Die schwarz-gelbe Koalition will die Bürger von 2013 an entlasten - vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sollten von der Reform profitieren. Doch ist das wirklich so? Ein Steuerexperte hat nun für die SZ ausgerechnet, dass die geplante Steuersenkung Spitzenverdienern deutlich mehr bringt als der Mittelschicht.

Die von der schwarz-gelben Koalition verabredete Steuersenkung dürfte Arbeitnehmern mit kleinen oder mittleren Einkommen nur wenig Entlastung verschaffen. Spitzenverdiener hingegen profitieren deutlich stärker. Das ergibt sich aus Berechnungen, die der Steuerexperte Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin für die Süddeutsche Zeitung vorgenommen hat. Die Koalition hatte die Entlastungen vor allem für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen angekündigt

Wer ein monatliches Bruttogehalt von 1000 Euro erhält, würde gemäß den Kalkulationen Hechtners im Monat um etwa sechs Euro entlastet. 78 Euro weniger Steuern muss hingegen zahlen, wer mehr als 22.800 Euro im Monat verdient. Die höchste Entlastung, die in der Reform möglich ist, würde 943 Euro im Jahr betragen. In ihren Genuss käme, wer mehr als 250.000 Euro im Jahr verdient und somit die sogenannte Reichensteuer zahlen muss, die bei 45 Prozent liegt.

Hechtner hat die Entlastungen für alleinstehende Arbeitnehmer berechnet, also für die Steuerklasse eins. Für Verheiratete und für Eltern ergibt sich ein anderes Bild. Grundlage für die Kalkulation ist ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums, in dem die Kosten möglicher Steuersenkungen dargelegt werden. Angenommen wurde dabei eine Minderung der sogenannten kalten Progression um sechs Prozent. Durch diesen Schritt würden dem Staat etwa 7,9 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verlorengehen.

Die Annahme gilt als plausibel, weil in Regierungskreisen eine Entlastung in dieser Größenordnung als wahrscheinlich bezeichnet wird und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deutlich gemacht hat, dass er sein Augenmerk auf die kalte Progression richten will.

Mit kalter Progression wird der Umstand bezeichnet, dass ein Arbeitnehmer nach einer Lohnerhöhung, die nur den Preisanstieg ausgleicht, in eine höhere Steuerstufe rutscht und damit real weniger Geld zur Verfügung hat als vorher. Weil dieser Effekt meistens nicht direkt ins Auge fällt, sondern sich erst über die Jahre aufbaut, spricht man auch von einer heimlichen Steuererhöhung. Die versprochenen Entlastungen bezeichnet Schäuble deshalb auch als "Verzicht auf nicht gewollte Steuereinnahmen".

100 Prozent würde die Entlastung eines Arbeitnehmers betragen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verdienen in Vollzeit beschäftigte Deutsche im Schnitt etwa 3679 Euro brutto im Monat. In dieser Einkommensgruppe würde die monatliche Entlastung von den Effekten der kalten Progression bei etwa 24 Euro liegen, also 288 Euro im Jahr. Das entspricht in etwa dem Preis eines kleinen Flachbildfernsehers.

Betrachtet man die Entlastungen im Verhältnis zu der Höhe des Einkommens, ist die Ankündigung der Koalition korrekt, vor allem kleine und mittlere Einkommen begünstigen zu wollen: 100 Prozent würde die Entlastung eines Arbeitnehmers betragen, der knapp über dem Freibetrag von 8004 Euro verdient. Er müsste also keine Steuern mehr zahlen.

Mehrere Bundesländer machten erneut ihre Skepsis gegenüber den Steuerplänen deutlich. Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Vorhaben werde die Kassen der Länder und Kommunen belasten. Auch Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) betonte, sein Land könne sich keine Steuerausfälle leisten.