Während die EM Fußball-Deutschland in Atem hält, scheint das Timing ideal, um neue Überwachungsgesetze zu verabschieden. Das sogenannte „Anti-Terror-Paket“ soll schon an diesem Donnerstag im Eilverfahren abgesegnet werden. Eine Anhörung dazu im Innenausschuss des Bundestages endete gestern im Eklat. Eingeladen wurden keine unabhängigen Kritiker der geplanten Maßnahmen, dafür aber die amtierenden Leiter von BKA, Verfassungsschutz und Bundespolizei.
BKA-Chef Holger Muench und Thomas de Maizière
© ReutersDer BKA-Chef Holger Muench und sein Dienstherr Thomas de Maizière sind sich einig, wenn es um mehr überwachung geht
Es ist mittlerweile ein einstudierter Ablauf: So tragisch Terroranschläge mit Todesopfern in Europas Metropolen auch sind, lassen diese sich von Sicherheitspolitikern stets nutzen, um straffere Überwachungsgesetze zu fordern und durchzusetzen. Der pawlowsche Reflex, der in solchen Fällen einsetzt, scheint jedoch einer ganz anderen Agenda zu folgen als dem ehrlichen Vorhaben, Terroranschläge verhindern zu wollen. Denn, dass eine Nadel im Heuhaufen gefunden wird, indem man mehr Heu darauf schmeißt, kann angezweifelt werden.

Geht es nach Befürwortern der Überwachungsagenda, sind es vor allem immer mehr Daten, die auf den Berg geladen werden sollen. Das Ergebnis: In fast allen Fällen von Terroranschlägen in jüngster Zeit waren die Täter vorher behördenbekannt, fielen aber in der Masse nicht auf. Ernstzunehmende Sicherheitsexperten, wie der Rechtsanwalt Markus Kompa, plädieren deshalb dafür, besser wieder zur klassischer polizeilicher Ermittlungsarbeit zurückzukehren.

Genau das Gegenteil, die Ausweitung der Datensammelwut, plant die Regierung nun allerdings mit ihrem sogenannten „Anti-Terror-Paket“. Und natürlich müssen dafür die Anschläge von Paris und Brüssel herhalten. Die Gesetze sollen am Donnerstag im Eilverfahren, während die Fußball-Europameisterschaft viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, verabschiedet werden.

Kernpunkte der Pläne sind unter anderem eine geplante Ausweispflicht beim Kauf von Prepaid-Karten für Handys und erweiterte Zugriffsrechte von Sicherheitsbehörden auf die Daten von Kommunikationsdienstleistern. Auch der optimierte Austausch von Erkenntnissen mit Behörden europäischer Partnerländer steht auf der Wunschliste von Regierung und Behörden.

Ob diese Vorhaben sinnig sind, darüber sollte gestern in einer Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages beraten werden. Doch der Termin endete im Eklat. Denn von der Regierung als Sachverständige geladen wurden zwar die Präsidenten der Sicherheitsapparte, jedoch keine unabhängigen Experten. In welche Richtung die Anhörung sich damit bewegen sollte, war also schon offensichtlich, bevor das erste Wort gefallen war. Die Beamten des Höheren Dienstes zeigten sich so dann auch sichtlich begeistert von den Regierungsplänen des Überwachungsausbaus.

Doch ohnehin sind die Behördenchefs von Verfassungsschutz und Bundespolizei gegenüber dem Innenministerium von Thomas de Maizière weisungsgebunden und können sich im Zweifelsfall gar nicht gegen die Vorgaben der Regierung stellen. Alles in allem also eher eine PR-Veranstaltung, als eine ernstzunehmende Beratung mit offenem Ausgang.

Vertreter der Opposition, wie Linken-Politikerin Ulla Jelpke, bezeichneten die Veranstaltung so auch als Farce. Grüne und Linke verließen den Saal - nachdem die Regierungsmehrheit einen Antrag auf Absetzung der Veranstaltung abgelehnt hatte - und sprachen von einer Verletzung parlamentarischer Prinzipien. Als halbwegs kritische Stimmen blieben so nur die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff und der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Dass bei der Abstimmung im Bundestag am Donnerstag mehr Widerstand formuliert wird, kann man also nicht erwarten. Schließlich sorgt die bequeme Stimmenmehrheit der großen Koalition dafür, dass oppositionelle Einflussmöglichkeiten stark begrenzt werden. Anhörungen und die Arbeit in Ausschüssen sind da meist die wenigen verblieben Hürden für ein Durchregieren ohne Korrektiv. Verlaufen diese Termine so wie gestern, bleibt davon allerdings auch nicht mehr viel.