Wissenschaftlern ist gelungen, was als unmöglich galt: Aus versteinerten Knochen eines 80 Millionen Jahre alten Sauriers extrahierten sie Blutgefäße.
Blutgefäße Dinosaurier
© M. Schweitzer/ NC State UniversityFossile, aus versteinerten Knochen extrahierte Blutgefäße: Auf den Spuren der Körperchemie ausgestorbenen Lebens.
Viele Funde werden in der Paläontologie noch genauso gemacht wie vor 200 Jahren - Hammer, Pinsel und Maßband in der Hand. Hightech aber liefert die spektakulärsten Erkenntnisse: Jetzt gelang es Forschern, 80 Millionen Jahre alte Blutgefäße zu rekonstruieren.

Wie extrem die Spanne der Instrumente der paläontologischen Forschung inzwischen ist, zeigen zwei am Mittwoch veröffentlichte Studien.

In der einen geht es um Fußabdrücke, die langhalsige Sauropoden vor rund 170 Millionen Jahren auf der schottischen Isle of Skye hinterließen. In der anderen geht es um ein winziges, höchst filigranes Gespinst, das Forscher mit so aufwendigen wie ausgefuchsten Methoden aus einem demineralisierten Fossil lösten - die ersten Blutgefäße eines Dinosauriers, die je sichtbar gemacht werden konnten.

Das eine ist für die Forscher erfreulich und verspricht neue Informationen und Erkenntnisse. Das andere ist eine kleine Sensation, die das Instrumentarium der paläontologischen Forschung noch einmal erweitern wird.

Die stetig wachsende Zahl neuer Methoden und Instrumente wirkt längst auf Wissenschaft wie Berufsbild zurück. Aber alles, Hammer wie Hightech, Outdoor wie Labor, bringt Erkenntniszuwachs.

Paläoproteomik: Forschung auf Molekularebene

Einige der aufregendsten paläontologischen Entdeckungen der vergangenen Jahre wurden im Labor gemacht - gut möglich, dass man die von Tim Cleland dazuzählen wird: Cleland forscht an der Universität von Austin, Texas, als Molekularpaläontologe. Seine Berufsbezeichnung ist so neu wie das Forschungsfeld, dass er gerade mit erschließt: Die Paläoproteomik sucht auf molekularer Ebene nach den Spuren fossiler Proteine.

Eiweiße, hieß es noch vor Kurzem, blieben in fossiler Form nicht erhalten. Meldungen, man habe Spuren von Dinoblut gefunden, fanden stets vehemente Kritiker, die da eher auf Kontaminierung tippten.

Clelands Forschungsgruppe gelang jetzt etwas, was bisher als unmöglich galt: Die Forscher extrahierten aus dem fossilen Knochen eines 80 Millionen Jahre alten Brachylophosaurus canadensis eine Struktur, die sie als Blutgefäße deuteten.

Mithilfe eines Massenspektrometers wiesen sie mehrere Proteine nach, die für den Aufbau solcher Gefäße typisch sind. Um die Zuverlässigkeit der Methode nachzuweisen, führte Clelands Gruppe die gleichen Analysen mit Knochen von Hühnern und Straußen durch, modernen Nachfahren der Dinosaurier.

Sie fanden sehr ähnliche Peptidverbindungen und schlossen damit aus, dass die filigranen Gebilde durch nachträgliche Verschmutzung der feinen Hohlräume im fossilen Knochen entstanden waren ("Biofilm").

Ihre im Journal of Proteome Research veröffentlichte Studie zeigt einen neuen Ansatz, sich über die Distanz von Millionen Jahren dem weichen Material zu nähern, aus dem Fossilien einst bestanden. Es ist ein Beitrag zur Entschlüsselung der Körperchemie von Lebewesen, deren Überreste nur noch in versteinerter Form vorliegen.

Und es ist ein Trend in den Labors der Paläontologen: Schlagzeilen machten in den vergangenen Jahren unter anderem Studien, die über den Nachweis bestimmter chemischer Strukturen einige der Farben in Haut, Federn und Eiern von Dinosauriern zu rekonstruieren. Selbst die Rufe und Geräusche mehrerer Saurierarten sowie von Terrorvögeln glaubt man in den vergangenen Jahren entschlüsselt zu haben.

Spuren im Schlick: Schottlands Langhälse

Auch was Forscher der Universität Edinburgh soeben im aktuellen Scottish Journal of Geology veröffentlichten, ist durchaus ein Superlativ: Auf der Isle of Skye im Nordwesten Schottlands fanden sie Hunderte Fußabdrücke von Sauropoden, die dort vor 170 Millionen Jahren lebten.


Die Entdeckung an sich ist schon ein Erkenntnisfortschritt. Bisher deuteten nur Funde kleiner Knochenfragmente und Teile fossiler Zähne darauf hin, dass im Gebiet des heutigen Schottlands überhaupt je Sauropoden lebten.

Das steht nun außer Frage - der größte der Fußabdrücke bringt es auf einen Durchmesser von 70 Zentimetern. Die Sauropoden, deren genaue Art man aus Spuren allein nicht bestimmen kann, werden auf Längen von fünfzehn Meter und ein Gewicht um zehn Tonnen geschätzt.

Spurenfossile gehören zu den indirekten Zeugnissen der Vergangenheit. Sie dokumentieren die einstige Anwesenheit von Lebewesen: Ihre Bewegungen, mitunter Körperabdrücke, ihr Wirkung auf anderes Leben, zum Beispiel bei Fressspuren. Man kann sie als versteinertes Verhalten sehen.

Gefunden, konserviert und dokumentiert werden sie mit klassischem Methoden, die seit rund 200 Jahren eingesetzt werden: Oft muss man "nur" erst einmal erkennen, dass diese regelmäßigen Vertiefungen in einem Fels Spuren sind.

Suchten sie Nahrung?

Oft muss man sie aber auch erst freilegen. Dann vermisst man sie - Schrittlängen, die Tiefe von Einprägungen und so weiter. Man macht Abdrücke, und mitunter schneidet man auch ein paar Platten aus dem Boden.

Man sieht sich aber auch das Gestein an, in dem sie gefunden wurden: Was war das einst für ein Material? Wie sah die Gegend aus? Was liefen da alles für Arten von Tieren herum? Suchten sie Nahrung? Wanderten sie, flohen sie, jagten sie? Schritten sie gemächlich oder rannten sie etwa?

Der Paläontologe liest den fossilen Abdruck nicht viel anders, als ein heutiger Fährtensucher das tun würde - und gewinnt dabei ähnliche Informationen.

Damit ist die erreichbare Erkenntnistiefe beschrieben. Bei Zigtausenden konservierten Spurenfossilen in aller Welt drängt sich dem Laien da eine Frage auf: Bringt das überhaupt noch was Neues?

Aber ja doch, wie auch die aktuelle Studie zeigt. Die Sauropoden von Skye stapften einst durch den Schlick einer Salzwasserlagune. Das ist ein Indiz: Offenbar lebten manche Sauropoden in Küstengebieten und suchten ihre Nahrung auch im Flachwasser.

Noch vor kurzem sah man sie allein als weidende Tiere, die in Herden über weite Ebenen zogen. Der Fund der Fußspur verändert also die Wahrnehmung des Tieres und die Rekonstruktion seiner Lebenswelt. Das bedeutet auch, dass man die Suche nach ihren Spuren und Überresten auf Gebiete ausdehnen wird, in denen man sie bisher nicht vermutete.