breathing
© Recki54 / pixelio.de
Eine unserer Leserinnen hat Ihrer Gemeindevertretung angeboten ihr persönlich aktiv beim so wichtigen Klimaschutz zu helfen. Bei der Durchführung stieß sie jedoch auf ungeahnte Schwierigkeiten. Lesen Sie Ihren Brief an die Gemeinde.

Malsch will jetzt ein Klimaschutz-Konzept erarbeiten. Das finde ich gut. Zwar werden es die Menschen in Rio de Janeiro, Stockholm oder Schanghai nicht merken. Oder wenn sie doch was merken, werden sie nicht gleich an die Malscher denken. Aber darauf kommt es ja auch nicht an. Das gute Werk ist noch besser, wenn es nicht aus Eigennutz getan wird! Ich will ja nicht für mein gutes Gewissen noch obendrauf bezahlt werden - so wie die Bürgerwindrädler und die Sonnenströmler - , sondern nur die Welt vor dem Klimatod retten.

Dafür nehme ich auch Opfer in Kauf, denn meine persönliche Lebensqualität leidet spürbar unter meinem Engagement. Das liegt daran, dass ich am Ursprung des Übels ansetze und keine Umwege gehe. „Anthropogenes“, also menschengemachtes CO2 heißt dieses Übel. Und weil ich sowieso schon Bus fahre und früh zu Bett gehe, um das Tageslicht zu nutzen, ist der entscheidende Schritt zur Vermeidung von anthropogenen Zeozwo für mich die Atmung: Ich halte die Luft an, so oft und so lange es geht. Wenn alle das täten, wären wir schon viel weiter. Dann müssten wir im Sommer nicht so schwitzen und die Inseln in der Südsee müssten auch nicht untergehen.

Aber es ist natürlich anstrengend. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man wissen muss, worauf man sich da einlässt. Die ersten 25% waren ja noch leicht. Versuchen Sie’s mal: Eine halbe Minute die Luft anhalten, danach eineinhalb Minuten normal atmen, und wieder von vorne und immer so weiter: Schon haben Sie 25% CO2 eingespart. Beim Ökostrom haben die 25% Jahre gedauert! Und bei mir kostet es nicht einmal Geld; ich belaste meine Nachbarn nicht mit einer ARG (Ausatmungsregelungsgebühr), obwohl sie von meinen Mühen profitieren. Ich freue mich, wenn sie mir nacheifern und auch ihre persönliche Treibhausgasemission reduzieren. Aber ich finde, sie sollen das in eigener Verantwortung tun, ohne finanzielle Ansprüche zu stellen.

Inzwischen bin ich persönlich schon bei 50% Luftanhalten. An guten Tagen jedenfalls. Das ist mehr, als die Bundesregierung bis 2025 für Ökostrom erreichen will. Leider auch weniger, als die Grünen bis 2030 wollen, nämlich 100%. Ich gebe zu: An die 100% traue ich mich nicht ran. Und ganz ehrlich: Schon die 50% sind ganz schön happig! Eine Minute die Luft anhalten, dann eine Minute hecheln - man muss ja den Sauerstoff für zwei Minuten in einer einzigen reinholen.

Was mir Kopfzerbrechen macht, ist die „Atemmehrarbeit“. So nennt es mein Hausarzt. Luftanhalten ist im Ganzen nichts anderes als z. B. joggen, man muss sich ordentlich anstrengen. Das heißt leider: Meine persönliche CO2-Emission steigt, obwohl sie sinkt. Und das wird immer schlimmer, je näher ich meinem Traumziel komme. Also ich verstehe es auch nicht so ganz genau, aber es ist so: Ich spare CO2 ein und trotzdem emittiere ich mehr CO2 als vorher. Es ist vertrackt, fast zum Verrücktwerden.

Mich beruhigt, dass es beim Ökostrom genauso ist. Je mehr man davon produziert, desto höher sind die CO2-Emissionen. Aber darauf kommt es ja nicht an, heißt es. Das gute Werk ist ja der Ökostrom an sich, der Rest kommt dann schon noch irgendwann. In der Zeitung steht es so, die Regierung beteuert es, im Fernsehen sagt man es - also muss es ja wahr sein. Es ist reine Kopfsache, wie’s scheint. Ich habe mir vorgenommen, bei der nächsten Demo für Ökostrom mitzumachen, denn der Klimaschutz liegt mir sehr am Herzen. Aber ich will kein Plakat tragen, wo was von „100% sind möglich“ draufsteht. Das macht mir einfach Angst. Ich weiß auch nicht, wieso.