Nicolas Sarkozy lässt es auf einen Krach ankommen: Bei einer von ihm angeregten Internet-Konferenz in Paris forderte Frankreichs Präsident staatliche Eingriffe ins Internet. Die versammelten Netz-Vordenker reagierten mit Unverständnis.

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© ReutersNicolas Sarkozy beim "eG8"-Gipfel: "Legitime Repräsentanten des allgemeinen Willens"
Paris - Er hatte den eG8-Gipfel selbst initiiert, und so wollte sich Nicolas Sarkozy von den dort versammelten Internetbegeisterten nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen.

"Das Universum, das Sie repräsentieren, ist kein paralleles, gesetzloses, ohne moralische, ohne fundamentale Prinzipien, die das Leben in demokratischen Staaten ordnen", sagte der französische Staatspräsident nun bei seiner eG8-Eröffnungsrede. Weil das Internet nun "Teil des Lebens einer Mehrheit der Menschen" sei, wäre es "ein Widerspruch, Regierungen von diesem immensen Forum fernzuhalten". Schließlich seien "Regierungen in unseren Demokratien die legitimen Repräsentanten des allgemeinen Willens".

Schon seit einiger Zeit wirbt Sarkozy bei vielen Gelegenheiten für ein "zivilisiertes Internet" - ohne jedoch zu spezifizieren, wessen Auffassung von Zivilisation dort herrschen soll. Schließlich bestehen zwischen den Vorstellungen etwa in Saudi-Arabien und Frankreich große Unterschiede - selbst Frankreich und die USA könnten sich vermutlich nur schwer darauf einigen, was noch als "zivilisiert" zu betrachten ist und was nicht.

Bei Twitter und anderswo werden Sarkozys Einschätzungen unter dem Hashtag #eg8 hämisch bis ängstlich kommentiert. Hier prallen die Vorstellungen eines freien, globalen nicht nationalstaatlich reglementierten Netzes mit Wucht auf die Ideen des Zentralstaatspräsidenten Sarkozy.

"Möglichst minimale Regulierung"

John-Perry Barlow, Gründer der Bürgerrechtsorganisation "Electronic Frontier Foundation" kommentierte Sarkozys Forderungen mit den Worten: "Wir haben jetzt 22 Jahre lang versucht, den Cyberspace zu zivilisieren, und wir glauben, es existieren unterschiedliche Vorstellungen davon, was das bedeutet. Wir glauben, dass Zivilisation Freiheit, Offenheit, möglichst minimale Regulierung einschließt, und ich habe nicht den Eindruck, dass es darum bei dieser Konferenz geht."

Sarkozy stößt mit seiner harten Haltung bei den prominenten Konferenzbesuchern, darunter Google-Verwaltungsratchef Eric Schmidt, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, Amazon-Gründer Jeff Bezos und diverse Internet-Forscher, -Juristen und -Denker, auf wenig Gegenliebe. Schmidt riet den Regierungen dieser Welt erneut dringend von vorschnellen Eingriffen ab: Die Technologie entwickle sich schneller als Regierungen folgen könnten, es könne deshalb gefährlich sein, Gesetze zu machen, ohne die Konsequenzen abschätzen zu können.

Der Harvard-Jurist Yochai Benkler erklärte das französische Hadopi-Gesetz für "Unsinn". Es erlaubt, Wiederholungstätern, die Internet-Tauschbörsen benutzen, um urheberrechtlich geschützte Filme oder Musik zu verbreiten, nach dem dritten Verstoß den Netzzugang zu kappen. Viele Beobachter des Kongresses befürchten einen zu starken Einfluss der Lobbygruppen, die stärkere Mittel zur Durchsetzung von Urheberrechten im Netz fordern - auf Kosten von digitalen Bürgerrechten. In den USA ist derzeit ein Gesetz in Arbeit, das Internetsperren gegen Seiten ermöglichen würde, die zur Verletzung von Urheberrechten genutzt werden können.

"Ohne Hemmungen ungehindert Übel verbreitet"

Sarkozy sagte auch, das Internet sei heute ein "beispiellos starker" Träger für Freiheit. Dies hätten die jüngsten Revolutionen in der arabischen Welt gezeigt. Die Internetunternehmen dürften aber nicht zulassen, dass die von ihnen angestoßene Revolution "ohne Hemmungen und ungehindert Übel verbreitet."

Die Internet-Revolution dürfe nicht das Recht eines jeden Menschen auf Schutz des Privatlebens verletzen, mahnte Sarkozy. Die "völlige Transparenz", die den Menschen nie zur Ruhe kommen lasse, verstoße früher oder später gegen das Prinzip der individuellen Freiheit.

Das Treffen in Paris, dient der Vorbereitung des am Donnerstag und Freitag im Badeort Deauville geplanten G-8-Gipfels der großen Industrienationen und Russlands. Die Ergebnisse der bis Mittwoch dauernden Diskussionen sollen in den G-8-Gipfel einfließen. Kritik gab es schon im Vorfeld auch deshalb, weil die G-8-Gruppe viele Staaten mit gewaltigen Internet-Populationen - darunter China und Indien - gar nicht umfasst.

Globalisierungsgegner wie Attac kritisieren zudem, dass es beim Internet-G-8-Gipfel nur um wirtschaftliche Interessen und nicht um Fragen wie den Datenschutz gehe. Die französische Präsidentschaft der Gruppe der großen Industrienationen und Russlands (G8) hat das Internet zu ihren Schwerpunktthemen erklärt.