Aktives Galaxienzentrum ist erheblich heißer als es für möglich gehalten wurde
Quasar
© Wolfgang Steffen/ UNAMIn den Jets von Quasaren wird Materie bis auf knapp Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und gibt starke Strahlung ab.
Heißer als die Theorie erlaubt: Ein zwei Milliarden Lichtjahre entfernter Quasar sorgt für Verblüffung bei den Astronomen. Denn dieses aktive Galaxienzentrum ist zehn Billionen Grad heiß - das ist weit jenseits des Limits, das bisher für möglich gehalten wurde. Wie dieser Quasar trotzdem diese Temperaturen produzieren kann, muss nun in weiteren Beobachtungen geklärt werden.

Quasare - quasistellare Objekte - sind Zentren von Galaxien, in denen ein aktives supermassereiches Schwarzes Loch Materie verschlingt und dabei enorme Mengen Strahlung aussendet. Erst kürzlich entdeckten Astronomen einen Quasar des frühen Universums, der mehr als 400 Billionen Mal heller leuchtet als die Sonne.

Der Theorie nach gibt es jedoch eine Obergrenze für die Gesamthelligkeit der Jets eines solchen Quasars: Wenn die in ihm enthaltenen Elektronen eine Temperatur von rund 100 Milliarden Grad übersteigen, entsteht eine negative Rückkopplung mit ihrer eigenen Abstrahlung. Es werden Röntgen- und Gammastrahlen gebildet und diese Energieabgabe kühlt das Ganze wieder ab.

Ultrascharfer Radioblick auf fernen Quasar

Doch Michael Johnson vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und seine Kollegen haben nun einen Quasar entdeckt, der dieser Gesetzmäßigkeit zu widersprechen scheint: der zwei Milliarden Lichtjahren von uns entfernte Quasar 3C 273. Er sendet energiereiche Jets aus, die auch starke Strahlung im Radiobereich erzeugen.

Für ihre Studie beobachteten die Astronomen diesen Galaxienkern mit dem Weltraum-Interferometer RadioAstron, einem Zusammenschluss aus einem Radioteleskop im Erdorbit und einigen der größten Radioteleskope auf der Erde, darunter dem Arecibo-Radioteleskop, dem Very Large Array in den USA und dem Radioteleskop Effelsberg. Zusammen erreichen sie eine Winkelauflösung von nur 26 Mikrobogensekunden - das entspricht einer virtuellen Antenne vom fast achtfachen Erddurchmesser.

Heißer als theoretisch möglich

Das Ergebnis dieser Messungen war verblüffend: "Wir messen eine Effektivtemperatur von mehr als zehn Billionen Grad im Zentralbereich dieses Quasars", berichtet Yuri Kovalev vom Astro Space Center des Lebedev-Physikinstituts in Moskau. Das ist weit mehr als bisher theoretisch für möglich gehalten wurde. "Jetzt müssen wir herausfinden, wie dieses System solche Temperaturen erreichen kann."

Dass Quasar 3C 273 in dieser Hinsicht kein Einzelfall ist, belegen vorherige Beobachtungen an weiteren Galaxienkernen, die ebenfalls ungewöhnlich heiß sind. "Das weist darauf hin, dass wir neue physikalische Annahmen zur Erklärung der Energiequellen für die Strahlung in Quasaren benötigen", sagt Andrei Lobanov vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn.

Turbulenzen in der Milchstraße

Doch die enorme Hitze war nicht die einzige Überraschung in den Aufnahmen von 3C 273: Das Radiobild von 3C 273 zeigt zudem Unterstrukturen, die vom Durchgang der Strahlung durch das interstellare Plasma in unserer Milchstraße hervorgerufen werden. "Das ist ein wenig so, als würden wir in die heiße, turbulente Luft über einer Kerzenflamme schauen", erklärt Johnson.

Diese Art der Verzerrung wurde bisher noch nie bei einer extragalaktischen Strahlenquelle beobachtet, wie die Astronomen berichten. "Die Details in der Struktur des turbulenten Materials sind so kleinräumig, dass wir diese Verzerrungen vorher überhaupt nicht wahrnehmen konnten", so Johnson. Erst die hohe Winkelauflösung von RadioAstron machte diese Beobachtung möglich. Gleichzeitig könnte diese Streuung der Strahlung zumindest in einigen Frequenzbereichen eine Rolle für die ungewöhnlich hohe gemessenen Strahlungstemperatur des Quasars spielen, so die Vermutung der Forscher.

(Astrophysical Journal, in press; arXiv:1601.05806, arXiv:1601.05810)