Berlin - Vor dem Berliner Landgericht begann gestern der Prozeß um die beiden letzten Todesurteile, die in der DDR gefällt wurden. Angeklagt sind die beiden ehemaligen Richter des 1. Militärstrafsenats des Obersten Gerichts der DDR, Fritz Nagel (63) und Karl-Heinz Knoche (73), sowie der damalige Militärstaatsanwalt Heinz Kadgien (67).

Die Anklage wirft den beiden Richtern Totschlag und Rechtsbeugung vor, der Staatsanwalt muß sich wegen Anstiftung zu beiden Taten verantworten. Alle drei DDR-Juristen waren im Juni 1981 an einem Verfahren gegen den ehemaligen hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit (Stasi), Werner Teske, beteiligt.

Der 39jährige soll eine Flucht in den Westen geplant und zuvor geheime Unterlagen an sich genommen haben. Am 11. Juni 1981 wurde er wegen Spionage in besonders schwerem Fall zum Tode verurteilt und 15 Tage später durch Genickschuß hingerichtet.

Das andere Todesurteil richtete sich im Dezember 1979 gegen den Stasi-Offizier Gert Trebeljahr. Der 42jährige hatte im Frühjahr 1979 Kontakt zur Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin aufgenommen und soll dort um Fluchthilfe gebeten und eine Liste mit Stasi-Mitarbeitern angeboten haben.

Oberstaatsanwalt Klaus-Heinrich Debes warf den Angeklagten vor, die Urteile beantragt beziehungsweise verhängt zu haben, obwohl sie gewußt hätten, daß dies vom Strafgesetz der DDR nicht gedeckt gewesen sei. Die Höchststrafen seien nicht zu rechtfertigen, weil beide Hingerichteten damals nicht der vollendeten, sondern nur der versuchten Spionage überführt worden seien. Die Angeklagten sollen die Höchststrafe auf Wunsch der DDR-Staatssicherheit und mit Zustimmung von DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker verhängt haben.

Die Angeklagten wiesen die Vorwürfe zurück. Nagel sagte, die Toten seien Folge des Kalten Krieges gewesen. Er und Knoche beriefen sich darauf, daß für die Urteile des Obersten DDR-Gerichts jeweils eine Zweidrittelmehrheit ausreichend gewesen sei. Wie sie selber abgestimmt hatten, wollten sie jedoch nicht sagen. Der ehemalige Militärstaatsanwalt Kadgien argumentierte, der Bundesrepublik fehle jegliche Befugnis, gesetzestreue DDR-Bürger zu verfolgen.