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© Gehirn / Jens Maus / wikipedia.orgGedanken werden ausgelesen und als Film dargestellt.
Erstmals ist Forschern das Experiment geglückt, die Gehirnaktivität von Testpersonen als Film darzustellen. Ist ab jetzt das Gedankenlesen möglich?

Berkeley (U.S.A.). Diese Vorstellung wirkt etwas bedrohlich. Maschinen sind in der Lage, menschliche Gedanken zu lesen. Forscher konnten bereits anhand der Gehirnströme rudimentär erkennen, welche Gedanken eine Testperson gerade hatte. Hierbei handelt es sich um Gedanken wie "Hunger", "Durst" "ja" oder "nein".

Jetzt ist es Wissenschaftlern möglich, die Hirnaktivität zu rekonstruieren und aufzuzeigen, welche Bilder die Testperson gerade sieht. Jack Gallant von der University of California in Berkeley hält das für einen großen Sprung, die Rekonstruktion einer inneren Bilderwelt zu erstellen. Ein Fenster in die Filme des Geistes wird geöffnet.

Während sich die Probanden Filme ansahen, wurden die Aktivitäten im Sehzentrum erfasst. Hierfür wurde eine funktionelle Magnetresonanztomographie verwendet. Dabei wird angezeigt, welcher Teil im Gehirn besonders durchblutet wird. Der Blutfuss erfolgt etwas zeitverzögert, wenn visuelle Reize gesetzt werden. Daher war es früher unmöglich, aus den Daten der Magnetresonanztomographie etwas zu lesen

Forscher kombinierten die Aufnahmen mit einem neuen lernfähigen Modell. Für diese Aufnahme wird jeder Bereich des Gehirns in Voxel (Würfel) eingeteilt. Für jedes Voxel wurde ein Modell entwickelt, gab Gallants Kollege Shinji Nishimoto bekannt. In der ersten Stufe wird die schnelle Reaktion des visuellen Systems beschrieben. Stufe zwei berechnet, wie die Aktivität den Blutfluss im Hirn des Probanden verändert. Danach konnte die Software Bewegungen und Formen aus jedem einzelnen Würfeln in eine Gehirnaktivität umwandeln.

Signale des Gehirns interpretieren

Die Probanden sahen sich unterschiedliche Filme an und das System rekonstruierte Bilder. Der Erstautor der Studie, Nishimoto, erklärte im Fachblatt Current Biology: "Das System ist in der Lage, neuronale Signale zu interpretieren."


Der Computer verschmolz die am besten passenden Szenen zu einer Rekonstruktion zusammen. Dadurch entstand ein erster Einblick in die Innenwelt des Geistes. Zwar kann die Technologie nicht tatsächlich Gedanken lesen, aber bereits jetzt sind praktische Anwendungen möglich. Schlaganfallpatienten, die unter Lähmungserscheinungen leiden, könnte das System bei der Kommunikation helfen.

Noch in den Anfangsschuhen

Im Jahr 2008 wurde das Grundgerüst für diese Studie im Wissenschaftsmagazin Nature vorgestellt. Bereits 2009 erschien im Fachblatt Neuron die erste Rekonstruktion von statischen Bildern durch Hirnmessungen. Zwei Jahre später erstellte das Team die ersten Videos.

Robert Turner, Direktor der Abteilung Neurophysik am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions und Neurowissenschaften bezeichnet die Studie als beeindruckend. Interessant findet er, wie die Zeitverzögerung des FMRI-Verfahrens mit Hilfe von YouTube Videos umgangen wird.

Gesehenes kann visualisiert werden

Die Arbeit kann laut dem Neurowissenschaftler Rainer Goebel von der Universität Maastricht als Durchbruch bezeichnet werden. Bisher glaubt er aber nicht, dass die Gedanken sichtbar gemacht wurden, sondern lediglich eine direkte Stimulation von außen dargestellt wird. Goebel selbst hat EU Fördermittel erhalten, um den funktionellen Code des Gehirns zu knacken. Das Hauptziel ist nicht das Gedankenlesen, sondern Vorgestelltes und Gesehenes zu visualisieren.