Oslo. Die Schießerei während eines politischen Sommerlagers in Norwegen hat sich als wahres Blutbad herausgestellt. Wie die Polizei in der Nacht zum Samstag mitteilte, wurden mindestens 80 Menschen auf der Fjordinsel Utoya von einem Angreifer getötet, sieben weitere starben zuvor bei einer schweren Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel. Die Ermittler gingen davon aus, dass ein festgenommener Norweger für beide Taten verantwortlich ist.
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Um Zutritt zu dem Jugendcamp der Arbeiterpartei von Regierungschef Jens Stoltenberg zu erhalten, hatte der Verdächtige vorgegeben, für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen zu wollen. Er trug bei seiner Festnahme einen Pullover mit einem Emblem der Polizei. Der 32-Jährige habe aber nie für die Polizei gearbeitet, sagte Sprecher Are Frykholm. Mindestens 80 Menschen seien auf Utoya zu Tode gekommen. "Wir schließen nicht aus, dass es noch mehr Tote gibt."

Die Lage auf der Insel war extrem unübersichtlich. Zum Zeitpunkt der Tat am späten Freitagnachmittag herrschte dort das blanke Chaos. Viele der gut 560 Teilnehmer des Jugendcamps flüchteten sich aus Angst vor dem Angreifer ins Wasser oder suchten ein Versteck. "Ich habe viele Menschen laufen und schreien gesehen, ich bin in das nächste Gebäude und habe mich unter einem Bett versteckt", sagte die 19-jährige Emilie Bersaas dem britischen Sender Sky News.

Vor der Schießerei auf Utoya hatte eine schwere Bombenexplosion das Regierungsviertel von Oslo erschüttert. Die Detonation war noch Kilometer entfernt zu hören. Laut Polizei starben dort sieben Menschen. Unzählige Fenster gingen zu Bruch, auch am Büro von Ministerpräsident Stoltenberg. Trümmerteile lagen auf den Straßen. Die Polizei ging von einem Zusammenhang beider Taten aus. Auch auf Utoya entdeckten die Ermittler Sprengstoff.

Ermittler durchsuchten in der Nacht die Wohnung des Verdächtigen in Oslo. Kommissar Sveinung Sponheim sagte dem Sender NRK, Internet-Botschaften des Mannes legten nahe, dass er rechte und islamfeindliche Ansichten vertrete. Es sei aber zu früh, darin ein Motiv zu sehen. Dem Fernsehsender TV2 zufolge soll der 32-Jährige Kontakte zur rechten Szene unterhalten haben. Auf seinen Namen seien zwei Waffen gemeldet, darunter ein automatisches Gewehr.

Regierungschef Stoltenberg demonstrierte nach dem mutmaßlichen Doppelattentat Entschlossenheit. "Niemand wird uns mit Bomben zum Schweigen bringen", sagte er. Die Ideale des Landes für eine "bessere Welt" würden nicht erschüttert. Norwegen ist sowohl am Einsatz in Afghanistan als auch in Libyen beteiligt. Stoltenberg, der sich zum Zeitpunkt der Bombenexplosion nicht in seinem Büro aufgehalten hatte, sollte ursprünglich am Samstag eine Rede in dem Sommerlager halten.

Die norwegische Polizei hob am Samstagmorgen ihre Aufforderung an die Bevölkerung auf, Menschenansammlungen zu meiden und sich nach Hause zu begeben. Das Regierungsviertel in Oslo bleibe zwar bis auf Weiteres abgesperrt, die Lage im Zentrum der Stadt sei aber "nicht mehr chaotisch", sagte ein Sprecher. Zugleich kündigte die Polizei verstärkte Sicherheitsvorkehrungen an potenziell bedrohten Gebäuden und Institutionen an.

afp/ap/reuters/ila/top