Bengasi - Das Regime des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi hat nach Angaben des Roten Kreuzes mehrere Dutzend Rebellen aus der Gefangenschaft entlassenen. Wie eine Sprecherin der Organisation mitteilte, traf ein Schiff mit 51 freigelassenen Kämpfern am Freitag in der Stadt Bengasi ein.

Aus britischen Diplomatenkreisen verlautete unterdessen, eine Gruppe internationaler Berater habe mit der libyschen Opposition bereits detaillierte Pläne für die Zeit nach Gaddafi ausgearbeitet. Die Pläne sollten voraussichtlich in der kommenden Woche offiziell vorgestellt werden, hieß es.

Vertreter der Regierungen von Großbritannien, den USA, Italien, der Türkei sowie weiterer Länder hätten etwa einen Monat im Osten Libyens verbracht, um mit dem Nationalen Übergangsrat der Aufständischen verschiedene Szenarien für eine Zukunft Libyens ohne Gaddafi durchzuspielen, sagte ein britischer Diplomat am Freitag. Man habe "für die Tage, die Wochen und für die Monate" nach einem möglichen Rücktritt des Machthabers geplant. Dabei seien auch die Erfahrungen aus dem Chaos infolge anderer Konflikte der jüngeren Vergangenheit berücksichtigt worden, hieß es weiter.

In den Planungen habe auch die Wiederaufnahme der libyschen Ölproduktion eine wichtige Rolle gespielt, sagte der britische Diplomat. Die Behörden gingen davon aus, dass die Produktionsanlagen nur in geringem Maße beschädigt worden seien und die Lieferungen nach einem Rücktritt Gaddafis daher innerhalb von drei oder vier Wochen wieder aufgenommen werden könnten.

An Bord des am Freitag im Hafen von Bengasi eingelaufenen Schiffes befanden sich nach Angaben des Roten Kreuzes neben den freigelassenen Gefangenen zudem 249 Personen aus den westlichen Landesteilen, die wieder mit ihren Familien im Osten vereint werden wollten. Mitarbeiter der Organisation planten, erneut nach Tripolis zu fahren, um weitere Gefangene und Familienangehörige in die Rebellenhochburg zurückzubringen, hieß es.

Die zurückgekehrten Kämpfer berichteten von brutalen Misshandlungen während ihrer Gefangenschaft. "Sie haben uns Elektroschocks verpasst und uns in jeder erdenklichen Weise gefoltert", sagte Jussef al-Fetori, der eigenen Angaben zufolge in der Hauptstadt Tripolis festgehalten wurde. "Sie haben meine Rippen gebrochen sowie meine Hand und mein Bein."

Ob es sich bei der Rückführung der Rebellenkämpfer um einen Austausch von Gefangenen handelte, war zunächst nicht klar. Die Sprecherin des Roten Kreuzes dementierte dies. Ein Sprecher des Nationalen Übergangsrates hatte zuvor jedoch bestätigt, dass fünf Gefangene kürzlich nach Tripolis geschickt worden seien.

Vier Monate nach Beginn der libyschen Aufstände und fast drei Monate nach Beginn der internationalen Luftangriffe kontrolliert das Regime des seit 1969 regierenden Gaddafi noch immer den überwiegenden Teil des Westens, während die Rebellen de facto im Osten an der Macht sind. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag will am Montag bekanntgeben, ob gegen Gaddafi und zwei ranghohe Mitglieder seines Regimes Haftbefehle wegen illegaler Angriffe gegen Zivilpersonen erlassen werden.

dapd