In den USA bedrohen Flächenbrände und Hochwasser gleich mehrere nukleare Anlagen. Die Experten beteuern die Sicherheit.

Brände bedrohen AKW in New Mexiko
© ReutersBuschbrände bedrohen weiter ein großes Gebiet in New Mexico.
Es ist, als hätten sich Amerikas Atomkraftgegner, Endzeit-Propheten und Klimawandelforscher verschworen: Waldbrände in New Mexico bedrohen Los Alamos, den Geburtsort der amerikanischen Atombombe und das größte Nuklearwaffen-Laboratorium der USA; im Osten Nebraskas haben Fluten des über die Ufer getretenen Missouri zwei Atomkraftwerke eingeschlossen.

Die doppelte Bedrohung von US-Anlagen zur friedlichen wie zur kriegerischen Nutzung der Kernenergie durch Naturgewalten, nicht etwa Terroranschläge, machen eine doppelte Beschwichtigungskampagne erforderlich.

Sowohl die Atomaufsichtsbehörde des Bundes, die Nuclear Regulatory Commission (NRC), als auch Sprecher für Los Alamos versichern, dass weder Flut noch Feuer den Anlagen gefährlich werden können. Alles sei unter Kontrolle und absolut sicher. Dass ihre Versicherungen manchen an Tepco und Fukushima erinnern, ist ein ominöser, unguter Zufall.

Unbestritten ist, dass Ausläufer der fast 150 Quadratkilometer umfassenden Feuersbrunst in New Mexico bis auf zwanzig Meter an das Gelände von Los Alamos heranreichten. Nun gleicht das Laboratorium zwar eher einer Stadt - dort arbeiten und leben 15.000 Menschen in rund 2000 Gebäuden auf 55 Quadratkilometern - , und es heißt, die waffentechnologisch heikelsten Forschungsstätten seien so konstruiert, dass sie sämtlich einem Brand widerstehen könnten.

Nuklearabfall unter freiem Himmel

Was jedoch besorgte Bürger in der Gegend, etwa die Initiative „Concerned Citizens for Nuclear Safety“, umtreibt, sind rund 30.000 200-Liter-Fässer mit plutoniumverseuchtem Nuklearabfall, die auf einem asphaltierten Gelände unter freiem Himmel stehen. Auch diesen Fässern soll angeblich ein Brand nichts anhaben können.

Die Bürgerinitiative fragt, was geschieht, wenn die Fässer platzen. Ihr nuklearer Giftmüll würde in die Flammen und die kilometerhohe Rauchwolke gesogen, glaubt sie. Am Mittwoch waren die Flammen rund drei Kilometer von der Lagerstätte der Fässer entfernt. Die Umweltbehörden des Staates New Mexico wie des Bundes werteten die Luftanalysen von 60 Messstationen auf radioaktive Elemente aus, hieß es von offizieller Stelle. Es bestehe kein Grund zur Sorge.

„Das Risiko, dass irgendetwas schiefgehen könnte, ist wirklich sehr gering“, versicherte am Montag der NRC-Vorsitzende Gregory Jaczko nach einem Rundflug über die beiden von Fluten eingeschlossenen AKW Fort Calhoun und Cooper. Beide Kraftwerke seien sehr gut gerüstet für die Überschwemmungen.

Es gebe reichlich Sandsäcke und andere Barrieren; Dieselgeneratoren würden anspringen, wenn die reguläre Stromversorgung tatsächlich unterbrochen würde, erklärte Jaczko. Im Übrigen würden NRC-Inspektoren in den AKWs die Situation rund um die Uhr beobachten. Einen Mehrfachunfall wie in Fukushima, der auch redundante Systeme lahmlegt, „ist nicht, was wir voraussehen. Alle unsere elektrischen Verteilungssysteme sind geschützt.“

Es ist gewiss nicht die Schuld von Gregory Jaczko, dass solche Versicherungen nach Fukushima für viele halbwegs informierte Bürger hohl klingen. Die Widersprüche beginnen bei der Aufsicht durch die NRC, die vor 30 Jahren für die USA für den Fall eines GAUs einen Evakuierungsradius von 16 Kilometern festlegte; in Fukushima wurden US-Bürger von der NRC aufgefordert, den fünffachen Sicherheitsabstand einzuhalten.

Atomforschungszentrum wenig sicher

Eine groß angelegte, über ein Jahr andauernde Untersuchung der alternden US-Kernkraftwerke durch die Nachrichtenagentur Associated Press förderte unlängst wenig Beruhigendes zutage. Danach sind die Lizenzen von 66 AKW bis zu 20 Jahre über ihre ursprüngliche Laufzeit verlängert worden, und häufig in einst ländlichen Gegenden, deren Bevölkerungsdichte sich seit 1980 vervierfacht hat.

Die AP-Studie trug Berichte über Tritium-Lecks in mindestens drei Vierteln aller US-AKW zusammen; in Illinois und Minnesota kam es zur Kontaminierung von Trinkwasser. Veraltet seien auch die Notfallpläne zur Evakuierung der Bevölkerung. Alles Unsinn, entgegnete die NRC: „Wir haben ein sehr robustes Notfallsystem mit vielen Schichten des Schutzes und der Abwehr.“

Der Gouverneur des Staates New York, Andrew Cuomo, traf sich am vergangenen Wochenende mit den Betreibern des AKW Indian Point, das knapp 60 Kilometer nördlich von Midtown Manhattan am Hudson liegt. Das Kraftwerk deckt etwa ein Viertel des Energiebedarfs der Stadt New York und des Kreises Westchester County.

Noch hat Cuomo für den Fall der Abschaltung von Indian Point keinen plausiblen Alternativplan. Doch die Wählerstimmung ist mit ihm. Robert Casey, Senator für Pennsylvania, verlangte aufgrund der Artikelserie der AP eine Untersuchung der Betriebssicherheit aller US-AKW durch den Kongress.

Am Mittwoch blieb Los Alamos evakuiert; nur einige Wagen der Polizei und der Nationalgarde patrouillierten die verlassenen Straßen. Die Hausbesitzer hatten ihre Evakuierung offenbar kommen sehen. Autos waren in der Mitte großer Parkplätze abgestellt, so weit wie möglich von Bäumen und Buschwerk entfernt.

Schon einmal, im Mai 2000, hatte eine Feuerwalze hier Hunderte Häuser zerstört. Die wichtigsten Gebäude des Laboratoriums von Los Alamos werden von der Feuerwehr, wenn nötig, prophylaktisch eingeschäumt. Doch im Grunde müssten sie alle die Hitze eines Feuers aushalten. Dafür seien sie schließlich eigens ausgelegt worden.