Mediziner warnen vor gesundheitlichen Auswirkungen von Antidepressiva
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© Zerbor/fotolia.comAntidepressiva sollen Menschen helfen, die unter Depressionen leiden. Viele Mediziner verschreiben diese Medikamente aber auch bei Erkankungen, die mit Depressionen nichts zu tun haben. Dadurch können Gefahren für die Gesundheit entstehen.
Millionen von Menschen weltweit nehmen Antidepressiva, um ihre Depressionen zu lindern. Forscher fanden jetzt allerdings heraus, dass auch viele Personen solche Medikamente verschrieben bekommen, obwohl sie nicht unter Depressionen leiden. Die Nebenwirkungen von Antidepressiva könnten Betroffenen erhebliche gesundheitliche Probleme bereiten, warnen die Wissenschaftler.

Medikamente sollten nur eingesetzt werden, wenn die Auswirkungen auf die Erkrankung bekannt sind und eine Wirksamkeit erprobt wurde. Wissenschaftler von der McGill University in Montreal fanden bei ihren Untersuchungen jedoch heraus, dass Medikamente gegen Depressionen oft eingesetzt werden, um andere Beschwerden zu behandeln, die eigentlich nicht als Depressionen bezeichnet werden können. Die Mediziner veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Studie in der Fachzeitschrift Journal of the American Medical Association (JAMA).

Studie untersucht Daten von knapp zehn Jahren

Wir wollten genau ergründen, warum und wie oft Antidepressiva verordnet werden, sagt Autorin Jenna Wong von der McGill University. Die neue Studie befasst sich mit den medizinischen Aufzeichnungen von fast zehn Jahren Forschung zum Thema Antidepressiva. Diese umfassten mehr als 100.000 Rezepte, die in Kanada von 160 Hausärzten an etwa 20.000 Patienten ausgegeben wurden, erklärt die Medizinerzin. Die teilnehmenden Ärzte dokumentierten dabei die verschriebenen Medikamente, zusammen mit dem Grund der Verschreibung. Die Forscher untersuchten alle Arten von Antidepressiva, ausgenommen sogenannte Monoaminoxidase-Hemmer. Dies sind ältere Medikamente, die nur selten verschrieben werden und deswegen nicht in der Studie analysiert wurden, erläutern die Experten.

Antidepressiva werden zu 45 Prozent an Patienten ohne Depressionen verschrieben

Die Ergebnisse zeigten, dass nur rund 55 Prozent aller verschriebenen Antidepressiva an Patienten herausgegeben wurden, die alle Antidepressivum-Vorschriften erfüllten und wirklich unter Depressionen litten, sagen die Wissenschaftler. Die restlichen 45 Prozent seien verschrieben worden, um andere Erkrankungen zu behandeln. Zu diesen gehörten beispielsweise Angststörungen, Schlaflosigkeit, Schmerzen, und Panikstörungen, sagen die Experten. Einige Ärzte verschrieben Antidepressiva sogar, um Migräne, Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Störungen des Verdauungssystems zu behandeln. Ich kann keine Aussage dazu machen, ob diese Medikamente funktionieren oder nicht, betont Jenna Wong. Allerdings würden sich die Patienten gesundheitlichen Risiken aussetzen und es können schädliche Auswirkungen entstehen. Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass die Medikamente bei solchen Erkrankungen unwirksam sind, erklärt Wong. Ohne neue Forschung und wissenschaftliche Beweise sei es schwer, eine zuverlässige Aussage zu treffen.

Antidepressiva werden oft bei Schlaflosigkeit verschrieben

Manche Antidepressiva können durchaus ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten haben, erläutern die Mediziner. Einige sachkundige Internisten setzten beispielsweise viele dieser Medikamente bei Problemen mit Schlaflosigkeit ein, weil sie effektiver und weniger problematisch sein können, als andere gängige Medikamente gegen Schlaflosigkeit. Bei letzteren bestehe oft die Gefahr, von den Medikamenten schnell abhängig zu werden, erläutern die Forscher. Wenn Sie die medizinischen Lehrbücher der letzten 50 Jahre durchsehen, wird Ihnen dabei auffallen, dass Antidepressiva schon immer für die Behandlung bestimmter Fälle von Schmerzen genutzt wurden, fügen die Forscher hinzu.

Aber was sind eigentlich die Gründe, warum Antidepressiva so oft falsch eingesetzt werden? Sicherlich gibt es einige Ärzte, die Antidepressiva bei Patienten eingesetzt haben und später anderen Ärzten erklärten, dass die Behandlung wunderbar funktioniert hab, erläutern die Forscher. So entstehe eine Art Mundpropaganda. Auch Marketing und Werbung von Pharmaunternehmen spiele sicherlich eine Rolle bei der Verschreibung von Antidepressiva, sagt Wong. Obwohl die Forschung in Kanada durchgeführt wurde, wäre kaum verwunderlich, wenn eine ähnliche Studie in den Vereinigten Staaten die gleichen Ergebnisse zeigen würde, mutmaßen die Wissenschaftler. Wong und Kollegen gehen davon aus, dass auch in den USA viele Patienten Antidepressiva verschrieben bekommen, obwohl sie nicht unter Depressionen leiden.

(as)