Bild
© unbekannt
Zuerst einmal ist festzustellen, dass es kein spezifisches Missbrauchssyndrom gibt: Fast jede Störung kann infolge von sexuellem Missbrauch auftreten. Sexueller Missbrauch führt zu den unterschiedlichsten Symptomen, die auch über längere Zeit auftreten können. So können emotionaler Missbrauch von Kindern, aber auch tatsächlicher sexueller Missbrauch zu Persönlichkeitsstörungen wie der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung führen, sie müssen aber nicht. Zwingende Rückschlüsse von einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung auf sexuellen Mißbrauch in der Kindheit sind daher nicht möglich und wären voreilig und fahrlässig.

Welche Faktoren kennzeichnen den sexuellen Missbrauch?
Eine sexuelle Handlung

Es besteht eine Abhängigkeitsbeziehung zwischen Täter und Opfer

Der Mächtigere befriedigt seine Bedürfnisse

Mangelndes Einfühlungsvermögen des Täters in das Kind

Das “Gebot” der Geheimhaltung
Die sexuelle Handlung

Handlungen können auch dann sexuellen Charakter haben, wenn keine Berührung stattfindet, z.B. wenn dem Kind pornografisches Material gezeigt wird oder es sich nackt zur Schau stellen muss. Meistens geht es jedoch um Handlungen, die einen Körperkontakt beinhalten. Missbrauchshandlungen können vom Zungenkuss über gegenseitiges Masturbieren bis zum Geschlechtsverkehr reichen. Der sexuelle Charakter muss nicht unbedingt offensichtlich und erkennbar sein. Das Kind kann beispielsweise beim Baden, Abtrocknen und Eincremen in unangemessener Weise stimuliert werden und bei der handelnden Person eine sexuelle Erregung auslösen. Auch wenn Erwachsene das Kind schlagen, ist es für Außenstehende schwer zu erkennen, ob die Schläge im Einzelfall sexuell motiviert sind. Die Situation des Kindes ist also nicht einfach einzuschätzen.

Als nicht objektivierbares Kriterium gilt, dass eine Handlung dann und nur dann sexuell ist, wenn sie der Befriedigung sexueller Bedürfnisse einer der beteiligten Personen dient, sei es mit oder ohne Körperkontakt. Diese Definition schließt Handlungen mit Körperkontakt, die aber nicht der Befriedigung sexueller sondern anderer Bedürfnisse (z.B. sadistische Motivation) dienen, aus. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sexuelle und sadistische Motive zusammenkommen, wie etwa im Fall pädophiler Sexualmörder.

Daneben finden sich objektivierbare Kriterien, die sich i.d.R. über die Intensität der sexuellen Handlung definieren. Weitgehend gelten folgende Handlungen als sexuell:
Einwirken durch Reden oder pornografische Abbildungen (siehe Pornografie)

Exhibitionismus

Berührung von Geschlechtsorganen oder der weiblichen Brüste

Berührung erogener Zonen

Masturbation

Handlungen, die mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind (Zungenküsse, Petting, Oralverkehr, Analverkehr, Geschlechtsverkehr)
Hiervon unabhängig ist, ob die sexuelle Handlung vor einem Kind, an einem Kind oder ob sie von einem Kind auf Veranlassung an sich selbst vorgenommen wird.

Die Abhängigkeitsbeziehung

Zum Begriff der Abhängigkeit gehören ganz verschieden Aspekte. Zunächst der Altersunterschied zwischen Täter und Opfer, die körperliche Überlegenheit, erziehungsbedingte und emotionale Abhängigkeit im familiären Verhältnis (bei Inzest) sowie arbeitsbedingte oder hierarchische Abhängigkeit bei Jugendlichen.

Der Mächtigere und die Befriedigung seiner Bedürfnisse

Vor allem bei emotional vernachlässigten Kindern können sexuelle Handlungen den Wunsch nach Nähe, Anerkennung und Körperkontakt wachrufen und scheinbar befriedigen. Solche Handlungen sind aber nie und in keinem Fall altersentsprechend. Kinder bekommen auf diese Weise Nähe und Anerkennung nur in einer sexualisierten Atmosphäre. Der missbrauchende Erwachsene glaubt, die Wünsche des Kindes zu erfüllen, nutzt aber in Wahrheit nur die emotionale Bedürftigkeit des Kindes für seine Interessen und die Befriedigung seiner Bedürfnisse aus.

Die mangelnde Einfühlung in das Kind

Der Erwachsene nimmt die Gefühle des Kindes und vor allem die späteren Auswirkungen auf seine Entwicklung nicht wahr, er verleugnet, entwertet oder verdreht dessen Bedürfnisse. Das Kind kann sich diesen Verleugnungsmechanismen nicht entziehen, es unterdrückt seine Gefühle, deutet sie um und entwertet sie ebenfalls.

Das Gebot der Geheimhaltung

Der Erwachsene setzt das sexuell missbrauchte Kind auf verschiedene Art und Weise unter Druck, damit es anderen Personen nichts von den Übergriffen erzählt. Der Täter droht mit:
Körperlicher Gewalt

Liebesentzug

Auseinanderbrechen der Familie

Gefängnisstrafe für Täter und Kind

Gelegentlich auch Todes- und Morddrohung
Meistens muss der Täter dem Kind nicht einmal drohen, denn es ist sich ohnehin bewusst, dass die Handlungen unerlaubt sind.

Die Folgen des sexuellen Missbrauchs

Es wird zwischen Reaktionen und Folgen sexuellen Missbrauchs unterschieden. Während bei Untersuchung der Reaktionen deklarierte Opfer über ihre Bewertung der sexuellen Handlungen, meist rückblickend, befragt werden, zielt eine Untersuchung der Folgen auf den allgemeinen psychischen und sozialen Zustand anhand bestimmter Kriterien ab.

Reaktionen

Die unmittelbaren und langfristigen Reaktionen von Kindern auf sexuelle Handlungen mit anderen Personen sind breit gestreut. Sie reichen von Angst, Scham und Schuldgefühlen über Unverständnis des Geschehenen bis hin zu emotionaler Freude und Lust. Freude empfindet nach einer Untersuchung von Dirk Bange (1996) keine der befragten missbrauchten Frauen und nur 3 von 161 Männern. Eine sexuelle Erregung des Kindes ist möglich, ist aber nicht notwendigerweise ein Ausdruck von situativem Wohlbefinden und Sympathie zur anderen Person. Die Reaktionen sind geschlechtsspezifisch. Während nach einer Studie von Rind et al. 72% der Mädchen von negativen Reaktionen berichten, zeigen nur 33% Prozent der Jungen negative Reaktionen. Darin enthalten sind auch einverständliche sexuelle Handlungen. Anderen Studien zufolge zeigen Mädchen und Jungen in der Reaktion kaum Unterschiede (Finkelhor 1990 325) (Kolko 1988) (Conte 1986).

Es wird argumentiert, dass Kinder nicht wissentlich einer sexuellen Handlung zustimmen könnten. Kinder die keine negativen Reaktionen zeigen, befänden sich in einer Phase, bei der die Auswirkungen noch nicht sichtbar seien. Erst später, wenn sie selber sexuelle Beziehungen eingehen, seien die Folgen erkennbar (Conte1985, 118f.). Einer Studie von Russel zufolge geben 85% von als Kind sexuell missbrauchten Frauen an, die Handlungen seien gänzlich ungewolllt gewesen, bei 7% geschah es zum Teil gegen den Willen des Opfers, und bei 2% war es gewollt. Die Studie ergab auch, dass die ambivalenten Erlebnisse von den Frauen als traumatischer erlebt wurden. Oft geben sich die Opfer der Vorstellung hin, sie hätten Einfluss auf die Situation gehabt, um ihre Hilflosigkeit nicht so sehr zu spüren. Diese Strategie kommt den Tätern entgegen, wie die Russel-Studie zeigt, denn je weniger Widerstand das Kind zeigt, umso intensiver sind die Handlungen. Entgegen der Vorstellung, dass ein Missbrauch nicht schlimm wäre, würde man nur die negativen Umstände kontrollieren, zeigen multivariate Analysen, dass sexueller Missbrauch an sich traumatisch sein kann. (Greenwald 1990 u.A.)

Folgen

Mögliche kurzfristige Folgen sind:
Unangemessenes Sexualverhalten

Auffälligkeiten im Sozialverhalten

Somatische und psychosomatische Folgen
Mögliche Langzeitfolgen:
Depressionen

Ängste

Emotionale und kognitive Störungen

Persönlichkeitsstörungen

Schlaf- und Essstörungen

Suchtverhalten

Beziehungsstörungen

Probleme der sozialen Anpassung

Somatisierungen
Bei der Betrachtung, welche Schäden sexueller Missbrauch Kindern zufügt, spielt insbesondere die Schwere des Missbrauchs und die Anwendung von Gewalt eine Rolle. Die vielfältigen Einflüsse und Kombinationen von Missbrauchsschwere und -häufigkeit bzw. -dauer mit Familienstrukturen und anderen Faktoren im familiären und sozialen Umfeld, Alter der Betroffenen, Herkunft und Motivationslage des Täters, Grad der Abhängigkeit vom Täter, vorhandenen oder fehlenden Copingmechanismen, Bedeutung gesellschaftlicher Wertungen und subjektiver Unterschiede im Empfinden ergeben ein komplexes Geschehen.

Problematisch ist die monokausale Rückführung vieler psychischer Probleme auf sexuellen Mißbrauch. Es gab Fälle, in denen es zur unbewussten Induktion falscher Erinnerungen an sexuellen Missbrauch durch Therapeuten kam (siehe False Memory Syndrom).

Rind et al. zeigten 1998 in einer Meta-Analyse, dass die in der Gesamtgesellschaft beobachteten psychischen Störungen nur zu einem geringen Teil auf sexuellen Missbrauch zurückführbar sind. Einen größeren Einfluss haben Vernachlässigung, Misshandlung und andere ungünstige Zustände in den Familien, in denen die Kinder aufwachsen. Zu Beginn der 1980er Jahre konzentrierten sich Studien über Folgen sexueller Handlungen vornehmlich auf Probanden aus dem klinischen und psychiatrischen Umfeld, die wegen psychischer Probleme (Posttraumatische Belastungsstörung, Borderline-Syndrom, Dissoziative Identitätsstörung etc.) in Behandlung waren. Man stellte man bei vielen der Probanden Missbrauchserfahrungen in ihrer Kindheit fest. Es zeigte sich aber auch, dass sexueller Missbrauch keine spezifische Symptomatik kennt; ein beschreibbares “Missbrauchs-Syndrom” existiert nicht.

Zunächst wurde gefolgert, dass Missbrauchserfahrungen grundsätzlich nachteilige Folgen haben. Hingegen stellte Finkelhor bereits 1979 fest, dass es keinen schlüssigen Beweis dafür gebe, dass alles das, was nach weiten Definitionen als sexueller Missbrauch von Kindern bezeichnet wird, grundsätzlich schädlich sei. Die Zahl der mißbrauchten Kinder, die keinerlei Symtome aufweisen, schwankt bei verschiedenen Studien zwischen 21% (Conte und Schuermann) und 36% (Tong 1987).

Bei einer nachträglichen Befragung von Opfern eines angezeigten Kindesmissbrauchs zeigte sich bei Baurmann 1983, dass etwa die Hälfte von ihnen negative Symptome entwickelten, die durchschnittlich knapp 5 Jahre anhielten, doch auch hier schwanken die Zahlen.

Es gibt jedoch eine Vielzahl von verschiedenen negativen langfristige Folgen wie verschiedene Studien zeigen (u.A. Dirk Bange 1996). Die Zufriedenheit mit der erwachsenen Sexualität nimmt ab, die Zahl der Abhängigkeitserkrankungen, Essstörungen und Bulimie nimmt signifikant zu, der Eigene Körper wird abgelehnt. Hinzu kommen psychosomatische Störungen wie Unterleibsbeschwerden bei Frauen, der Anteil der Männer und Frauen mit Erstickungsanfällen oder Schlafstörungen ist signifikant höher als in der Vergleichsgruppe. Auch Borderline- und Narzisstische Persönlichkeitsstörung können Folge eines sexuellen Missbrauchs sein (Barnard und Hirsch 1985). Weitere psychische Störungen die verstärkt vorkommen sind Schizophrenie, Depression, Angststörung und Zwanghaftes Verhalten und Selbstverletzung. Auch die Häufigkeit von Probleme in Zwischenmenschlichen Beziehungen, wie Mißtrauen und Angst vor Nähe nehmen zu.

Die Häufigkeit sexuellen Mißbrauchs

Zur Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs von Kindern existiert eine Vielzahl von Studien, die sich jedoch aufgrund unterschiedlich verwendeter Missbrauchsdefinitionen nur schwer vergleichen lassen. Übereinstimmend festhalten lässt sich, dass sexuelle Handlungen mit Kindern häufig vorkommen.

Die tatsächliche Häufigkeit von sexuellem Kindesmissbrauch ist schwer festzustellen. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des deutschen Bundeskriminalamtes führt für das Jahr 2003 19.477 erfasste Opfer auf. Diese Statistik enthält jedoch nur die bei der Polizei angezeigten Fälle. Das Dunkelfeld ist nach Auffassung der Experten deutlich größer. So kommen manche Organisationen auf Schätzungen von bis zu 300.000 missbrauchten Kindern pro Jahr in Deutschland. Diese Zahlen sind jedoch nicht belegbar.

Des Weiteren stoßen die entsprechenden Studien aufgrund ihrer Thematik allgemein auf zahlreiche methodische Hindernisse. Vor allem der Komplex des Nichterinnerns von Missbrauchserfahrungen ist hier zu nennen. Dies lässt sich häufig zurückführen auf Verdrängung, Kindheitsamnesie aber auch das Meiden eigentlich präsenter Erinnerungen, da diese als schmerzhaft erlebt werden. Auch werden bei den Studien nur selten spezielle Gruppen erfasst, bei denen eine höhere Häufigkeit angenommen wird (z.B. Therapiepatienten, Prostituierte, Drogenabhängige, Heimbewohner). Eine Studie anhand von 276 Therapieprotokollen (Brunner / Meyer 1994) wies bei enger Definition bereits 18,3% (m) und 25,2% (w) Betroffene aus.

Tätertypen

Betrachtungen von Tätern sexuellen Missbrauchs klammern üblicherweise Exhibitionisten als gesondert zu betrachtendes Phänomen aus. Täter sexuellen Missbrauchs zeichnen sich nicht durch gemeinsame Attribute aus. Sie sind in allen Bevölkerungsschichten vertreten.

Die Täter werden nach folgenden Typen klassifiziert:
  • Regressiver Typ:
    Seine primäre sexuelle Orientierung ist auf Erwachsene gerichtet, er ist durch Kinder jedoch sexuell erregbar. Aufgrund der leichten Verfügbarkeit von Kindern, wegen nichtsexuellen Problemen sowie wegen Problemen mit erwachsenen Sexualpartnern greift er zur sexuellen Befriedigung auf Kinder zurück. Man spricht deshalb auch von einem Ersatzobjekttäter.
  • Fixierter Typ:
    Er zeichnet sich durch seine primäre sexuelle Orientierung auf Kinder aus. Er ist durch Erwachsene sexuell nicht oder kaum erregbar. Es handelt sich um den klassischen Pädophilen.
  • Soziopathischer Typ:
    Er zeichnet sich durch mangelnde Empathie für Opfer und bisweilen durch sadistische Neigungen aus. Die Sexualität dient ihm nicht primär zur sexuellen Befriedigung, sondern als Mittel zur Unterdrückung, weshalb er manchmal auch als sadistischer Typ bezeichnet wird.
  • Nach vorsichtigen Schätzungen sind regressive Täter mit etwa 90 Prozent am häufigsten anzutreffen. Der fixierte Typ folgt mit etwa zwei bis zehn Prozent an zweiter Stelle. Der soziopathische Typ tritt nur in wenigen Einzelfällen auf. In den Medien sowie im englischsprachigen Raum werden regressive Täter fälschlicherweise als Pädophile bezeichnet.

Kommentar: Es sollte hier noch der psychopathische Typ ergänzt werden. Aus dem Buch von Robert Hare und Paul Babiak: Menschenschinder oder Manager wird folgendes unterschieden:
Psychopathie:
ist eine Persönlichkeitsstörung, die sich durch die Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensformen beschreiben lässt [...]. Psychopathen haben kein Gewissen und sind unfähig zu Empathie, Schuldgefühlen und Loyalität gegenüber anderen.

Soziopathie:
ist kein offiziell definierter psychiatrischer Zustand. Der Begriff bezieht sich auf Einstellungs- und Verhaltensmuster, die von der Gesellschaft allgemein als antisozial oder kriminell betrachtet werden, in der [...] sozialen Umgebung, in der sie entstanden, jedoch als normal oder notwendig gelten. Soziopathen können ein gut entwickeltes Gewissen und eine normale Fähigkeit zu Empathie, Schuldgefühlen und Loyalität haben, doch ihr empfinden von Recht und Unrecht beruht auf den Normen und Erwartungen ihrer [Umgebung].

Antisoziale Persönlichkeitsstörung (antisocial personality disorder, APD):
[es] handelt sich um eine weit gefasste diagnostische Kategorie nach der vierten Auflage des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychiatrischer Störungen (DSM-IV) der American Psychiatric Association. Bei ihrer Definition spielen antisoziale und kriminelle Verhaltensformen eine große Rolle; in dieser Hinsicht ähnelt APD der Soziopathie. Manche Menschen sind Psychopathen, viele andere aber nicht.

Der Unterschied zwischen Psychopathie und einer antisozialen Persönlichkeitsstörung besteht darin, dass zur Psychopathie Persönlichkeitsmerkmale wie die Unfähigkeit zur Empathie, ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit und fehlende Gefühlstiefe gehören, die für die Diagnose von APD nicht erforderlich sind.
Lesen Sie hier weiter, um mehr über den Psychopathen zu erfahren.
  • Kindliche und jugendliche Täter:
    Daneben kommt sexuellen Handlungen unter Kindern sowie zwischen Jugendlichen und Kindern unter den Begriffen sexuell aggressive Kinder und Jugendliche, sexuell deviante oder auffällige junge Täter immer häufiger Aufmerksamkeit zuteil. Diese wurden von Therapeuten geprägt.
Die Vorbeziehungen zwischen Täter und Opfer

Bei den in Hell- und Dunkelfeldstudien untersuchten Fällen sexuellen Missbrauchs bestand eine Vorbeziehung zwischen Kindern und dem Täter. Bekannte machen etwa die Hälfte, Verwandte ein Fünftel der Täter aus. Väter als Täter sind eher selten, die Fallzahl liegt zwischen 3 und 6 Prozent. Bei Jungen wurde beobachtet, dass lediglich etwa 10 bis 20 Prozent der Täter aus dem familiären Nahfeld entstammen.

Zwischen sozialer Nähe und der Intensität sexueller Handlungen besteht eine Beziehung. Die Anzahl, die Dauer und die Intensität der sexuellen Handlungen nimmt mit der sozialen Nähe zwischen Täter und Kind zu.

Das Geschlecht des Täters

Nach derzeitiger Sachlage bilden Männer etwa 85 bis 90 Prozent der Täter. Der Anteil weiblicher Täter ist erst in jüngerer Zeit in das Blickfeld wissenschaftlicher Untersuchungen gelangt.

Das Alter des Täters

Von allen Altersgruppen ist bei den 14-16jährigen die Zahl der mutmaßlichen Täter bezogen auf die Anzahl der Personen in der Altersgruppe am größten, gefolgt von den 16-17jährigen. Mit zunehmenden Alter sinken die Belastungszahlen. Dabei zu beachten ist, dass der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs (§ 176 StGB) sowohl freiwillige wie unfreiwillige sexuelle Handlungen mit Kindern unter Strafe stellt.

Die Vorgehensweise des Täters

Nach verschiedenen Studien, geschieht jeder vierter Mißbrauch unter Einsatz körperlicher Gewalt. Aus der Studie von Baurmann (1985) lässt sich ableiten, dass die Opfer bei 22% der angezeigten Fälle den Täter als bedrohlich oder gewalttätig beschrieben. Tiefergehende Studien (Dirk Bange u.A.) zeigen, daß neben Drohungen die emotionale Zuwendungen (oder deren Entzug) die häufigste Methode der Täter ist. Weitere Mittel um den Opfer sexuelle Handlungen aufzudrängen sind, Vortäuschung falscher sexueller Normen (13%) und/oder Geschenke.

Bei sexuellem Missbrauch in der Kernfamilie gilt häufig eine familiäre Dysfunktion der Familiendynamik als Auslöser sexuellen Missbrauchs. Der Täter baut oft eine intensive Beziehung zum Kind auf, die mit einer gesteigerten emotionalen und bisweilen auch materiellen Zuwendung einher geht. Das Kind wird für den Täter zum Ersatzpartner, was für das Kind eine oft nicht zu bewältigende Rollenkonfusion auslöst. Gleichzeitig sinkt die Möglichkeit für das Kind, sich an andere Mitglieder der Kernfamilie zu wenden, um dieser Situation zu entkommen. Sexueller Missbrauch in der Kernfamilie erstreckt sich aufgrund der sich für den Täter bietenden Möglichkeiten oft über einen längeren Zeitraum und wird häufig von intensiveren sexuellen Handlungen begleitet.

Sexueller Missbrauch im weiteren sozialen Umfeld des Kindes wird häufig bei sich bietender Gelegenheit verübt. In der Regel besteht hier ebenfalls eine Vorbeziehung zum Kind, die sowohl flüchtig als auch intensiv, in der Regel auf Basis beidseitiger emotionaler Zuwendung, ausgeprägt sein kann. In Einzelfällen konnten unterschiedliche Tatverhaltensweisen beobachtet werden. Es fanden sich Täter, die die Tat vorgeplant und eine entsprechende Gelegenheit selbst geschaffen haben, und Täter, die eine sich zufällig ergebende Möglichkeit ergriffen haben. In der Regel hat der Täter jedoch zuvor sich mit dem Gedanken befasst, sexuelle Handlungen mit einem Kind zu begehen. Taten aus einem spontanen Triebdurchbruch heraus sind sehr selten anzutreffen.

Pädophile Täter gehen in der Regel eine freundschaftliche Beziehung mit Kindern ein, wobei sie sich der Zustimmung des Kindes versichern wollen. Dabei wenden sie sich oft an Kinder, die zuwendungsbedürftig sind bzw. arbeiten in Berufen, in denen sie viel mit Kindern zu tun haben.