Ein chinesisches Kreuzfahrtschiff mit 456 Menschen an Bord havariert im Jangtse-Strom. Nur 14 Menschen werden lebend geborgen. Tausende Rettungskräfte versuchen nun, weitere Überlebende zu finden.
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Der Sturm schüttelte das große Kreuzfahrtschiff Dongfangzhixing ("Stern im Osten"), das in Chinas Fluss Jangtsekiang unterwegs war. Nach 21 Uhr aber blitzte und donnerte es, so wie Zhang Hui es noch nie erlebt hatte. Das Luxusschiff sank - mit 456 Passagieren an Bord. Zhang Hui ist einer vorn nur 14 Menschen, die bis Dienstagabend gerettet werden konnte. Der 43-jährige Mitarbeiter einer Shanghaier Reiseagentur überlebte, obwohl er nicht mal schwimmen konnte.

Reportern der Nachrichtenagentur Xinhua erzählte er, wie der Regen auf das Schiff einschlug. Es regnete so stark, dass die Kabinen auf der rechten Seite geflutet wurden und die Passagiere in den Hauptsaal flüchteten. Zhang folgte ihnen und suchte seine Kabine auf der linken Seite auf. Da war der Wirbelsturm schon da.

Das Schiff bekam plötzlich so starke Schlagseite, dass Zhang das Kabinenfenster über sich sah. Er griff sich eine der in jeder Kabine hängenden Rettungswesten, kletterte aus dem Fenster und sprang in die Wellen. Zehn Stunden lang, in denen er "Mengen an Wasser schluckte", trieb ihn die starke Strömung fast 20 Kilometer weit bis zur Stadt Yueyang, wo er das Ufer erkannte. Mit letzter Kraft schob er sich über treibende Bäume an Land.

Als er vom Schiff sprang, hatte er noch "mehr als ein Dutzend anderer Passagiere in Rettungswesten in den Wellen treiben sehen und schreien hören. Nach einer halben Stunde "war dann alles ganz ruhig".

Mehr Menschen hätten sich retten können, wenn nicht alles so schnell gegangen wäre. Der Untergang des Schiffes bei Windstärke 12 in der Nacht auf Dienstag um 9.28 Uhr ließ den Menschen im Schiffsinneren kaum Zeit zur Flucht. Alles habe nur "ein oder zwei Minuten gedauert", gaben sowohl der überlebende Kapitän als auch sein Erster Maschinist zu Protokoll.

Kapitän und Erster Maschinist am Leben

Beide wurden in Polizeigewahrsam genommen und verhört. Nach ihren Angaben habe der Wirbelsturm das 76,5 Meter lange und elf Meter breite dreistöckige Luxusschiff mit solcher Wucht gepackt, dass es umkippte und versank. Beide Schiffsverantwortliche überlebten, weil sie zum Zeitpunkt des Unglücks an Deck waren.
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© Infografik "Die Welt"Starker Wind und heftiger Regen sollen so stark gegen die rechte Seite des Schiffes gedrückt haben, dass es kenterte
Pekings Führung mobilisierte von Dienstag früh an Tausende von Soldaten, Techniker, Feuerwehrleuten und eine Spezialeinheit von 183 Armeetauchern. Sie sollten gegebenenfalls eingeschlossene Passagiere retten. Durch den Auftrieb ragte das Schiff am Morgen mit einem Teil seines umgedrehten Rumpfbodens aus dem 15 Meter tiefen Strom.

Retter, die auf den Rumpf kletterten und ihn abklopften, hörten Geräusche aus dem Schiffsinneren. Sie hätten Klopfzeichen von drei Stellen aus der Mitte und vom Heck als Antwort bekommen, meldeten die CCTV-Nachrichten. Am Mittag holten Taucher als erste die 65-jährige Chinesin Zhu Hongmei aus dem Schiff. Sie hatte 15 Stunden in einer kleinen Kammer mit Luftblase ausgeharrt. Später konnten sie einen weiteren Überlebenden retten.

15 Stunden in einer Luftblase

Aus Peking flogen Premierminister Li Keqiang und eine Regierungsdelegation zur Unglücksstelle im Kreis Jianli rund 190 Kilometer flussaufwärts der Jangtsstrom-Stadt Wuhan. Li ordnete an, Sauerstoff in das Schiff zu pumpen, um seinen Auftrieb zu verstärken, den Rumpf mit Stahlseilen vom Ufer her gegen die starke Strömung festzuzurren und industrielle Schneidemaschinen heranzuschaffen.
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© AFPDieser Mann konnte aus dem havarierten Wrack gerettet werden.
Die wichtigste Maßnahme aber war die Schließung der gigantischen Schleusen des flussaufwärts gelegenen "Drei Schluchten Staudammes" in drei Phasen. Sie wurden von 17.200 Kubikmeter pro Sekunde abgelassenen Wasser auf 7000 Kubikmeter runtergefahren. Bis Dienstag Nacht sollte sich dadurch der Rumpf des Schiffes um drei Meter über den Wasserspiegel heben können, um von oben aufgeschnitten werden zu können.

Es ist der schwerste Unfall in der Geschichte chinesischer Kreuzfahrten und erinnert an die dramatischen Unglücke umgekippter Passagierschiffe vor der Küste Südkoreas und Italiens. Das Kreuzfahrtschiff war von der Metropole Nanjing nach Südwestchinas Chongqing auf elftägiger touristischer Fahrt stromaufwärts unterwegs.

Keine Ausländer an Bord

An Bord waren 404 chinesische Touristen, fünf Reisebegleiter und 47 Besatzungsmitglieder. Die Namensliste wurden Dienstagmittag veröffentlicht. Die meisten Passagiere waren Rentner zwischen 60 und 80 Jahren, für die ein Shanghaier Reisebüro die große Jangtse-Tour organisiert hatte. Fast 100 kamen aus Shanghai. Es gibt keine Hinweise darauf, dass auch Ausländer an Bord waren.


Das 1994 erbaute Luxusschiff bot Platz für 534 Menschen, war also zum Zeitpunkt des Unglücks nicht überbucht. Besitzer des Schiffes ist eine Reederei aus Chongqing, die auf die Drei-Schluchten-Kreuzfahrten entlang des Jangtse spezialisiert ist. Die regionale Tageszeitung Chutian Dushi stellte am Dienstag die kritische Frage, warum ein anderes Touristenschiff, am Montag vor Anker ging. Ihr Kapitän hatte wegen der Voraussage extrem schlechten Wetters seine Weiterfahrt gestoppt.

Chinas staatliches metereologisches Amt sprach auf seiner Webseite von einem sehr starken Wirbelsturm, der im chinesischen "Longjuanfeng" (Drachenwirbelwind) genannt wird. Er setzte um 21.06 Uhr im Umkreis von fast einem Quadratkilometer über der Route des Unglückschiffs ein und dauerte 15 bis 20 Minuten. Er gehöre zu den Stürmen, die "partiell und plötzlich" auftreten und extreme Windstärken erreichen können.