In Greifswald ist es gelungen, ein Plasma aus Wasserstoff in der Fusionsanlage Wendelstein 7-X zu zünden. Damit hat der eigentliche wissenschaftliche Betrieb begonnen.

Wendelstein 7-X fusion reaktor
© dpa
Die Fusionsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald hat ein wichtiges wissenschaftliches Etappenziel erreicht. Heute Nachmittag wurde um 15.35 Uhr in dem ringförmigen Apparat erstmals ein heißes Plasma aus Wasserstoff gezündet. Den symbolischen Startschuss der neuen Phase, der auch den Auftakt für den offiziellen wissenschaftlichen Betrieb der Anlage bedeutet, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich gegeben.

Vom Kontrollzentrum aus ferngesteuert wurde das Magnetfeld hochgefahren und in das Vakuumgefäß von Wendelstein 7-X rund ein Milligramm Wasserstoffgas eingeleitet. Dann schaltete man für kurze Zeit die Mikrowellenheizung ein, die den Wasserstoff auf mehrere Millionen Grad erhitzte. Jubel brach aus unter den im Kontrollraum versammelten Wissenschaftlern und Beobachtern, als auf den Monitoren für hundert Millisekunden das helle Leuchten des Wasserstoff-Plasmas zu sehen war, das die Kameras aus der Anlage vor Ort übertrugen.

Das Sonnenfeuer auf Erden

„Das ist ein Meilenstein in der Fusionsforschung“, sagte Sibylle Günter, wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik mit Hauptsitz in München, unter dessen Leitung Wendelstein 7-X entwickelt wurde. Mit der Anlage, die insgesamt mehr als eine Milliarde Euro gekostet hat und an der fast zwölf Jahre gebaut wurde, will man erforschen, ob es möglich ist, durch die kontrollierte Verschmelzung von Atomkernen - einem Prozess, der in der Sonne abläuft - auch auf der Erde Energie zu gewinnen. In Greifswald selbst soll es allerdings nicht zu einer Kernfusion kommen. Dazu ist das torusförmige Vakuumgefäß von Wendelstein 7-X trotz seines Durchmessers von 16 Metern nicht groß genug.

hydrogen plasma
© APDas erste Wasserstoffplasma in der Fusionsanlage Wendelstein 7-X
Anfang Dezember des vergangenen Jahres ist im Rahmen von Vorversuchen schon einmal ein Plasma gezündet worden. Dieses bestand allerdings aus einem heißen Heliumgas. Denn mit dem Edelgas ist der Plasmazustand leichter zu erreichen. Als Plamsa bezeichnen Physiker ein gasförmiges Gemisch aus Elektronen und Ionen. Die ersten Tests verliefen erfolgreich, so dass man nun zum eigentlichen Forschungsobjekt - Wasserstoff - übergegangen ist.

Eine fast unbegrenzte Energiequelle

Die Forscher in Greifswald wollen mit ihren Experimenten zeigen, dass sich Anlagen der Bauart von Wendelstein 7-X - es handelt sich hier um einen sogenannten Stellarator - prinzipiell für den Bau von Fusionskraftwerken eignen. In einem solchen Kraftwerk, so die Vorstellung, würden Atomkerne der beiden Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium kontrolliert zu Heliumkernen verschmelzen, wobei große Mengen an Energie entstehen, die man zur Stromerzeugung nutzen könnte. Berechnungen zeigen, dass man mit einem Gramm Fusionsbrennstoff so viel Energie freisetzen könnte wie durch die Verbrennung von elf Tonnen Kohle. Langlebige radioaktive Rückstände wie bei Kernkraftwerken fallen nicht an.

Bislang traut man diese Fähigkeit nur einem sogenannten Tokamak wie dem internationalen Testreaktor Iter zu, der zurzeit südfranzösischen Cadarache im Entstehen ist. Damit es in einer Fusionsanlage überhaupt zur kontrollierten Verschmelzung von Wasserstoffkernen kommen kann, muss ein mindestens 100 Millionen Grad heißes Plasma aus Deuterium und Tritium mit starken Magnetfeldern eine Zeitlang so eingeschlossen werden, dass es nicht mit den Gefäßwänden in Kontakt kommt. Ein Tokamak wie Iter kann wegen seiner speziellen Eigenschaften allerdings nur gepulst betrieben werden. Der Stellarator ist wegen der besonderen Form seiner Magnete, die das heiße Plasma in der Schwebe halten, für den Dauerbetrieb geeignet, was für ein künftiges Kraftwerk von Vorteil wäre.

fusion magnet field
© IPPDer Stellerator und seinen Magnetspulen
Der Trick mit dem verdrillten Magnetfeld

Bau und Montage der 725 Tonnen schweren Anlage haben rund neun Jahre gedauert. Vorausgegangen waren mehrere Jahre Entwicklungsarbeit. Großes Kopfzerbrechen bereitete den Forschern die Konstruktion der Magnetspulen, die das Plasma in der Schwebehalten sollen und jeglichen Kontakt mit der Außenwand unterbinden sollen. Die Magnetspulen eines Stellerators haben nämlich eine extrem verdrehte Form, die aufwändig am Computer berechnet und simuliert werden musste. Auch die Fertigung der 50 supraleitenden Magnetspulen, die etwa 3,50 Meter hoch sind, gestaltete sich äußerst schwierig und hat das Projekt um mehrere Jahre verzögert. Die fertigen Spulen wurden nacheinander und in einer bestimmten Reihenfolge auf das torusförmige Plasmagefäß gefädelt und schließlich mit einer Stahlhülle umschlossen.

Nach der Fertigstellung im Sommer 2014 wurden alle Komponenten ein Jahr lang getestet. Nachdem das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern den Betrieb der Forschungsanlage im Anfang Dezember des vergangenen Jahres genehmigt hatte, konnten die Wissenschaftler endlich mit der Forschungsarbeit an Wendelstein 7-X beginnen.

Als nächstes will man nun die Dauer der Plasmaentladungen verlängern und untersuchen, wie sich die Wasserstoff-Plasmen durch Mikrowellen am effektivsten erzeugen und aufheizen lassen. Dazu muss man allerdings noch Hitzeabschirmungen im Inneren des Vakuumgefäß anbringen. Abhängig vom Verlauf der Experimente wird man irgendwann dazu übergehen, Deuteriumgas in den Wendelstein 7-X einzuspeisen und mit dem Wasserstoffisotop ebenfalls ein Plasma zu zünden. Das große Ziel ist, das Plasma mindestens 30 Minuten lang stabil zu halten.