Nachthimmel
© DPANachthimmel über Ungarn (im Juli 2015): Ein Jahr für Weltraumfans
Was für ein Jahr für Weltraumfans: Es gab hochauflösende Fotos vom Rand des Sonnensystems, verwirrende Signale von einem Kometen, Raumfahrer auf Rekordflügen. Das sind die Highlights.

1. Ein Planet, der keiner mehr ist, wird zum Fotostar

12.500 Kilometer Distanz sind kein Pappenstiel, erst recht, wenn man zum ersten Mal einen fremden Himmelskörper erkundet. Doch damit würde man "New Horizons" und den an ihrem Flug beteiligten Forschern Unrecht tun. Die Nasa-Sonde hat Mitte Juni als erstes Flugobjekt von der Erde den Pluto erreicht. Und in bisher ungekannter Schärfe und Detailtiefe fotografiert. Es war das Astro-Ereignis des Jahres - denn seit dem rasenden Vorbeiflug ist klar: Der eisige Zwergplanet ist deutlich abwechslungsreicher als angenommen. Außerdem gibt es dort mehr geologische Aktivität als bisher bekannt - und verblüffend wenig Einschlagkrater.

Auch Plutos Mond Charon nahm sich "New Horizons" vor. Von ihm gibt es nun ebenfalls zum ersten Mal scharfe Bilder. Wochenlang dauerte es, bis die Sonde die beim Vorbeiflug gesammelten Daten zur Erde zurückspielen konnte. Inzwischen ist "New Horizons" weiter auf dem Weg durch den Kuipergürtel. Im Januar 2019 soll sie dort einen Asteroiden namens 2014 MU 69 untersuchen. Der ist etwa 25 bis 45 Kilometer groß und kreist etwa alle 300 Jahre einmal um die Sonne - und hat natürlich auch noch nie Besuch von der Erde bekommen.

2. Nasa bejubelt Wasser auf dem Mars - mal wieder

Die US-Weltraumbehörde Nasa will Menschen zum Mars schicken. Irgendwann. Und das sagt sie auch immer mal wieder. Dieser Tage aber will sie es ganz besonders, so scheint es. Dafür ist jegliche öffentliche Unterstützung hochwillkommen. So war man sicher froh, den Machern des - wissenschaftlich weitgehend an der Realität orientierten - Films "Der Marsianer" unter die Arme greifen zu können.

In Ridley Scotts Heldenepos kämpft ein von Matt Damon gespielter Astronaut um sein Überleben. Für Weltraumbehörde und Filmemacher auch ganz praktisch aus PR-Gesichtspunkten: Wenige Tage vor dem Start des Streifens gab die Nasa bekannt, sie habe Hinweise auf fließendes Wasser auf dem Mars gefunden.

Wohlgemerkt solches, dass dort nicht irgendwann geflossen ist - sondern immer noch fließt. Messdaten der Raumsonde "Mars Reconnaissance Orbiter" (MRO) legen den Forschern zufolge nahe, dass das Wasser - schrecklich salzig übrigens - an steilen Hängen fließt.

Definitive Beweise gibt es dafür nicht, spannende Belege in Form charakteristischer chemischer Verbindungen allerdings durchaus. So ähnlich hatte die Nasa übrigens vor 15 Jahren schon einmal versucht, die Welt vom Vorhandensein des Marswassers zu überzeugen. Um es endgültig zu finden, muss sich womöglich aber dann doch Matt Damon auf die Reise machen. Oder ein echter Astronaut.

3. On-off-Beziehung auf einem Kometen

Was ist das für ein Leben? Da macht man seinen Job nicht nur gut, sondern exzellent. Da sammelt man emsig Daten, schickt Fotos und liefert so die Grundlagen für haufenweise wissenschaftliche Veröffentlichungen. Trotzdem schaut die halbe Welt lieber auf die zickige Rotzgöre. Wenn ein Raumfahrzeug Gedanken äußern könnte - und wenn es schlecht gelaunt wäre - dann könnte womöglich die europäische Kometensonde "Rosetta" so lästern.

Sie kreist seit September vergangenen Jahres um den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko. Dabei hat sie zum Beispiel herausgefunden, dass der Himmelskörper wohl bei einer Zeitlupenkollision entstanden ist. Auf seinem Weg begleitete "Rosetta" den Himmelskörper auch am sonnennächsten Punkt - und konnte dabei zusehen, wie er große Mengen an Material verlor. Die Öffentlichkeit schien sich aber vor allem für den kleinen Landeroboter "Philae" zu interessieren, den "Rosetta" auf der Kometenoberfläche abgesetzt hatte. Diesem war kurz nach der Landung im November 2014 der Strom ausgegangen.

Die Begeisterung war groß, als sich "Philae" Mitte Juni wieder meldete. Doch ein dauerhafter Kontakt ließ sich nicht etablieren. Das Ganze bliebeine On-off-Beziehung. Mit deutlich mehr off als on. In absehbarer Zeit sollen beide jedoch wieder vereint sein, die Esa will "Rosetta" zum Missionsende auf der Kometenoberfläche landen lassen.

4. Ceres bekommt Besuch

Klar, "New Horizons" und "Rosetta" beziehungsweise "Philae" waren die astronomischen Medienstars in diesem Jahr. Doch tut man der Nasa-Sonde "Dawn" damit Unrecht. Nachdem sie in den Jahren 2011 und 2012 schon den Asteroiden Vesta im Detail vermessen hatte, schwenkte sie im März dieses Jahres nun auf eine Umlaufbahn um den geheimnisvollen Kleinplaneten Ceres ein. Der zieht zwischen den Planeten Mars und Jupiter seine Bahn als größter Himmelskörper im Asteroidengürtel. Seit dem Frühjahr hat "Dawn" Unmengen faszinierender Bilder von der von Kratern übersäten Oberfläche geschickt.

Lange war unklar, wie die rätselhaften hellen Flecken auf der Oberfläche von Ceres entstanden sein könnten. Inzwischen liegt eine durchaus plausible Erklärung vor: Es handelt sich wahrscheinlich um Salzminerale, die beim Verdampfen von Wasser zurückgeblieben sind.

Die Sonde hat übrigens auch noch einen sechs Kilometer hohen Berg entdeckt, dessen Form an eine Pyramide erinnert. Auch er hat helle Streifen. Noch ein paar Wochen lang soll "Dawn" in nur 375 Kilometern Höhe um Ceres kreisen. Dann endet die Mission. Weil ihr Orbit so stabil ist, wird die Sonde allerdings weiter um den Kleinplaneten kreisen. Ganz still.

5. Ein Jahr im All - immerhin ist der Salat frisch

Man hat das Gefühl, dass die großen Raumfahrtagenturen der Welt niemanden mehr in ein Raumschiff lassen, der nicht ganz exzellente Fotos macht. Scott Kelly ist zum Beispiel so ein Fall. Er twittert seit März atemberaubende Aufnahmen aus dem All, was das Zeug hält. Nebenbei soll der Amerikaner auch noch eine Bestmarke knacken. Ein ganzes Jahr wird er zusammen mit seinem russischen Kollegen Michail Kornijenko auf der Internationalen Raumstation bleiben. Das ist etwa doppelt so lang wie üblich.

Für die Russen ist das wegen Kosmonaut Waleri Poljakow und seiner 437 Tage im All kein Rekord - für die Amerikaner schon. Von Kellys Mission verspricht man sich bei der Nasa aber nicht nur deswegen wichtige Erkenntnisse für zukünftige Langzeitflüge. Grund dafür ist ein Mann, der auch Astronaut ist, ebenfalls Kelly heißt - allerdings Mark mit Vornamen.

Er ist Scotts Zwillingsbruder und soll zum Vergleich eingehend untersucht werden. So soll noch besser als bisher geklärt werden, was die Schwerelosigkeit mit dem menschlichen Körper anstellt, mit Muskeln, Knochen, Immunsystem und Augen. Ihr Langzeitaufenthalt im All brachte für Scott Kelly und Michail Kornijenko übrigens auch ganz ungewohnte Freuden. Sie durften den ersten im Weltraum angebauten Salat verspeisen. Genau genommen nur die Hälfte. Der Rest wird auf der Erde untersucht.

6. Rekord dank Raketenpanne

Auch bei der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) konnte man sich in diesem Jahr über einen Rekord freuen. Die Italienerin Samantha Cristoforetti knackte die Bestmarke für den längsten Nonstop-Raumflug einer Frau. Sie löste Sunita Williams aus den USA ab. Sie war in den Jahren 2006 und 2007 insgesamt 194 Tage im All, Cristoforetti kommt jetzt auf 199.

Während ihres Aufenthalts setzte die Italienerin die erste Espressomaschine auf der ISS im Betrieb. Der kosmische Kaffee könne in puncto Stärke und Aroma mit jeder Bar in Italien mithalten, erklärte sie anschließend. Ihren All-Rekord verdankt Cristoforetti übrigens einem Unglücksfall. Nach einem missglückten Start im April war der unbemannte russische Raumfrachter "Progress M-27M" im Mai über dem Pazifik verglüht (siehe unten). Wegen der daraufhin folgenden Untersuchung wurde der Rückflug der Crew, zu der Cristoforetti gehörte, um einige Zeit verschoben.

7. Apropos Panne: Ein Unglück kommt selten allein

Die "Sojus" ist das Arbeitstier der russischen Raumfahrt, tut seit Jahrzehnten immer brav ihren Job. Immer? Nicht ganz. Zuletzt häuften sich die Pannen. Die wohl wichtigste in diesem Jahr ereignete sich Ende April. Damals missglückte der Start eines unbemannten Frachters vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. 2,3 Tonnen Versorgungsgüter, Treibstoff und Wasser gelangten nicht zur Internationalen Raumstation - sondern wurden zerstört, als "Progress M-27M" über den Pazifik verglühte. Schuld war ein Problem, das kurz vor dem Abtrennen des Raumfrachters von der Trägerrakete auftrat. Dadurch fing die Kapsel an, schnell zu rotieren - und war nicht mehr unter Kontrolle zu bringen.

Doch nicht nur russische Raumfahrer hatten dieses Jahr Probleme mit der Technik, ihren amerikanischen Kollegen ging es nicht besser. Ende Juni explodierte eine "Falcon 9"-Rakete der Privatfirma SpaceX mit einer "Dragon"-Versorgungskapsel an Bord - zwei Minuten nach dem Start. Auch sie sollte die Vorräte der Internationalen Raumstation aufstocken. Für SpaceX war der Verlust ein empfindlicher Rückschlag - ebenso wie für die Logistikverantwortlichen des ISS-Programms. Sie hatten im Oktober 2014 bereits den Absturz eines "Cygnus"-Frachters von Orbital Sciences verkraften müssen. Innerhalb weniger Monate patzten also drei wichtige Liefervehikel.

8. Einsames Ende

Ja, natürlich kann man im Weltall keine Geräusche hören. Im Vakuum fehlt ein Trägermedium für den Transport der Schallwellen. Trotzdem möchte man sich beinahe vorstellen, dass es gehörig gescheppert hat, als Ende April die Nasa-Sonde "Messenger" ihren Dienst quittierte. Schließlich krachte sie mit einer Geschwindigkeit von rund 14.000 Kilometern pro Stunde auf die Oberfläche des sonnennächsten Planeten Merkur. "Messenger" war ein Arbeitstier, das noch bis zehn Minuten vor dem Absturz Daten zur Erde schickte.

Statt der ursprünglich geplanten 2500 Bilder hatte die Sonde im Verlauf ihrer Mission insgesamt 250.000 gemacht. In Tausenden Umrundungen sammelte sie die Daten dafür, dass Merkur erstmals vollständig kartiert werden konnte. Außerdem spürte "Messenger" tonnenweise Eis am Nordpol des Planeten auf - und fand heraus, dass der Merkur ganz langsam schrumpft. In den kommenden Jahren hat der Planet nun erst einmal Ruhe von Besuchern von der Erde. Erst im Jahr 2024 soll die europäisch-japanische Sonde "BepiColombo" weiterspähen. Frühestens.

9. "Beagle 2", da bist du ja!

Es war - wie man jetzt weiß - das erste Mal, dass eine europäische Sonde auf einem anderen Planeten ankam: In der Weihnachtszeit des Jahres 2003 landete "Beagle 2" auf dem Mars. Weil dabei aber entscheidende Dinge schiefgingen, erfuhr die Welt davon nichts - im Prinzip bis Anfang dieses Jahres.

Mitte Januar lud die UK Space Agency zu einer Pressekonferenz im ehrwürdigen Ambiente des Kohn Centre der Royal Society in London. Dabei wurden Bilder von der "HiRise"-Kamera des "Mars Reconnaissance Orbiter" der US-Weltraumbehörde Nasa vorgestellt. Sie belegen, dass "Beagle 2" den Mars damals wohl tatsächlich erreicht hat - nur fünf Kilometer vom Zentrum der geplanten Landezone entfernt.

Fallschirme, Airbags und ein Hitzeschild haben funktioniert, wenn man den Bildern Glauben schenken kann. Offenbar wurden aber nach der Landung nur einer oder zwei der vier Sonnenkollektoren automatisch ausgefahren. Damit war die für die Kommunikation nötige Antenne verdeckt - und "Beagle 2" blieb für immer stumm.

10. Mar(s)athon

Mehr Glück bei der Erforschung des Roten Planeten hatte man ja in den vergangenen Jahren bei der Nasa. Flaggschiff ist der Marsrover"Curiosity", der ungefähr die Maße eines Kleinwagens hat. Im Gale-Krater unweit des Mars-Äquators hat er unter anderem ausgetrocknete Seen und Flüsse entdeckt.

Deutlich kleiner und etwas weniger spektakulär kommt der Rover"Opportunity" daher, das zweite aktive Nasa-Fahrzeug auf dem Mars. Doch nicht nur weil das Ding schon seit fast zwölf Jahren dort unterwegs ist, verdient es Begeisterung. Es ist auch weiter gefahren, als jedes andere menschgemachte Planetenmobil.

Im März feierte die Nasa, "Opportunity" habe mit 42 Kilometern mittlerweile eine Marathondistanz absolviert. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bereits im Juli 2014 hatte sich "Opportunity" den Rekord für die längste Fahrt eines Fahrzeugs auf einem fremden Planeten geschnappt. Mit mehr als 40 Kilometern übertraf er damals den Rekord des russischen Rovers "Lunokhod 2", der auf dem Mond 1973 etwa 39 Kilometer gefahren war. Und vor allem: Ursprünglich war "Opportunity" nur für einen dreimonatigen Forschungseinsatz vorgesehen.