vor dem gegen Russland gerichteten NATO-Krieg in der Ukraine oder den derzeitigen amerikanisch-iranischen Atomgesprächen. Ich stellte das Konzept eines »Eisernen Dreiecks« vor; den Begriff wählte ich zur Beschreibung der engeren strategischen Zusammenarbeit, die sich unweigerlich zwischen zwei ehemaligen eurasischen Feinden - Russland, China und dem Iran - entwickeln würde. Heute wird die Existenz dieses Dreiecks allgemein anerkannt. Jetzt werden von den drei Ländern militärstrategische Verteidigungsbündnisse gebildet, sehr zum Missfallen des Pentagons und des Brüsseler NATO-Hauptquartiers.
Weltkarte
© Anastasiia Kucherenko/Shutterstock
Ein altes griechisches Sprichwort sagt: »Wen die Götter vernichten wollen, den schicken sie zuerst in den Wahnsinn.« Die Kriegstreiberei einer Fraktion von Neokonservativen und bestimmten US-Generälen demonstriert genau solchen Wahnsinn, gepaart mit einer Überdosis arroganter Selbstgefälligkeit vonseiten einer Supermacht, die sich nie vorstellen könnte, geschlagen zu werden.

Zunächst begann die Obama-Regierung im November 2011 ihren so genannten Schwenk nach Asien; tatsächlich ein militärischer Schwenk der USA, um China in den Folgejahren einzukreisen. Dabei wurde die schmutzige Arbeit den Verbündeten Japan, Australien, Vietnam und Philippinen überlassen.

Parallel lancierte das State Department den Arabischen Frühling, gestützt auf seine so genannten »Menschenrechts«-NGOs wie das National Endowment for Democracy, das Freedom House oder Soros‘ Open-Society-Stiftungen. Mit der Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens sollte ein permanenter Religionskrieg zwischen der sunnitischen und schiitischen Strömung des Islam losgetreten werden: auf der einen Seite der Iran, der Irak und Syrien und auf der anderen die sunnitisch geprägten Länder Saudi-Arabien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar.

Im November 2013 initiierte Washington die Demonstrationen in der Ukraine, die zum US-Putsch vom 22. Februar 2014 führten, der eine wilde Mischung von Kriminellen, Schlägern und direkten Neonazis in Kiew ans Ruder brachte.

Paradoxerweise, aber nicht allzu überraschend, haben genau diese Provokationen gegen den Iran, China und Russland die drei eurasischen Schlüsselländer in ein engeres Bündnis gedrängt. Zunächst war es rein wirtschaftlicher Natur, nämlich gesteigerter Handel. Interessanterweise erhält es jetzt eine militärisch-verteidigungspolitische Dimension, die den Gang der Weltgeschichte in den nächsten Jahren zum Guten verändern könnte.

Zur Verteidigung des Eisernen Dreiecks


Am 13. April, wenige Tage nachdem das US State Department in der Frage der in Genf vereinbarten Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran im Juni, sobald eine endgültige Einigung über das iranische Atomprogramm erreicht ist, zurückzurudern begann, unterzeichnete Russlands Präsident Putin einen Erlass, mit dem das Verbot für den Verkauf von S-300-Flugabwehrsystemen an den Iran aufgehoben wird. Das meldete der Pressedienst des Kreml. »Mit dem Erlass wird das Verbot der Lieferung von S-300-Flugabwehrsystemen an die Islamische Republik Iran außerhalb der Grenzen der Russischen Föderation durch unter russischer Flagge fahrende Schiffe und Flugzeuge aufgehoben«, hieß es ausführlich in der Erklärung.

Die britische Militär-Website RUSI kommentiert die militärische Bedeutung von Moskaus Entscheidung, seine S-300-Flugabwehrsysteme an Teheran zu liefern: »Bei S-300 PMU-1, im NATO-Sprachgebrauch als SA-20 bekannt, handelt es sich um ein präzises Langstrecken-Boden-Luft-Raketensystem (SAM), das sowohl gegen moderne Kampfflugzeuge als auch ballistische Raketen und Cruise Missiles eingesetzt werden kann. Seine Reichweite von 150 km im Einsatz gegen Flugzeuge gäbe dem Iran ein Waffensystem, das potenziell für feindliche Flugzeuge weit jenseits der eigenen Grenzen zur Bedrohung werden kann.«
RUSI-Landkarte potenzieller Standorte für das iranische S-300-Luftabwehrsystem
RUSI-Landkarte potenzieller Standorte für das iranische S-300-Luftabwehrsystem
Bizarr ist an dem britischen RUSI-Alarm, dass das S-300-System vollständig darauf ausgerichtet ist, den Iran gegen Luftangriffe durch Saudi-Arabien und die CGG-Verbündeten oder Israel zu verteidigen, das den Iran wiederholt bedroht hat. Das Pentagon hat eine ganze Serie von Stützpunkten errichtet, von der Air Base Al Udeid westlich von Doha in Katar bis zur Air Base Ali Al Salem in Kuwait City. Dass sich der Iran da schützen möchte, ist doch verständlich, oder?


Noch einmal zur Verteidigung des Eisernen Dreiecks

Wie verschiedene Analysten betonen, wird zurzeit ein neuer Eiserner Vorhang errichtet. Anders als der Vorgänger, den Churchill 1946 bei seiner Rede in Fulton, Missouri, vorstellte, wird dieser neue Eiserne Vorhang von der NATO und vor allem vom US State Department errichtet, um China,Russland und den Iran einzukreisen. Doch wie Mahdi Darius Nazemroaya in einer hervorragenden strategischen Analyse betont, zeigen sich die Länder des entstehenden Eisernen Dreiecks - der Iran, Russland, China - entschlossen, den eurasischen Raum zwischen sich zu verteidigen.

Nazemroaya nahm an der zweitägigen Vierten Moskauer Konferenz über Internationale Sicherheit teil, die das russische Verteidigungsministerium veranstaltete. Was er von diesen Gesprächen, sogar den öffentlichen, berichtet, sollte für jede Regierung in der EU eine Ernüchterung sein, die erwägt, zusätzliche Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen oder militärische Hilfe zu leisten, um den Krieg in der Ukraine weiter anzufachen.

Wie Nazemroaya berichtet, lieferten die Moskauer Gespräche klare Hinweise auf eine enge Verteidigungs-Zusammenarbeit gegen die Raketenabwehr des Pentagons, die - wie ich in meinem Buch Full Spectrum Dominance detailliert beschreibe - nicht defensiver, sondern in höchstem Maße offensiver Natur ist und einen Atomkrieg durch Prävention immer wahrscheinlicher macht. Europa - vor allem Polen, die Tschechische Republik und Bulgarien - sowie auf asiatischer Seite Japan wären die wahrscheinlichsten Schlachtfelder eines atomaren Schlagabtauschs.

Wie Nazemroaya berichtet, erklärten der kasachische Verteidigungsminister Imanghali Tasmaghambetow und sein russischer Amtskollege Schoigu, die Stationierung eines gemeinsamen kasachisch-russischen Flugabwehrsystems sei bereits im Gang, als Teil der Integration des Luftraums der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit.

Weiter schreibt Nazemroaya: »Das nachdrücklichste Statement gab jedoch der iranische Verteidigungsminister, Brigadegeneral Hussein Dehqan, ab. Der Iran wolle, dass China, Indien und Russland in gemeinsamer Opposition zur Osterweiterung der NATO und zur Bedrohung, die der Raketenschirm des Bündnisses für ihre gemeinsame Sicherheit darstelle, zusammenstünden. ...

Während eines Treffens mit Chinas Verteidigungsminister Chang Wanquan betonte Schoigu, für Moskau hätten die militärischen Verbindungen zu Peking ›oberste Priorität‹. Bei einem weiteren bilateralen Treffen bestätigten die Verteidigungsminister des Irans und Russlands, ihre Kooperation sei ein Pfeiler einer neuen multipolaren Ordnung; Moskau und Teheran seien in ihrer strategischen Haltung gegenüber den USA auf derselben Wellenlänge.«

Mächtige Widersacher

Die westlichen NATO-Länder frönten so lange der Schadenfreude über den scheinbaren Kollaps Russlands während der Jelzin-Jahre, dass sie eines übersahen: Russische Waffen sind heute in mancher Hinsicht nicht nur hochmodern, sondern oft allerneueste Technik. Moskau hat gerade erstmals einen Blick auf seinen neuen modernen Kampfpanzer, den T-14 Armata (MBT, Main Battle Tank) gestattet, das wahrscheinlich tödlichste gepanzerte Kampffahrzeug der Welt.

Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte Details: Der neue T-14 Armata hat als Besonderheit einen unbemannten ferngesteuerten Geschützturm; die Besatzung sitzt in einer stahlverstärkten Kapsel vorn in der Wanne. Er verfügt über eine 125-mm-Glattrohrkanone, über die unter anderem panzerbrechende Projektile, Lenkraketen, Hohlladung und weitere Munition abgeschossen werden können. Die Mündungsenergie der Kanone ist höher als die der deutschen Leopard-2-Rheinmetall-120-mm-Kanone. Der Armata-Panzer kann auch mit einer 142-mm-Kanone ausgestattet werden. Dann verfügt er über die gewaltigste Kanone, die je auf einen Kampfpanzer montiert wurde. Darüber hinaus trägt der T-14 eine 30-mm-Kleinkaliberwaffe, die gegen niedrigfliegende Ziele wie Flugzeuge oder Hubschrauber eingesetzt werden kann. Zur Verteidigung gegen eindringende Panzerabwehrraketen verfügt der T-14 über ein auf den Turm montiertes schweres 12,5-mm-Maschinengewehr. »Der Armata ist buchstäblich eine Panzerarmee. Er kann sich praktisch vor allem schützen

Außerdem produziert Russland beeindruckende Kampfflugzeuge. Das äußerst manövrierfähige Mehrzweck-Kampfflugzeug Suchoi Su-35 (Flanker-E) wird wahrscheinlich von der chinesischen Luftwaffe zur Verteidigung der Inseln im Ostchinesischen Meer gekauft, eine erste Lieferung von 24 Stück ist bereits in Planung. Im Dezember 2014 gab der Kommandeur der russischen strategischen Raketeneinheiten bekannt, Russlands neuestes, Top-secret-RS-26-Raketensystem, genannt »Raketenabwehr-Killer« werde 2016 zum Arsenal des Landes gehören.

Darüber hinaus sind die Streitkräfte Chinas und Russlands dabei, Manöver enger zu koordinieren als jemals seit dem chinesisch-sowjetischen Bruch im Jahr 1960. Wie Russia Today (RT) berichtet, werden die chinesische und die russische Marine ein wichtiges Marinemanöver im Mittelmeer starten. Insgesamt werden neun Kriegsschiffe aus beiden Ländern beteiligt sein, wie Peking erklärte.

Das chinesische Verteidigungsministerium betonte: »Damit soll die freundschaftliche praktische Kooperation zwischen beiden Ländern vertieft und die Fähigkeit unserer jeweiligen Marine gestärkt werden, gemeinsam einer Bedrohung der Sicherheit auf See zu begegnen.« Bisher hatten Russland und China gemeinsame Marinemanöver nur im Pazifik durchgeführt. »Die geopolitische Bedeutung der gemeinsamen Übung mit Russland wird den USA und der NATO nicht verborgen bleiben«, bemerkte Shi Yinhong, Professor für internationale Beziehungen an der Renmin-Universität in Peking.

Das klingt nicht, als würden sich Peking und Moskau aus Angst vor der NATO wegducken, oder? In dem Moment, wo Hitzköpfe im Pentagon und bei der NATO, wie US-General Philip »Dr. Seltsam« Breedlove, Supreme Allied Commander Europe des NATO Allied Command, wütend forderten, der Ukraine mehr US-Waffen zu liefern, und in dem Moment, wo das US-gestützte Vasallen-Regime von Shinzō Abe in Japan die Aufrüstung Japans gegen China in Gang setzte, und in dem Moment, wo Washingtons Arabischer Frühling seine Stellvertreterkriege über Irak, ISIS und Syrien gegen den Iran richtete, akzeptierten die drei Säulen des eurasischen Eisernen Dreiecks - Russland, China und der Iran - nüchtern die Folgen eines De-facto-Kriegszustands mit der NATO auf allen Ebenen.

Das Pentagon seinerseits arbeitet fieberhaft an der Vollendung der neuesten globalen Verteidigungsdoktrin. Angeblich stützt sie sich auf das Dokument der US Army »Winning in a Complex World, 2020-2040« (Siegen in einer komplexen Welt, 2020-2040). Das Hauptkonzept beruht auf sich ständig ändernden Variablen: »Der Feind ist unbekannt, die Geografie ist unbekannt und die Koalitionen sind unbekannt«, heißt es in dem Dokument. Wenn das etwas paranoid klingt, dann deshalb, weil es paranoid ist. Vielleicht ist es Zeit, dass amerikanische Bürger demonstrativ gegen einen Krieg stimmen - gegen jeden Krieg, ausgenommen einen eindeutigen Verteidigungskrieg wie den, in den die Washingtoner Neokonservativen der Rüstungsindustrie und das Pentagon Russland, China und den Iran gezwungen haben.