Es ist eine Begegnung der dritten Art, die Zeit-Journalistin Andrea Böhm in ihrem jüngst erschienenen Kongo-Buch „Gott und die Krokodile“ beschreibt: mit dem Verfall eines Atommeilers, der Geschichte dahinter mit einem katholischen Geistlichen in einer Hauptrolle und dem noch immer florierenden Uranhandel.
Uranfabrik in Katanga, Belgisch-Kongo 1917
© UnbekanntUranfabrik in Katanga, Belgisch-Kongo 1917

In der Hauptstadt Kinshasa, auf einem Hügel des Universitätsgeländes, stoßen neugierige Besucher heute noch auf die Überreste eines atomaren Forschungsreaktors. Das eigentümliche Bauwerk datiert aus der Spätphase der belgischen Kolonialherrschaft. Ein katholischer Geistlicher namens Luc Gillon (1920-1998) setzte seiner Regierung in den 1950er Jahren den Floh ins Ohr, die Kernkraft im Kongo zu fördern. Ein wichtiges Argument mag die Nähe zu den Uranlagerstätten im Osten der Kolonie gewesen sein; dort liegt der Rohstoff für die Nutzbarmachung von nuklearer Energie.

Der marode Meiler in Kinshasa ist längst dem Verfall preisgegeben. Aber Uran gibt es im Kongo nach wie vor. Und das gerät zunehmend in den Fokus fremder Mächte und Konzerne. Anlass genug für Menschenrechtler und Entwicklungshelfer, auf die bedrohlichen Folgen des Rohstoffhandels hinzuweisen. Denn die treten bereits jetzt deutlich zutage, wie eine am Dienstag in Berlin vorgestellte Studie des Ökumenischen Netzes Zentralafrika (ÖNZ) belegt. Das Bündnis, dem unter anderem Brot für die Welt und Misereor angehören, sorgt sich vor allem um Anwohner sowie Arbeiter in den Minen.

Umweltschäden

Kritisch sehen die Helfer zudem die Umweltschäden, die durch den Abbau des radioaktiven Urangesteins entstehen, sowie die Tatsache, dass zahlreiche zwielichtige Zwischenhändler von den Geschäften mit dem Rohstoff profitieren. In dem kongolesischen Riesenreich, das eine Fläche von der Größe Westeuropas bedeckt, scheint nach Kriegen und jahrzehntelanger Misswirtschaft jede überparteiliche Kontrolle der Waren- und Geldströme zum Scheitern verurteilt. Zu besichtigen ist das Dilemma unter anderem in Shinkolobwe.

Wer sich die rostbraunen und schwarzen Flecken auf den Satellitenbildern anschaut, die sich wie schwärende Wunden inmitten der Waldlandschaft im Südosten des Kongo ausbreiten, erhält zumindest eine grobe Ahnung davon, welche Zeitbombe da im Dschungel tickt. Shinkolobwe blickt auf eine kurze, aber höchst intensive Geschichte des Uranabbaus zurück. Nach zögerlichen Anfängen in den 1920er-Jahren lieferte das Gebiet im Zweiten Weltkrieg den Ausgangsstoff für das atomare Rüsten. Aus den Lagerstätten stammte das Material für das „Manhattan-Project“, das geheime US-Programm, mit dessen Hilfe die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki konstruiert wurden.

Billige Arbeitskräfte und fehlende Umweltstandards

Bis zur Jahrtausendwende lag der Uranabbau in Shinkolobwe mehr oder weniger in staatlichen Händen, bevor, bedingt durch den Zerfall der öffentlichen Ordnung, private Bergleute auf eigene Faust das Schürfen übernahmen. Ein Teil der rund eine Million der im Kongo aktiven Kumpel soll in der Mine tätig sein - obwohl die Regierung dort bereits 2004 ein Förderverbot verhängte. Die Not vieler Menschen ist offenbar groß genug, um für einen Hungerlohn das Leben in den verstrahlten und vom Einsturz bedrohten Grubenanlagen zu riskieren.

Billige Arbeitskräfte und fehlende Umweltstandards machen die Region laut ÖNZ-Studie für ausländische Investoren zunehmend attraktiv. Erst im vergangenen Herbst soll sich der französische Atommulti Areva die komplette Ausbeutung der kongolesischen Uranvorkommen gesichert haben. Details des Vertrages wurden bislang nicht bekannt.

Experten wissen nur soviel: In den kommenden zwei Jahrzehnten könnte sich der weltweite Bedarf an Uran beinahe verdoppeln: auf jährlich über 120.000 Tonnen.

Ein lohnendes Geschäft also für den Konzern. Nicht jedoch für die Bewohner des Kongo, wenn die Bedingungen für den Abbau sich nicht ändern. Ob das Blatt sich durch das Engagement von Areva wendet, ist laut ÖNZ-Studie zumindest fraglich. Im Niger etwa habe der Konzern wenig Interesse für die Belange der Einheimischen gezeigt. In Europa hingegen nutzt Areva gerne Möglichkeiten, sich ein positives Image zu verschaffen. Der Konzern ist unter anderem Hauptsponsor des Fußball-Bundesligisten 1. FC Nürnberg.

(Joachim Heinz / kna)