Wespen, die ihre Opfer aussaugen wie die Dementoren aus Harry Potter und Fledermäuse mit Vampirzähnen: Am Mekong haben Forscher Tierarten entdeckt, die einem Horrorfilm entsprungen sein könnten.
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© Michael Ohl Museum for Naturkunde
Magischer Mekong - so hat der WWF seinen aktuellen Bericht über neu entdeckte Tier- und Pflanzenarten in Südostasien genannt. Damit zollen sie der Skurrilität vieler Neuentdeckungen Tribut. Denn einige der 139 bislang unbekannten Tiere scheinen aus einem Science-Fiction-Roman zu stammen.

Da sind etwa Wespen, die ihre Opfer lähmen und dann bei lebendigem Leib aussaugen, ein Frosch, der seine Farbe je nach Tageszeit und Stimmung einfach wechselt, und eine Motte, die schimmert wie ein Schmuckstück.

"Einige dieser Tiere und Pflanzen könnten direkt einem Märchenbuch entsprungen sein und zeigen, wie kreativ und magisch Evolution abläuft", sagt die zuständige WWF-Referentin Kathrin Hebel. "Magisch" sind deswegen auch die Namen, die für einige der Tiere ausgewählt wurden.

So heißt die Wespenart, die ihre Beute mit einem Stich betäubt und dann aussaugt, mit Ampulex dementor nach den berüchtigten, seelenaussaugenden Dementoren aus der Harry Potter-Reihe.

Hotspot der biologischen Vielfalt

Für Tier- und Pflanzenkundler ist die sogenannte Mekong-Region - von Myanmar über Thailand, Laos und Kambodscha bis Vietnam - eine wahre Fundgrube. Im Schnitt werden dort jeden Tag drei neue Arten entdeckt. Seit 1997 waren es insgesamt mehr als 2000.

"Die Mekong-Region ist eine der letzten weitgehend unerforschten Ecken der Erde, ein Hotspot der Biologischen Vielfalt", so Hebel. Doch die WWF-Expertin zeigt sich bei aller Begeisterung vor allem besorgt: "Zahlreiche Arten drohen zu verschwinden, bevor sie überhaupt entdeckt wurden. Der Bau von Straßen, große Stauanlagen und schnell wachsende Städte bedrohen die Artenvielfalt am Mekong."

Nach WWF-Angaben mussten in Südostasien seit 1990 jährlich 2,7 Millionen Hektar Wald den Monokulturen riesiger Plantagen weichen. Außerdem sollen rund 150 neue Wasserkraftwerke entstehen. Bereits heute finden sich 70 Prozent der nur hier vorkommenden Säugetierarten auf der Roten Liste, darunter der Indochinesische Tiger oder der Asiatische Elefant.

Das letzte Java-Nashorn auf dem asiatischen Festland wurde 2011 in Vietnam gewildert. Auch die 139 Neuentdeckungen könnten bald für immer verschwunden sein.

Ziel müsse es daher sein, so die WWF-Forderung, biologisch wertvolle Gebiete am Mekong grenzüberschreitend und dauerhaft zu schützen, sowie die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Gesunde und intakte Ökosysteme kämen dabei auch der dort lebenden Bevölkerung zugute.

So würden etwa viele der geplanten Staudämme nicht nur die Artenvielfalt bedrohen, sondern auch die Ernährungssicherheit in Laos, Kambodscha und Vietnam gefährden.

Unter den Neuentdeckungen 2014 finden sich 90 Pflanzen, 23 Reptilien, 16 Amphibien, 9 Fische und ein Säugetier. Wir haben eine Auswahl der bislang unbekannten Arten zusammengestellt:

Sirindhornia-Motte

Sie hat nur fünf Millimeter lange Flügel und wurde in Thailand entdeckt. Die Forscher interessieren sich vor allem für die Genitalien des hübschen Tierchens. Sie sind bei Motten höchst komplex. 53 Merkmale haben die Forscher bei den winzigen Motten gefunden, die sie von allen anderen unterscheiden und Aufschluss über die Evolutionsgeschichte geben.

Gracixalus lumarius

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© wwfDes Nachts schimmert Gracixalus lumarius pink und gelb. Tagsüber sieht der Frosch wieder ganz anders aus. Ein kleines Wunder der Natur, das sich die Forscher bisher nicht erklären können.
Den entdeckten zwei Studenten in Vietnam. Der Frosch ist nachts gelblich-pink, tagsüber eher braun. Wie er seine Farbe ändert, wissen die Forscher noch nicht. Ungewöhnlich ist auch die Beschaffenheit seiner Haut, die Sandpapier ähnelt. Gracixalus lumarius gehört auch zu den seltenen Fröschen, die in Baummulden laichen, wo die Kaulquappen fern von gefräßigen Raubtieren heranwachsen können.

Ampulex dementor

Ein Insekt wie aus dem Horrorfilm: Diese Wespe lähmt ihre Beute mit einem einzigen Stich und verschlingt sie dann lebend. Opfer sind etwa Küchenschaben. Besucher des Naturkundemuseums Berlin durften über den Namen abstimmen und entschieden sich für Dementor, nach den seelenaussaugenden Kreaturen der Harry-Potter-Serie.

Lycodon zoovictoriae

Das Reptil aus Kambodscha wird bei gefühlter Gefahr aggressiv. Es vibriert dann wie eine Klapperschlange mit dem Schwanz, ist aber ungiftig. Die Wissenschaftler fanden nur ein einziges Exemplar.

Phryganistria heusii yentuensis

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© wwfPhryganistria heusii yentuensis, das zweitlängste Insekt der Welt. Dass diese Stabheuschrecke bisher unentdeckt blieb, liegt wohl an ihrer guten Tarnung.
Trotz ihrer Größe konnte sich die Stabheuschrecke bis heute vor dem menschlichen Auge verstecken. Mit über einem halben Meter ist sie das zweitlängste Insekt der Welt.

Hypsugo dolichodon

Die Fledermaus mit ihren langen, furchterregenden Fangzähnen mag an einen Vampir erinnern und uns einen Schrecken einjagen, trotzdem hat sie mehr Grund, den Menschen zu fürchten als umgekehrt. Ihr Lebensraum in Laos ist durch Infrastrukturprojekte bedroht.

Tylototriton shanorum

Die neuentdeckte Amphibienart aus der Gattung der Krokodilmolche ist bereits kurz nach ihrer Entdeckung durch die Sammelwut von falschen Tierliebhabern bedroht. Die Nachfrage auf dem internationalen Heimtiermarkt nach neuen und möglichst seltenen Arten boomt. Es wurden bereits zwei Vertreter von Tylototriton shanorum in asiatischen Zoohandlungen entdeckt.

dpa/tna