Frauen können kein Mathe, Männer nicht aufräumen? Forscher haben herausgefunden, wie man tief verwurzelte Vorurteile hinter sich lässt - und zwar im Schlaf. Die Methode birgt jedoch ethische Risiken.
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© Getty Images/Image SourceSchlafforscher ließen Probanden einen Mittagsschlaf machen. Akkustische Reize sorgten dabei dafür, dass sie Vorurteile abbauten
Wenn wir schlafen, verinnerlichen wir unter bestimmten Umständen zuvor gelerntes. Wissenschaftler aus den USA haben sich diesen Mechanismus zunutze gemacht - um sexistische und rassistische Vorurteile zu bekämpfen.

Denn die können im Schlaf abgebaut werden. Allerdings sei dafür ein spezielles Nickerchen und zuvor ein besonderes Training gegen Vorurteile nötig. Nach dem Prozedere hatten Testpersonen bestimmte Stereotypen aber reduziert. Das berichten Forscher um Xiaoqing Hu von der Northwestern University in Evanston (US-Bundesstaat Illinois) im Fachjournal Science.

Bereits seit Längerem ist bekannt, dass bestimmte Erinnerungen während des Schlafs reaktiviert und gestärkt werden können. Wurde zum Beispiel in Versuchen eine Lern-Episode mit einem Geruch oder einem Klang verknüpft und dieser Reiz während des Schlafs erneut präsentiert, konnte das Erlernte später besser abgerufen werden.

Dieses Phänomen wurde etwa für Fakten und Emotionen untersucht. Hu und seine Kollegen wollten nun wissen, ob durch diesen Mechanismus auch langjährig bestehende Denkmuster verändert werden können - etwa bestimmte rassistische und sexistische Stereotypen.

Der Ton bekämpft das Vorurteil

In ihrer Studie arbeiteten die Wissenschaftler mit 40 weißen Frauen und Männern. Zunächst stellten die Forscher in einem Test fest, wie sehr die Probanden zu gewissen sexistischen und rassistischen Stereotypen neigen.

Dann absolvierten die Testpersonen ein spezielles Training: Sie mussten ein Porträt eines Menschen einem Begriff zuordnen, der ihrem Vorurteil entgegengesetzt war.

Ein Frauengesicht musste etwa mit dem Begriff "Mathematik" verknüpft werden, ein Gesicht eines Dunkelhäutigen mit positiv belegten Wörtern wie "Sonnenschein". Bei jeder erfolgreichen Paarung von Bild und Begriff erklang ein bestimmter Ton, abhängig davon, ob es um Sexismus oder Rassismus ging.

Nach dem Training machten die Probanden einen 90-minütigen Mittagsschlaf. In der Tiefschlafphase spielten ihnen die Forscher entweder den Rassismus- oder den Sexismus-Ton vor.

Als die Wissenschaftler nach dem Schläfchen erneut die Stereotypen der Testpersonen abfragten, stellten sie eine deutliche Minderung bei der Kategorie von Vorurteilen fest, deren dazugehöriger Ton während des Schlafens erklungen war. Dieses Ergebnis war auch eine Woche nach dem Training noch messbar.

Kommen die Stereotypen irgendwann zurück?

"Hu und seine Kollegen zeigen, welches bemerkenswerte Potenzial die gezielte Gedächtnis-Reaktivierung während des Schlafs hat, wenn es um die Veränderung tief verwurzelter Angewohnheiten geht", schreibt Jan Born von der Universität Tübingen in einem Kommentar zur Studie.

Der Schlafforscher weist jedoch auch darauf hin, dass es noch viele offene Fragen bezüglich der neurophysiologischen und psychologischen Mechanismen der Reaktivierung gebe. Zum Beispiel sei unklar, welche Rolle die Lernumgebung dabei spiele.

Solange die Mechanismen nicht vollständig geklärt seien, bestehe die Gefahr, dass zuvor verlernte Vorurteile wiedererlangt werden. Es sei sogar vorstellbar, dass der genau gegenteilige Effekt erzielt werde - also Vorurteile verstärkt und nicht gemindert werden.

"Der Schlaf ist ein Zustand, in dem ein Individuum ohne willentliches Bewusstsein und somit ungeschützt gegenüber Suggestionen ist", schreibt Born weiter. Deshalb sei es wichtig, bei weiterer Forschung auf diesem Gebiet auch ethische Überlegungen miteinzubeziehen.

Hu und seine Kollegen können sich vorstellen, dass die Methode der Reaktivierung im Schlaf in Zukunft noch weiterentwickelt wird. Und Menschen dabei helfen könnte, schlechte Angewohnheiten wie Rauchen, ungesunde Essgewohnheiten und selbstsüchtiges Verhalten zu ändern.

dpa/tna