Endlich kommt Bewegung in den NSU-Fall. Nachdem Beate Zschäpe bereits am 10. Juni 2015 zum wiederholten Male ihrer Anwältin Anja Sturm das Misstrauen ausgesprochen und mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit gedroht hatte, scheint das Verhältnis nun vollkommen zerrüttet zu sein. Es hat den Anschein, dass die Angeklagte nach fast 200 Verhandlungstagen nun doch etwas aussagen will. »Hallelujah« möchte man ausrufen - der zermürbende, langweilige und auf unheimliche Art und Weise extrem suspekte Prozess bekommt frischen Wind, vielleicht sogar einen ausgewachsenen Sturm. Die Anwälte reagieren äußerst verdächtig. Was genau passierte in den letzten beiden Wochen?

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Misstrauensbekundung, die Erste

Zunächst sei noch einmal an die erste massive Misstrauensbekundung von Beate Zschäpe vom 16. Juli 2014 gegen ihre drei Anwälte erinnert. Wir berichteten hier vor etwa einem Jahr über die Umstände und den Ausgang dieser Affäre - Beate Zschäpe musste seltsamerweise nach Entscheidung von Richter Götzl alle drei Anwälte behalten. Richter Götzl hatte damals eine detaillierte Auskunft Zschäpes verlangt, in der sie ihre Gründe für den Anwaltswechsel genau darlegen sollte.

Die geforderte Aussage blieb aber, da Beate Zschäpe eben nicht genau aussagen wollte, schwammig. Richter Götzl entschied deshalb damals gegen die Entlassung der Anwälte.

Misstrauensbekundung, die Zweite

Am 10. Juni 2015 beantragte Beate Zschäpe nun erneut die Entlassung ihrer Anwältin Anja Sturm. Die beiden anderen Anwälte betraf diese Misstrauensbekundung dieses Mal noch nicht unmittelbar. Erneut gab es keine Reaktion, die in Zschäpes Sinne gewesen wäre, sodass die Angelegenheit offensichtlich hinter den Kulissen eskalierte und am 22. Juni 2015 in der Ankündigung mündete, dass Beate Zschäpe nun sogar teilweise aussagen wolle.

Diese Entwicklung wiederum kann man nur als äußerst spektakuläre Ankündigung sehen, da die Angeklagte seit über 200 Verhandlungstagen bekanntlich eisern geschwiegen hat. War dieses Schweigen am Ende gegen ihren Willen? Es scheint ganz so.

Schweres Geschütz zur Anwaltentsorgung

Zschäpe nannte diesmal in einem vierseitigen Schreiben und gegenüber dem Psychiater Norbert Nedophil wesentlich aussagekräftigere Gründe als beim letzten Versuch vor einem Jahr. Vielleicht hat sie ja endlich gelernt, dass sie schwereres Geschütz auffahren muss, um diese drei Anwälte oder zumindest Frau Sturm endlich loszuwerden.

Nach eigenen Angaben empfindet es Beate Zschäpe als belastend, ständig auf Fehler seitens ihrer Anwälte - im Speziellen wohl Frau Sturm - aufpassen zu müssen. Weiterhin wirft Beate Zschäpe Anwältin Sturm vor, unvorbereitet in Verhandlungen zu gehen, also im Grunde mangelnde Kompetenz und Sorgfalt. Zschäpe beklagt sich außerdem, dass ihre drei Anwälte im Gerichtssaal gerne im Internet surfen, twittern oder gar ihren Urlaub planen. Aus einer Begründung, warum sie Frau Sturm entbinden möchte, ist ein formidabler Rundumschlag geworden, der einen tiefen Blick in die Arbeitseinstellung der Anwälte gewährt.

Erzwungene Omerta?

Die Angeklagte ist außerdem unzufrieden mit der von ihren Anwälten aufgenötigten »Strategie des Schweigens« vor Gericht. Sie beschäftige sich, so lässt sie am 22. Juni 2015 wissen, durchaus mit dem Gedanken, etwas auszusagen. Was genau sie aussagen will, sagt sie derzeit nicht, aber es wird wahrscheinlich etwas sein, das sie entlastet, denn sonst würde sie diesen Wunsch nicht verspüren.

Eine Zusammenarbeit mit den drei Verteidigern sei dann - laut Zschäpe - nicht mehr möglich, da die Anwälte androhten, im Falle von einzelnen Aussagen ihr Mandat aufzukündigen. Die Anwälte haben diese Drohung zwar mittlerweile bestritten, aber wie glaubwürdig ist das schon? Gar nicht! - die Angaben der Angeklagten sind da im gesamten Kontext des Falles wesentlich glaubwürdiger.

Es ist offensichtlich, dass die Anwälte ihre bisherige Strategie des Schweigens, die ja offensichtlich existiert, wohl gerne fortsetzen würden, denn ansonsten würden sie Frau Zschäpe wohl selber zu entlastenden Teilaussagen bewegen. Die Angeklagte wird nämlich aus nachvollziehbaren Gründen kaum etwas aussagen, was sie selber belastet. Insofern ist es sehr erklärungsbedürftig, warum sie es bisher nicht getan hat. Auf Anraten ihrer Anwälte vielleicht? Dann aber lautet die nächste Frage: Warum wollen diese Anwälte offenbar keine Aussage hören, die ihrer Mandantin wahrscheinlich helfen würde? Das ist alles sehr suspekt und lässt natürlich Vermutungen in Richtung einer »Scheinverteidigung« entstehen.

Kein Handschlag mehr für Sturm

Zudem beschreibt Beate Zschäpe das Vertrauensverhältnis zu Frau Sturm, die Grundlage jeder Verteidigung, als irreparabel beschädigt - wenn es denn jemals bestanden haben sollte. Das ist starker Tobak! Sogar von massivem psychischem Druck und lautem, rechthaberischem Verhalten von Frau Sturm gegenüber Frau Zschäpe ist die Rede.

Des Weiteren beklagt Frau Zschäpe Indiskretion und Vertrauensbruch, weil Frau Sturm angeblich Dinge im Prozess erörterte, die sie ihr im Vertrauen erzählt hat. Auch das wäre natürlich ein nachvollziehbarer Grund für den sofortigen Abbruch der »Geschäftsbeziehung«.

Weiterhin gab Zschäpe bezeichnenderweise an, dass sie ihrer Anwältin Sturm nicht mal mehr die Hand geben will. Ihr anderer Anwalt, Wolfgang Heer, hatte sie um diesen kleinen Gefallen gebeten - das Verhältnis sollte wohl wenigstens offiziell vor dem OLG München noch einigermaßen intakt aussehen. Dieser Wunsch des Anwalts Heer ist schon fast grotesk und hat etwas Komisches. Diese Anekdote ordnet sich aber nahtlos in das gesamte NSU-Geschehen ein - mehr Schein als Sein, wie wahrscheinlich der gesamte Prozess.

Finito Frau Sturm

Deutlicher kann man jedenfalls als Angeklagte das offensichtlich schwer gestörte Verhältnis zur Verteidigerin nicht mehr beschreiben. Vielleicht erkennt sogar Richter Götzl endlich Folgendes: Daist nichts mehr zu machen.

Im Grunde ist es schon ein extrem suspektes Armutszeugnis des Gerichtes, dass nach zwei Wochen immer noch keine Entscheidung bezüglich Rechtsanwältin Sturm gefallen ist. Sie müsste nach diesen Vorwürfen längst entlassen sein, vor allem, weil Beate Zschäpe noch zwei weitere Pflichtverteidiger hat und somit gar nicht auf Frau Sturm angewiesen wäre. Der Prozess könnte trotz einer Entlassung von Frau Sturm einfach weitergehen.

Zwangs- und Scheinverteidigung

Müssen es denn unbedingt drei Verteidiger sein? Warum rührt sich dann Richter Götzl nicht und entbindet wenigstens eine Verteidigerin von ihren sogenannten Pflichten, wenn ihm solche Vorwürfe bekannt werden? Diese ganze Verteidigung, auch der anderen beiden Anwälte, riecht langsam nach einer reinen Zwangs- und Scheinverteidigung, also genauer gesagt nach einer reinen Farce.

Dass Beate Zschäpe sich entschlossen hat, zumindest zu Teilen der NSU-Geschichte auszusagen, wird jüngst von vielen Mainstreammedien berichtet. Diese Andeutung sorgt natürlicherweise für einige Spannung, da damit endlich das Schweigen der Angeklagten gebrochen wäre. Vor allem Richter Götzl müsste eigentlich sehr gespannt auf die Aussage sein.

Aussage unerwünscht?

Vielleicht führt ja eine Aussage der Hauptperson zu einer Erhellung in diesem dubiosen Fall? Es könnte aber auch sein, dass diese Illuminierung des NSU-Falles gar nicht im Sinne des Gerichtes ist. Der ganze Fall stinkt nämlich zum Himmel, wie Kopp-Online-Leser wissen. Die gesamten Vorwürfe und große Teile der Beweise erscheinen konstruiert, der Fall ist in jeder Beziehung unlogisch.

Nicht mal ein echtes Motiv kann man nach einem Jahr quälender Aussagen vor dem OLG München tatsächlich vorweisen, von forensischen Beweisen oder konkreten Zeugenaussagen mal ganz zu schweigen. In über 200 Tagen wurden genau Null Beweise für die Täterschaft des NSU-Trios abgeliefert - was für eine Blamage.

Wenn dieser Fall tatsächlich konstruiert ist und somit ganz Deutschland angelogen wurde, muss man sich selbstverständlich auch fragen, ob es für Beate Zschäpe nicht gefährlich werden könnte, wenn sie eine Aussage ankündigt und diese Information an die Presse durchgestochen wird. Aber auch diese Indiskretion und Unprofessionalität des OLG München ist wieder mal typisch und passt einfach perfekt zur Gesamtgeschichte.

Man kann nur hoffen, dass Beate Zschäpe ihrer Ankündigung Taten folgen lässt und zumindest zu Details zeitnah einige Aussagen machen wird. Ob ihre Anwälte damit einverstanden sind, sollte ihr dabei egal sein. Wenn es den Herren Anwälten nicht passen sollte, können sie ja weiter im Internet surfen oder einfach zu Hause bleiben.