Putin
Der Präsident von Russland Wladimir Putin spricht in seiner Kolumne für die Zeitschrift Russian Pioneer über seine Eltern im Krieg, über seinen Bruder und all die wundersamen Fügungen seines Lebens.

In neun Tagen wird ganz Russland einen historischen Sieg für ein Heimatland, und für die Welt, feiern und ihn damit weiter verewigen. Ganz gleich, ob ausländische Staatsführer an den Feierlichkeiten zum Siegestag am 9. Mai auf dem Roten Platz teilnehmen oder nicht, hat ein großartiges Volk Anlass zu unerschütterlichem Stolz. So könnte es auch geschehen, dass eines Tages dem Anführer dieser dynamischen Nation neben den gefallenen Helden von Stalingrad und Leningrad gedacht wird.

Hier ist eine Sichtweise von Wladimir Putin, die, da wette ich, nicht viele dort draußen kennen oder verstehen.

Als wir die heutigen Nachrichten durchgingen, entdeckte meine Partnerin Mikhaela einen Bericht über Wladimir Putin, sowie eine Kolumne, die er für die Zeitschrift Russian Pioneer (oder Русский пионерauf Russisch) geschrieben hat. Der Titel des Artikels, übersetzt zum Nachfühlen, lautet: „Das Leben ist solch eine einfache Sache, und grausam“. Er spiegelt nicht nur Wladimir Putins persönliche Ansicht auf den Großen Vaterländischen Krieg wider, sondern interessanterweise auch die von Russland. In dem Beitrag behandelt Putin offen die Fügungen, die sein Leben geprägt haben. Er fährt fort, all die Erzählungen zu bestätigen, über die ich und andere Autoren gelegentlich geschrieben haben: über seine Familie, sein Zuhause und über die Belagerung Leningrads durch die Nazis, die so viele Hunderttausende betroffen hat. Am auffälligsten ist jedoch, dass der nun berühmte Staatsführer noch immer verblüfft darüber ist, dass seine Eltern den Feind niemals hassen wollten. Darin liegt vielleicht die beste Eigenschaft der Russen, irgendeine wundersame Fähigkeit zur Vergebung. Und Putin redet darüber ganz ehrfürchtig, in fast kindlicher Weise, aus der Perspektive der „Fliege an der Wand“ - finstere Gespräche von Erwachsenen belauschend. Das Ergebnis ist in der Tat faszinierend. Putin als Sohn seines Vaters zu beobachten, anstatt als die einflussreichste Person der Zeitschrift TIME, ist fesselnd.

Dieser Aufsatz ist nicht leicht zu übersetzen und Ihnen schnell zu liefern, da unser Übersetzungsteam mit 50 anderen Berichten beschäftigt ist. Daher erbat ich dringend die Hilfe unseres genialen Programmierers Aleksander Shatskih (Александр Шацких), daran mitzuwirken, das Gefühl hinter Herrn Putins Kolumne zu vermitteln. Was bezeichnend für diesen Bericht ist, neben der Tatsache, dass Russlands Präsident irgendwo dort draußen eine Kolumne hat, ist die Harmonie, die Russlands Oberhaupt dabei empfindet, ein Russe zu sein. Zu lesen, wie er über seine Mutter, seinen Vater und seinen Bruder mit solch klarem Erinnerungsvermögen spricht, ruft Empfindungen wach, die ich schon früher zum Ausrduck gebracht habe.
putins bericht über leningrad
Bilder aus Vladimir Putins ursprünglichem Bericht über Leningrad
Der Große Krieg, die Belagerung von Leningrad und Wladimir Putins untrennbare Verbindungen zu den Menschen und Ereignissen jener Zeit sagen mehr über den Menschen aus als eine Million Biographien. Er berichtet vom Anteil seines Vaters im Krieg und der späteren Bestätigung der Geschichten, die ihm erzählt wurden. Eine handelt speziell davon, wie der ältere Putin Nazi-Spähern knapp entwischte. Später im Monolog berichtet Putin von einem noch wundersameren Zufall, als sein Vater sich des Wiedersehens mit einem Kameraden entsinnt, der sein Leben im Krieg gerettet hat. Die Geschichte, die Russlands führender Bürger erzählt, ist reich an gezügelter Emotion, kontrolliert, und dennoch berichtet sie die Wahrheit über eine Stadt und ihre Bewohner - dem Tode überlassen, umzingelt und beinahe von einem schließlich entmutigten Feind zerstört. Wie verrufen die Nazis genau waren, wird bei dieser Erinnerung von Putins Vater an die Blockade von Leningrad offenkundig:
„Schließlich durchbrachen wir die Blockade an einem anderen Ort, doch nichtsdestotrotz tobten erbitterte Kämpfe dort, wo auch immer wir waren. Kugeln und Granaten flogen unerbittlich überall umher; die Deutschen erkannten, dass eine Unterbrechung möglich war. Also versuchten sie bei Nevsky den Flecken dem Erdboden gleichzumachen. Niemand kann sagen, wie viel Metall pro Quadratmeter sich dort noch immer unter dem Boden befindet.“
Ein Freund informierte mich heute, dass Nevsky nicht bloß noch immer mit Tonnen von Kugeln und Granatsplittern eingedeckt ist, sondern dass menschliche Knochen den Erdboden entlang der Straßen dort ausmachen. Dem Leser, dem nicht bewusst ist, was in Leningrad passiert ist, genügt es zu sagen, dass kein amerikanischer oder britischer Anführer je solche Prüfungen in jenem Krieg durchzustehen hatte. Nazi-Deutschland hat alles auf seinem Weg vernichtet, vorbei an dem was nun St. Petersburg ist, um den ferneren Osten zu überfallen, wobei es alles tötete, was ihm im Wege stand. Irgendwie hat das erbarmungslose Gehämmer der deutschen Bomben und Granaten wie durch ein Wunder weniger Menschen umgebracht als der Hunger und die Seuchen, an denen die Russen dort litten.

In Bezug auf Putins Zeitschriftenartikel ist die Erinnerung an seinen Bruder, den er niemals sah, das am meisten berührende Andenken oder Gefühl. Wladimirs Vater, der verwundet worden war, schaffte seine Krankenhaus-Rationen insgeheim für seine verhungernde Frau und sein dreijähriges Kind Viktor beiseite. Der jüngere Putin, Wladimirs älterer Bruder, erkrankte an Diphtherie und starb. Die Grausamkeit seines Todes wurde dadurch verschlimmert, dass seine Eltern nicht einmal wussten, wo er begraben lag. Wladimir Putin entsinnt sich, wie einige gute Seelen später nach der wirklichen Grabstätte vom Angehörigen des russischen Präsidenten forschten und diese meldeten. Wenn ich mich richtig erinnere, dann meinte Putin, das Grab befinde sich auf dem Piskaryovskoye Gedenk-Friedhof.
Bild
Putins Vater erzählte eine Geschichte über seinen Kameraden, der ihn rettete – Bild aus dem ursprünglichen Bericht
Schließlich kann der Leser von Wladimir Putins Offenbarungen mühelos den Wunsch des Mannes erspüren, gehört zu werden und dass, wer auch immer seine Geschichte in Russisch lese, die Geschehnisse jener dunklen Tage verstehen möge. Ich denke, wir können uns alle in irgend einer Weise mit einer Suche nach Wahrheit und Erkenntnis identifizieren, wenn wir eine sehen. Wenn ich hier meine eigene Übersetzung wagen darf:
Nun sehen Sie, dass alles was meine Eltern über jenen Krieg berichtet haben, richtig klang. Nicht ein Wort war erfunden. Nicht ein einziger Tag wurde verschoben. Und im Hinblick auf meinen Bruder und die Nachbarn, selbst die Geschichte über den deutschen Befehlshaber, der ein Gruppenkamerad war: all diese erwiesen sich irgendwann nachträglich als wahr.“
Ich finde es irgendwie tragisch, dass kein anderer Autor diesen Putin-Artikel gefunden hat. Vielleicht werden Journalisten heutzutage einfach nicht ausreichend bezahlt. Oder vielleicht werden ihre Redakteure nichts für eine Geschichte über den wahren Wladimir Putin zahlen? Ich kann darüber nur Vermutungen anstellen. Tragisch ist nicht, dass Wladimir Putin nicht besser verstanden wird, sondern dass das ehrbare und tapfere Volk, das er heute führt, nicht besser verstanden wird. Schließlich hat Russland am meisten geopfert, so dass die Alliierten siegreich sein konnten, doch niemand sieht das, der es nicht sehen will. Selbst inmitten all der unangemessenen Kritik ist die intelligente Menschlichkeit Russlands sichtbar: in ihrem Präsidenten. Ich werde Sie mit einem weiteren Fragment zurücklassen, wo er über seine verstorbene Mutter spricht:
„Es gab nicht eine Familie, wo jemand nicht getötet wurde, und natürlich waren alle von Trauer, Problemen, Tragik betroffen. Dass sie keinen Hass gegenüber dem Feind empfanden ist das, was ich erstaunlich finde. Ich kann offen gesagt ihre Gutherzigkeit bis heute nicht begreifen. Meine Mutter, sie war so sanftmütig, so liebenswürdig... Und sie sagte mir: 'Warum sollten wir diese Soldaten hassen? Sie sind auch einfache Menschen, und wir töteten sie im Krieg ebenfalls.' Es ist ganz und gar erstaunlich. Wir wuchsen mit sowjetischen Büchern und Filmen auf... Und da war Hass. Doch in meiner Mutter existierte der irgendwie nicht. An ihre Worte werde ich immer denken: 'Was können wir tun? Sie sind ebenso fleißig wie wir. Sie wurden bloß an die Front getrieben, um zu kämpfen.'“
Es wird Zeit, dass die Völker der Welt begreifen, wer uns heute an die Front treibt. Für Russland und Putin befindet sich die „Front“ am selben Ort wie immer. Er wird Heimat genannt.

Übersetzung aus dem Englischen: de.sott
Originalquelle: Russia Insider