Seit Monaten demonstrieren Regimegegner im Jemen, nun eskaliert der Machtkampf. Präsident Salih schlägt nach einem Angriff auf seinen Palast zurück.

Demos in Jemen
© dpaRegierungsgegner demonstrieren in Sanaa.
Sanaa/Hanoi/Tel Aviv . Der Machtkampf zwischen dem umstrittenen Präsidenten Ali Abdullah Salih und einflussreichen Gegnern aus seinem eigenen Haschid-Stamm wird immer blutiger. Nachdem der 69-Jährige am Freitag einen Anschlag überlebt hatte, feuerten seine Gefolgsleute am Samstag Granaten auf das Haus des Oppositionspolitikers Scheich Hamid al-Ahmar in Sanaa ab. Zehn Menschen seien getötet und mindestens 35 weitere zum Teil schwer verletzt worden, berichtete die Nachrichtenwebsite News Yemen.

Angesichts der nicht abebbenden Gewalt in weiten Teilen der jemenitischen Hauptstadt schloss Deutschland vorübergehend seine Botschaft. Außenminister Guido Westerwelle forderte am Samstag die rund 30 noch im Jemen verbliebenen Deutschen auf, sich in Sicherheit zu bringen. Die Bundesregierung folgte damit anderen Staaten. Auch Großbritannien appellierte an seine Bürger, den Jemen umgehend zu verlassen.

Westerwelle forderte während eines Besuchs in Vietnam den seit mehr als drei Jahrzehnten amtierenden Präsidenten erneut auf, die Macht abzugeben. Salih habe die „Verantwortung gegenüber seinem Land“ bedauerlicherweise nicht wahrgenommen. „Er hätte auf einen Dialog setzen müssen, so lange noch Zeit war.“ Jetzt drohe immer mehr die Gefahr eines Bürgerkriegs. Die EU-Außenbeauftragte Cathrine Ashton verlangte einen sofortigen Waffenstillstand. Regierungstruppen und Stammesmilizen sollten sich zurückhalten und die „Eskalation der Gewalt“ beenden, sagte Ashton in Brüssel. Die USA verurteilten die „sinnlose Gewalt“ in dem vom Terror heimgesuchten Armenhaus der arabischen Halbinsel.

Salih wurde während des traditionellen Freitaggebets, das er mit anderen Politikern in einer Moschee neben dem Palast verrichtete, von einem Granatsplitter am Kopf getroffen. Das sagte einer seiner Vertrauten dem Nachrichtensender Al-Arabija. Nach den Angaben starben bei der Attacke vom Freitag sieben Offiziere. Fünf hohe Mitglieder der Regierung und des Parlaments wurden mit schweren Verletzungen nach Saudi-Arabien geflogen. Am Samstag gab es Spekulationen, dass auch Salih zur Behandlung ins Nachbarland gereist sei. Das Informationsministerium in Sanaa dementierte das jedoch.

In den vergangenen Wochen hatte der seit langem schwelende Machtkampf zwischen Salih und der rivalisierenden Al-Ahmar-Familie extreme Ausmaße angenommen. Scheich Sadik al-Ahmar ist Oberhaupt des Haschid-Stammes, dem auch die Präsidentenfamilie angehört. Hamid al-Ahmar, ein Bruder des Stammesführers, ist ein vermögender Geschäftsmann.

Die Al-Ahmar-Familie wehrt sich unter anderem gegen die Absicht von Salih, seinem ältesten Sohn Ahmed die Macht zu übergeben. Der ist Kommandeur der Republikanischen Garde und damit eine der wichtigsten Machtstützen seines Vaters. Dagegen unterstützen die Al-Ahmars die Opposition, die seit Jahresbeginn Präsident Salih mit Massenprotesten zum Rücktritt zwingen will. Nach dem Angriff vom Freitag machte Salih umgehend die verfeindete Al-Ahmar-Familie verantwortlich und bezeichnete diese als Bande von Gesetzlosen. Das Büro des Stammesführers wies alle Anschuldigungen zurück.

Salih hat nach Berichten von Augenzeugen die blutige Eskalation mit ausgelöst. Mitglieder der loyal zu ihm stehenden Republikanischen Garde hätten zuvor die Häuser seines Halbbruders, General Ali Mohsen al-Ahmar, und des Oppositionspolitikers Hamid al-Ahmar in Sanaa beschossen. Anhänger der beiden Männer hätten daraufhin zum Gegenschlag ausgeholt und auf das Gelände des Präsidentenpalastes gefeuert.