Bild
© US NavyGlobal Hawk.
Ein milliardenschweres Drohnenprogramm wird zwar hauptsächlich von Deutschland, Italien und den USA finanziert. Beteiligt sind aber vor allem osteuropäische Staaten. Im Fokus steht wohl Russland. Nächste Woche will der US-Rüstungskonzern Northrop Grumman seine für die NATO bestimmte Überwachungsdrohne "Global Hawk" vorstellen. Fünf dieser unbemannten Flugzeuge sollen ab 2016 auf der italienischen NATO-Basis Sigonella/ Sizilien stationiert werden. Dort werden bereits Drohnen des gleichen Typs von der US-Luftwaffe geflogen. Laut Berichten eines litauischen Fernsehsenders könnten die NATO-Drohnen bald über dem Baltikum kreisen und russische Truppenbewegungen aufklären. Die Überquerung europäischer Lufträume für derartige Einsätze haben NATO-Staaten letztes Jahr in einem Manöver geübt.

2009 vereinbarte die Hälfte der NATO-Mitglieder die Einrichtung die Einrichtung des Alliance Ground Surveillance (AGS) auf Sizilien, ein Vertrag folgte beim NATO-Gipfel in Chicago 2012. Das Programm basiert auf Drohnen und besteht aus einem Luft- und einem Bodensegment. Zunächst war geplant, acht Drohnen des Typs "Global Hawk" zu beschaffen, die Anzahl wurde nunmehr auf fünf reduziert. Die "Global Hawk" gehören zur Klasse der hoch fliegenden HALE-Drohnen und sind die größten die je gebaut wurden. Am Boden werden Anlagen zur Steuerung und Flugkontrolle errichtet. Hierzu gehören Relaisstationen für die Satellitenkommunikation. Zusammen mit den Drohnen bilden die Bodensysteme das sogenannte AGS Core.

Der Vertrag von 2009 enthält auch Absprachen zur Verteilung der Kosten. Die anvisierten Investitionen von 1,45 Milliarden Euro verteilen sich demnach prozentual auf 13 Beschaffungsnationen. Viele Mitgliedstaaten hatten sich bereits zu Beginn - meist aus finanziellen Gründen - zurückgezogen. Nicht an Bord sind Belgien, die Niederlande, Griechenland, Dänemark und Spanien. Kanada ist mittlerweile endgültig ausgestiegen. Großbritannien und Frankreich wollen indes von der Möglichkeit Gebrauch machen, statt Geld lieber eigene Drohnen beizusteuern.

Ab 2017 Einsätze über Litauen?

Übrig bleiben vor allem osteuropäische Länder, darunter alle drei baltischen Staaten sowie Bulgarien, die Tschechische Republik, Rumänien, die Slowakei und Slowenien. Aus Westeuropa nehmen lediglich Deutschland, Italien, Luxemburg und Norwegen am AGS-Programm teil. Die finanzielle Hauptlast von 42 Prozent wird durch die US-Regierung getragen. Mit 33 bzw. 15 Prozent übernehmen die Bundesregierung und die italienische Regierung einen weiteren großen Teil des Gesamtbudgets. Die Bundeswehr will sich aber mit ab 2023 mit eigenen Drohnen an dem NATO-Programm beteiligen. Hierfür entstünden womöglich neuerliche Kosten in Milliardenhöhe, die Drohnen würden vermutlich im schleswig-holsteinischen Jagel stationiert. Sie könnten dann dem "Zentrum Luftoperationen" oder dem "Nationalen Lageführungszentrum" der Bundeswehr in Kalkar und dem unmittelbar benachbarten Uedem unterstellt werden.

Laut dem Informationsdienst Flight Global will Northrop Grumman die "Global Hawk" der NATO am kommenden Donnerstag erstmals öffentlich präsentieren. Vier der fünf "Global Hawk" seien laut dem für das NATO-Programm zuständigen Direktor in der Endproduktion und könnten bald übergeben werden. Vorher stehen aber Flugtests und Zulassungsverfahren an. Mitte 2016 soll die erste Drohne dann nach Sizilien überführt werden.

Schon jetzt weckt die Ankündigung des Herstellers Begehrlichkeiten bei den baltischen Staaten hinsichtlich der Krise in der Ukraine. Ein litauischer Fernsehsender berichtet, der Luftraum im Baltikum soll ab 2017 mit den Militärdrohnen aus Sigonella überwacht werden.

Auch die Bundeswehr will von Northrop Grumman große Drohnen beschaffen. Geplant war der Kauf von vier Drohnen des Typs "Euro Hawk", allerdings scheiterte das Projekt an hohen Folgekosten für Zulassungsverfahren (vgl. Wir.Drohnen.Deutschland). Ein bereits gelieferter Prototyp soll nun für Tests der mitgeführten Abhörtechnologie genutzt werden. Das Verteidigungsministerium hat sich allerdings nicht von den Beschaffungsplänen verabschiedet und favorisiert nun die Drohne "Triton", ebenfalls ein Derivat der "Global Hawk", jedoch in einer aktuelleren Baureihe. Die Bundeswehr hat eine Studie zur möglichen Zulassung der Drohne beauftragt und arbeitet an einer technischen Bewertung. Das US-Militär muss in derartige Kaufabsichten eingebunden werden, für die "Triton" ist dort die Marine zuständig. Ein entsprechendes Planungsverfahren hat die Bundeswehr bereits eingeleitet.

Datenstaubsauger benötigt breitbandige Satellitenverbindungen

Die Bundeswehr will die Riesendrohnen für das Abhören elektronischer Signale nutzen. Die "Global Hawk" ist hingegen für die Beobachtung aus der Luft optimiert und deshalb mit optischen und radarbasierten Sensoren ausgerüstet. Die NATO entschied sich für eine neuartige Radartechnologie für sich langsam bewegende Objekte am Boden. Auch Flugzeuge in niedrigen Höhen werden derart erfasst und analysiert. Ein weiteres mitgeführtes Radarsystem ist auf stationäre und sich bewegende Objekte ausgelegt. Abhöranlagen können angeblich nicht ohne Weiteres in die "Global Hawk" eingerüstet werden.

Die NATO-Drohnen können von der Basis in Sigonella gesteuert werden. Die Sammlung, Prozessierung und Auswertung der Aufklärungsdaten erfolgt - soweit bekannt - ebenfalls in Sizilien. Dort wird auch eine Trainingseinheit für Piloten und Auswerter untergebracht. Möglich ist aber auch der Einsatz von mobilen, transportfähigen Bodenstationen. Diese würden dann per Satelliten mit der Anlage in Sizilien verbunden. Wo diese mobilen Anlagen im Friedensfall stationiert werden, ist unklar.

Wegen der hohen Reichweite des Datenstaubsaugers "Global Hawk" erfordert der Datenaustausch mit der Auswerte- und Steuereinheit breitbandige Datenrelaissatelliten, die überdies gegen Ausfall gesichert werden müssen. Aus Sicherheitsgründen müssen solche Anlagen stets doppelt vorgehalten werden. Weil auch dies nicht ausreicht, werden vor allem für die Übermittlung der Aufklärungsdaten kommerzielle Satellitenkapazitäten angemietet. Nach einer Marktsichtung im vergangenen Jahr soll in diesem Jahr mit dem Aufbau der Satellitenkommunikation in Sigonella begonnen werden. Bis zur Fertigstellung dürfte die NATO die bereits vorhandenen Anlagen der dortigen US-Basis nutzen.

Tests mit US-Drohnen des gleichen Typs

Es ist allerdings unklar, wann die an die NATO gelieferten "Global Hawk" erstmals im Regelbetrieb aufsteigen können, womöglich müssen für die Einsätze zeitraubende Einzelgenehmigungen beantragt werden. Zwar besitzen die Drohnen eine Zulassung durch US-Behörden. Für ihre Integration in den Luftraum über Sigonella ist aber eine militärische Zulassungsstelle des italienischen Verteidigungsministerium verantwortlich. Laut der Bundesregierung gibt es keine Anhaltspunkte, wonach der Zulassungsprozess des NATO AGS ernsthaft gestört sei. Allerdings sei offen, wann mit der planmäßigen Durchführung eines Erstfluges begonnen werden kann.

Vor einem Jahr führte die NATO im Rahmen einer in Norwegen abgehaltenen Übung erste, umfangreiche Tests mit den Riesendrohnen durch. Auch die US-Luftwaffe hat bereits zwei "Global Hawk" in Sigonella stationiert. Die Übungsleitung der NATO griff auf diese beiden Drohnen zurück und ließ sie auf mehreren Flugrouten von Sigonella nach Norwegen fliegen. Gesteuert wurde die Übungsmission von einer Kontrollstation auf einer Basis in den USA. Über welche Satelliten oder Relaisstationen der Flug geführt wurde ist nirgends dokumentiert. Denkbar wäre, dass die Signale zur Steuerung über Anlagen in Ramstein oder Sigonella übertragen wurden.

Die Drohnen flogen in 16 Kilometern Höhe und waren mit fast 600 km/h unterwegs. Entlang der Streckenführung wurden in den überflogenen Ländern zeitlich befristete Gebiete mit Flugbeschränkungen eingerichtet. Für deren Beantragung war die US-Luftwaffe zuständig. Auch Deutschland sollte ursprünglich überflogen werden, allerdings hatte die Regierung des ebenfalls für die Streckenführung vorgesehenen Österreich keine Überfluggenehmigung erteilt (vgl. NATO: Global Hawk auch im Bereich der Inneren Sicherheit). Schließlich entschied sich die NATO für eine Flugroute über Frankreich und Großbritannien.

Luftwaffe bereitet Transitflüge der "Global Hawk" vor

Trotzdem hatte sich die Bundeswehr auf den Überflug vorbereitet und ein entsprechendes Verfahren in Gang gesetzt. Zuständig ist die Wehrtechnische Dienststelle 61, die zunächst eine flugbetriebliche und technische Bewertung vornahm. Auf dieser Basis hatte das Verteidigungsministerium dann eine entsprechende Genehmigung erteilt, allerdings mit der Auflage, alle mitgeführten Anlagen zum Abhören oder Aufklären über Deutschland auszuschalten. Der eigentliche Überflug wäre dann von der Deutschen Flugsicherung geführt worden.

In die Übungsplanung waren auch andere Arbeitsgruppen der NATO eingebunden. Hierzu gehört ein eigens für die "Global Hawk" geschaffenes Projektteam, das für die geplante Integration von Drohnen in die Lufträume der NATO-Staaten zuständig ist. Auch die Bundeswehr ist daran beteiligt. Die Überflüge im Rahmen der Übung dienten also dem Erkenntnisgewinn und der Entwicklung entsprechender flugbetrieblicher Verfahren. Würden die NATO-Drohnen tatsächlich von Sizilien aus über dem Baltikum eingesetzt, müssten andere europäische Länder überflogen werden. Sofern diese der NATO angehören, wäre dies von einer entsprechenden Betriebsvereinbarung geregelt. Flüge über das Hoheitsgebiet anderer Länder müssten durch sogenannte Diplomatic-Flight- Clearances besorgt werden.

Die NATO-Drohnen könnten bei ihren späteren Einsätzen deutsche Lufträume durchqueren. Das Verteidigungsministerium hatte das NATO-Manöver deshalb genutzt, um sich auf zukünftige Transitflüge der "Global Hawk" vorzubereiten. Schon länger existiert bei der NATO ein eigener Bereich, der für den Betrieb von großen und kleinen Drohnen zuständig ist. Das Kommando Luftwaffe half dort, ein betriebliches Verfahren zur "anlassbezogenen Nutzung" des deutschen Luftraumes durch die US-Drohnen zu entwickeln.

Ein deutscher Offizier saß deshalb als Beobachter in der Steuerungszentrale in den USA. Der Soldat wurde von der US-Luftwaffe auf der "Global Hawk" ausgebildet und war eigentlich als Ausbilder für die deutschen Piloten des "Euro Hawk" vorgesehen. Inzwischen hat er die Qualifikation zum Fluglehrer für die "Global Hawk" erlangt und verfügt über grundlegende Qualifikationen zur Steuerung ihrer Aufklärungstechnik. Der Drohnenpilot könnte nun nach Sizilien abkommandiert werden, um dort etwaige Einsätze der NATO-Drohnen am Rande des russischen Luftraums zu steuern. Vielleicht fliegt er die "Global Hawk" aber auch von einer mobilen Bodenstation an Bundeswehrstandorten in Manching, Jagel oder Kalkar.