Digitale Kredit- und Kundenkarte in einem: Mit Hilfe von Chips sollen Smartphones andere Bezahlsysteme ablösen. Starbucks macht's vor.

Handy als Zahlungsmittel
© Picture Alliance/dpaMit dem Handy bezahlen: In der Moskauer Metro geht das.
Wer seinen morgendlichen Espresso bei der Kaffeekette Starbucks trinkt, muss eine gewisse physische Zahlungsbereitschaft mitbringen - ein „Latte Venti“ etwa ist mit mehr als drei Euro so teuer, dass Kleingeldvorräte im normal dünnen Portemonnaie oft nicht mehr ausreichen. Andererseits ist selbst der edelste Starbucks-Biokaffee nicht teuer genug, als dass er den Einsatz einer Kreditkarte rechtfertigen würde. Ein Problem nur für Leute, die sonst keine haben?

Das Starbucks-Management ist anderer Meinung und forciert in den USA nun eine Bezahl-Alternative: die eigene Kaffeegeld-App fürs iPhone. Treue Kunden können seit Beginn des Jahres ihren Lieblings-Lifestyle-Trunk in 6200 Filialen nicht mehr nur mit der konzerneigenen Kundenkarte, sondern auch mit ihrem Smartphone bezahlen, indem sie den Telefon-Bildschirm an der Kasse unter einen Scanner halten. Gleichzeitig sammeln sie so Bonuspunkte für ein Treueprogramm. Um nicht eines Morgens auf dem Trockenen zu sitzen, müssen sie ihr Starbucks-Konto regelmäßig mit Geld auffüllen.

Was nach einer Kundenbindungsmaßnahme nur für absolut süchtige Kaffeefans klingt, bescherte Starbucks im vergangenen Jahr über die zugehörige Karte immerhin 1,5 Milliarden Dollar Umsatz. Das Unternehmen ist Vorreiter für den nächsten Megatrend im Mobilfunkmarkt: Smartphones sollen digitale Geldbörse und Kundenkarte in einem werden und so helfen, die Zahl der Plastikkarten im Portemonnaie zu reduzieren.

Sei es über unternehmensspezifische Applikationen auf dem Smartphone oder universell verwendbare simple Bezahl-Services der Mobilfunkanbieter: Bereits jetzt nutzen viele Verbraucher ihr Handy, um etwas zu kaufen. Für Nahverkehrsfahrscheine, Kino- und Konzertkarten oder schlicht das Parkticket gibt es Lösungen, die oft per Code-SMS oder MMS mit einem scanbaren Barcode auf dem Handydisplay funktionieren. Auch rein elektronische Waren wie Musikdateien werden sehr erfolgreich über digitale Läden wie Apples iTunes vertrieben.

Chips tauschen Daten mit Kasse aus

Verbraucher hatten also schon Gelegenheit, sich an den Gedanken des Handys als Einkaufsgerät zu gewöhnen. Nun positionieren sich die Giganten der Online-Welt, um einen Teil eines größeren Kuchens abzubekommen - das Handy soll Einkaufswerkzeug an realen Kassen und für reale Waren werden. Die dazu notwendige Technik heißt Near Field Communication oder NFC: Neue Handys haben einen Chip an Bord, der über Distanzen von unter einem Meter mit einer Kasse im Laden Daten austauscht.

Die NFC-Handys könnten nicht nur den eigentlichen Transfer des Geldes handhaben, sondern auch gleich Bonuspunkte von Kundenbindungsprogrammen sammeln oder Gutscheine freischalten. Eine Studie der US-Marktforschungsagentur IEMarket Research schätzt, dass 2014 weltweit 1,13 Billionen Dollar jährlich per Mobiltelefon überwiesen werden, und dass ein Drittel davon per NFC-Technik von Nutzerkonten transferiert werden. Die neuesten Samsung-Smartphones haben die NFC-Chips bereits an Bord, diverse Patentanmeldungen von Apple deuten darauf hin, dass auch das kommende iPhone 5 entsprechend ausgestattet sein wird.

2010 wurden weltweit gut 50 Millionen Mobiltelefone mit NFC-Chips verkauft, im kommenden Jahr sollen es vier Mal so viele sein. Größter Anbieter könnte noch dieses Jahr Google werden: Dessen neues Handy-Betriebsystem Android 3.0 unterstützt bereits NFC-Funktionen, im US-Bundesstaat Oregon läuft seit November 2010 ein Pilotprojekt. Auch der Online-Bezahldienstleister PayPal, eine Ebay-Tochter, will im Sommer einen NFC-Service starten. Der Clou: PayPal will es erlauben, elektronisches Geld auch direkt zwischen zwei NFC-Handys auszutauschen, und so schnelle Überweisungen zwischen Privatleuten ermöglichen.

Die Mobilfunkanbieter wollen ebenfalls nicht zurückstehen. So stellten etwa Verizon Wireless, AT&T und T-Mobile USA für den US-Markt das Joint Venture ISIS vor, sie wollen den gemeinsamen Service ebenfalls ab Sommer anbieten. „Es wird ein Rennen, und jeder kämpft nun um die beste Startposition“, sagt ein ISIS-Sprecher. In Deutschland wollen die großen Mobilfunkkonzerne Telekom, Vodafone und O2 vermeiden, dass ihre Kunden durch einen Kampf konkurrierender Systeme verwirrt werden, und arbeiten an einer gemeinsamen Plattform für NFC.

Ob aber auch die Kunden auf den NFC-Zug aufspringen, dürfte wesentlich von Verfügbarkeit und Bedienbarkeit der Technik abhängen: Zum einen darf ein System nicht von der Netzqualität der Mobilfunkverbindung abhängen - wenn etwa an der Kasse im Kaufhauskeller schlechter Empfang die Transaktion verzögert, würde das für NFC sofort das Aus bedeuten. Zum anderen darf das entsprechende NFC-Gerät auf Händlerseite nicht zu teuer ausfallen, damit möglichst viele Einzelhändler die Investition wagen. Aktuelle Kassengeräte kosten noch mindestens gut 200 Euro.

Schließlich müssen die Hersteller sicherstellen, dass die NFC-Kommunikation abhörsicher bleibt. Genau das könnte in Deutschland das größte Hemmnis sein: Zum einen steckt hier bereits in fast jeder Hosentasche mit der EC-Karte ein etabliertes System für Geldsummen jeder Höhe. Zum anderen dürfte kein Mobilfunksystem je die Abhörsicherheit erreichen, die die verschlüsselte Festnetzleitung zwischen Kartenterminal und EC-Dienstleister gewährleistet.