In Experimenten haben ungarische Physiker eine Anomalie bei radioaktivem Zerfall beobachtet und glauben darin Hinweise auf ein neues Elementarteilchen gefunden zu haben. US-Kollegen sehen darin sogar Belege für eine weitere, fünfte und bislang übersehene Grundkraft der Natur.

Elektronen Positronen Spektrometer
© MTA-AtomkiDas Elektronen-Positronen-Spektrometer am ungarischen Institute for Nuclear Research.
Debrecen (Ungarn) - Wie Attila Krasznahorkay vom Institut für Nuklearforschung an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Kollegen bereits im vergangenen Jahr vorab via ArXiv.org und im kürzlich dann im Fachmagazin Physical Review Letters berichteten, legen die bisherigen Ergebnisse die Existenz eines neuen, leichten Elementarteilchen nahe, einem sogenannten Boson, das nur 34 mal schwerer wäre als ein Elektron. Bislang wurde der Entdeckung von der Wissenschaftsgemeinde kaum Beachtung geschenkt.

Erst als Ende April eine Gruppe von US-amerikanischen Physiktheoretikern um Jonathan Feng von der University of California ihre eigenen Analysen der Ergebnisse (ebenfalls auf ArXiv) veröffentlicht hatten, erregte die Entdeckung internationales Interesse - schließlich konnten sie aufzeigen, dass die Daten keinen früheren Experimenten widersprachen und Beweise für eine - neben Gravitation, Elektromagnetismus und der starken und schwachen Kernkraft - fünfte Grundkraft darstellen könnten.

Auf einer Konferenz am „SLAC National Accelerator Laboratory“ im kalifornischen Menlo Park zeigten sich die Anwesenden Wissenschaftler aus den USA und Europa zwar zunächst kritisch, zugleich aber auch von der Idee fasziniert, berichtet „Natur | News„, und erörterten Wege, wie die Ergebnisse der Experimente und deren Schlussfolgerungen u.a. am Jefferson Laboratory des MIT, am Europäischen Kernforschungszentrum CERN, dem Frascati National Laboratory nahe Rom und am Budker Institute of Nuclear Physics im sibirischen Novosibirsk, binnen eines Jahres überprüft werden könnten.

Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler Beweise für eine weitere Naturkraft gefunden haben wollen (...GreWi berichtete: 1, 2) ohne jedoch , dass die Beobachtungen weiteren Überprüfungen Stand halten konnten.

„Die ungarischen Forscher haben dünne Ziele aus Lithium-7 mit Protonen beschossen, wobei sich instabile Beryllium-8-Kerne gebildet haben, die danach wieder zerfielen und sich in Paare aus Elektronen und Positronen aufspalteten“, erläutert Nature und führt weiter aus: „Laut dem Standardmodell sollte die Anzahl der beobachteten Paare abfallen, je größer der Winkel zwischen den sich voneinander entfernenden Elektronen und Positronen werden. Die Forscher berichten hingegen, dass bei etwa 140° die Anzahl der Emissionen plötzlich emporspringt, bevor sie dann bei weiterhin anwachsendem Winkel wieder sinkt.“

Laut den ungarischen Forschern ist dieser Anstieg groß genug, dass die instabilen Beryllium-8-Kerne ihre überschüssige Energie in Form eines neuen Partikels abgeben, der dann aber selbst wieder in ein Elektronen-Positronen-Paar zerfällt. Krasznahorkay und seinen Kollegen haben die Masse dieses Teilchens mit etwa 17 megaelectronvolts (MeV) berechnet und zeigen sich von ihren Ergebnissen aufgrund wiederholter Experimente überzeugt und wollen innerhalb der vergangenen drei Jahre jegliche Fehlerquellen ausgeschlossen haben.

Während Krasznahorkay und Kollegen vermuten, damit Hinweise für ein sogenanntes dunkles Photon - also dem Gegenstück zu konventionellen, die elektromagnetische Kraft tragenden Photonen - gefunden zu haben, glaubet das Team um Feng hingegen nicht, dass das 17-MeV-Teilchen ein „dunkles Photon“ ist. Nach ihrer Analyse könnte es sich vielmehr um ein sog. „protophobes X Boson“ handeln. Von einem solchen Teilchen würde eine Kraft ausgehen, die sich jeweils nur über die extrem geringe Distanz des Durchmessers eines Atomkerns auswirkt. „Und während sich dunkle Photonen (genau wie ein gewöhnliches Photon) an Elektronen und Protonen binden, würde sich das neue Boson an Elektronen und Neutronen binden“, erläutert der Nature-Bericht. Derzeit untersucht das Team um Feng auch andere Gruppen von Partikeln, die die gemessene Anomalie erklären könnten. Allerdings sei das protophobische Boson bislang die direkteste Erklärung für die Beobachtungen.