Fehldiagnosen, unerkannte Leiden, falsche Behandlungen: Rund 11.000 Patienten beschwerten sich im vergangenen Jahr über Pfusch in Arztpraxen und Kliniken.

OP
© PATrotz aller Bemühungen um mehr Sicherheit in der Medizin haben Gutachter im vergangenen Jahr erneut bei Tausenden Patienten Ärztefehler festgestellt.
Kann man seinem Arzt vertrauen? Ist seine Diagnose wirklich richtig, sein Therapievorschlag sinnvoll und eine mögliche Operation sicher? Solche Fragen stellen sich täglich tausende Patienten in Deutschland. Und auch die Bundesärztekammer untersucht, wie die Qualität der ärztlichen Behandlungen sich in Deutschland entwickelt.

Wie in jedem Jahr stellte sie die Statistik der Behandlungsfehler in Kliniken und Privatpraxen für das Jahr 2010 vor. Demnach hatten sich im vergangenen Jahr 11.016 Patienten bei den Schlichterstellen beschwert, 44 mehr als im Vorjahr. 7355 Beschwerden wurden daraufhin untersucht.

Aber nicht bei allen vermuteten Fehler lag auch tatsächlich einer vor: Bei 2199 Fällen lag ein Behandlungsfehler vor - beziehungsweise der Patient wurde von seinem Arzt nicht ausreichend über Risiken der Behandlung aufgeklärt.

In manchen Fällen führt ein solches Versagen des Arztes dazu, dass der Patient Schaden nimmt: In 1821 Fällen war der entstandene Gesundheitsschaden so gravieren und eindeutig nachweisbar, dass der Patient einen Anspruch auf Entschädigung einreichen konnte.

„Wer Fehler vermeiden will, muss wissen, wo sie passieren“, sagte Andreas Crusius, der vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen. Deshalb sei es gut, dass Mediziner in den vergangenen Jahren dazu übergegangen seien, Fehler und Beinahe-Fehler zu dokumentieren und zu analysieren. Nur so könnten Fehler in Zukunft vermieden werden.

Die meisten ärztlichen Fehler kamen von Patienten, die sich in Kliniken behandeln ließen. Die meisten Patienten beschwerten sich, weil sie Fehler bei der Behandlung von Knie- oder Hüftgelenksarthrose vermuteten. Auch die Therapie von Brüchen, Bandscheibenvorfällen, aber auch Brustkrebs war häufig Anlass von Beschwerden.

Im Vergleich zu den beiden Vorjahren haben 2010 die Beschwerden vor allem bei den Knie- und Hüftgelenksarthrosen zugenommen: jeweils von rund 235 auf rund 280. Beschwerden wegen Unterarmbrüchen und Fußdeformitäten sind etwa konstant geblieben. Über fehlerhafte Behandlung und Diagnose bei Brustkrebs beschwerten sich im vergangenen Jahr weniger Patienten.

Schädel-OP im Mittelalter
© PASchädeloperation brutal: Das Gemälde "Das Steinschneiden" von Hieronymus Bosch gibt Einblicke in die Heilkunde im Mittelalter.
Bei den niedergelassenen Ärzten treten die häufigsten Fehler bei der Krankheitsdiagnose auf, Therapieempfehlungen und Überweisungen laufen einigermaßen fehlerfrei. Die häufigsten Fehler in Kliniken sind erwartungsgemäß die Operationen.

Wenn Patienten fürchten, dass ihr Arzt sie falsch behandelt, sollte sie ihren Arzt zunächst darauf ansprechen, sagt der Gesundheitsexperte Kai Vogel von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Dass sich bei der aktuellen Statistik rund 70 Prozent der Eingaben an die Schlichterstellen als nicht haltbar erwiesen, deute darauf hin, dass die Beschwerden oft auch andere Ursachen haben können.

Wer sich aber beschweren will, könne bei manchen Krankenkassen an den medizinischen Dienst wenden. Dieser könne ein Gutachten erstellen, sagt Vogel. „Nicht alle Kassen machen das, aber man kann es auf jeden Fall mal versuchen.“

Eine weitere Möglichkeit sei ein privatärztliches Gutachten von einem unbeteiligten Mediziner. Das müsse der Patient meist aus eigener Tasche bezahlen.

In jedem Bundesland gebe es auch Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärzte. Sie schreiben kostenlose Gutachten. „Allerdings sind diese Stellen natürlich von der Ärzteschaft besetzt“, sagt Vogel.

Generell sei es immer ratsam, zusätzlich einen Fachanwalt für Medizinrecht einzuschalten, der die Erfolgsaussichten einer Klage einschätzt, empfiehlt Vogel.

Auch im Bericht der Bundesärztekammer wird aber hervorgehoben, dass die meisten Behandlungsfehler von Ärzten nicht durch die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern bewertet werden: Nur gut ein Viertel aller vermuteten Fälle schlägt sich somit in dieser Statistik nieder.

Insgesamt kommt es laut Bundesärztekammer in Deutschland pro Jahr zu rund 17,2 Millionen Behandlungen im Krankenhaus, mehrer Hundert Millionen Mal gehen Patienten zu einem niedergelassenen Arzt.