In Deutschland ist die Kluft zwischen geflüchteten Menschen und anderen Migranten groß - vor allem Frauen tun sich am Arbeitsmarkt schwer.
Deutschkurs, Flüchtlinge lernen Deutsch
© dpaEin Flüchtling aus Afghanistan konjugiert während einer Unterrichtseinheit eines Deutschkurses für Flüchtlinge das Verb „arbeiten“.
Flüchtlinge haben unter allen Migranten die größten Problemen an den europäischen Arbeitsmärkten. Es dauert bis zu 20 Jahre, ehe sie das Beschäftigungsniveau von Inländern erreicht haben. Vor allem geflohene Frauen tun sich bei der Suche nach einem Arbeitsplatz schwer. Neben der Anerkennung ausländischer Abschlüsse verhinderten vor allem unzureichende Sprachkenntnisse, dass viele Asylbewerber in ihren Zielländern zügig eine Stelle finden. In Deutschland ist dies zu besonders ausgeprägt. Dies sind die Kernaussagen eines gemeinsamen Arbeitspapieres der Europäischen Kommission und der Organisation für wirtschaftliche Kooperation und Entwicklung (OECD), das am Mittwoch während einer Online-Pressekonferenz vorgestellt wurde. In Deutschland stoßen die Ergebnisse derzeit auf besonders großes Interesse. Die Arbeitsagentur rechnet zum Jahresende mit 350000 arbeitslosen Flüchtlingen im Hartz-IV-System. Am kommenden Mittwoch will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Unternehmensvertretern darüber sprechen, wie deren Beschäftigungschancen verbessert werden können.

Die Untersuchung bezieht sich auf Daten von 2014, also noch vor der großen Flüchtlingswelle aus dem vergangenen Jahr. Verglichen wird die Entwicklung in den meisten EU-Mitgliedstaaten (außer Niederlande, Dänemark und Irland) sowie der Schweiz und Norwegen. „Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ist ein langer Prozess“, fasste OECD-Fachmann Thomas Liebig zusammen. Für Deutschland sieht er trotz der festgestellten Defizite auch Positives. So ließen die Anstrengungen der vergangenen Jahre etwa in Form von Integrationskursen auf deutliche Verbesserung hoffen.

In den meisten Ländern war das Gros der Flüchtlinge männlich

Der Untersuchung zufolge war Deutschland nach absoluten Zahlen schon vor dem vergangenen Herbst das Hauptzielland für Flüchtlinge in Europa. Im Jahr 2014 lebten hierzulande rund 662000 Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Mit deutlichem Abstand folgte Großbritannien mit etwas mehr als 300000 vor Schweden mit einer knappen Viertelmillion und Frankreich mit rund 200000. In Relation zur eigenen Bevölkerung nahm Schweden die meisten Flüchtlinge auf. Insgesamt nahmen sechs (west-)europäische Länder gut 90 Prozent aller Flüchtlinge auf. Auf Mittel- und Osteuropa entfielen schon damals sehr geringe Kontingente.

In den meisten Ländern war das Gros der Flüchtlinge männlich. Am höchsten war der Männeranteil in Italien mit mehr als Dreivierteln, dahinter folgten Norwegen und Deutschland mit mehr als 60 Prozent. Nach aktuellen Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist der Männeranteil in Deutschland mit dem Anstieg des vergangenen Jahres in Richtung 70 Prozent gestiegen.

Sprachkenntnisse sind unterdurchschnittlich

Auffallend schlecht schneiden in der Studie die landessprachlichen Kenntnisse der Flüchtlinge in Deutschland ab. Ausschlaggebendes Kriterium für die Autoren war das nach internationalen Standards festgestellte Niveau B1, das fortgeschrittene Sprachkenntnisse attestiert und allgemein als notwendige Voraussetzung für eine Integration in die Unternehmen gilt. In Deutschland verfügen zehn Jahre nach ihrer Ankunft gerade einmal rund 40 Prozent der Flüchtlinge über B1-Kenntnisse. In Spanien waren es dagegen nahezu 100 Prozent, in Schweden mehr als 80 Prozent. Damit liegt der Wert für Deutschland auch deutlich unter dem EU-Durchschnitt von gut 60 Prozent. Allerdings weist Liebig darauf hin, dass aktuelle Zahlen aus Integrationskursen in Deutschland auch schon Quoten von rund 60 Prozent ausweisen.

In anderen Ländern werden die Flüchtlinge schlechter integriert

Die Autoren haben die Fähigkeiten der Flüchtlinge auch mit denen anderer Migranten von außerhalb der EU verglichen. Für Deutschland kommt diese Gruppe immerhin auf einen Wert von rund 70 Prozent, was etwa denen in Nachbarländern wie Österreich, der Schweiz und Belgien entspricht. Damit fällt die Kluft zwischen Flüchtlingen und anderen Migranten aber so hoch aus wie in keinem anderen Land mit Ausnahme von Großbritannien, wo sich beide Gruppen allerdings auf einem deutlich höheren Niveau bewegen.

In engem Zusammenhang damit dürfte stehen, dass in nahezu allen untersuchten Ländern die Flüchtlinge deutlich schlechter in den Arbeitsmarkt integriert sind als andere Migranten. In Deutschland beträgt die Beschäftigungsquote von Flüchtlingen 57 Prozent und liegt damit 18 Punkte unter dem Wert für in Deutschland geborene Personen. „Damit haben Flüchtlinge auch deutlich größere Probleme als alle anderen Gruppen von Zuwanderern, einen Arbeitsplatz zu finden“, sagte Liebig. Das gilt besonders für Frauen: 2014 waren nur 43 Prozent der weiblichen Flüchtlinge erwerbstätig, die Quote unter Inländerinnen betrug 71 Prozent. „Es wäre sinnvoll, ein besonderes Augenmerk auf die Beschäftigung von geflohenen Frauen zu legen.“

Die Autoren sind auch der Frage nachgegangen, ob hochqualifizierte Flüchtlinge entsprechend beschäftigt sind. Für Deutschland ergibt sich hier ein großes Potential, denn 70 Prozent der Hochqualifizierten sind unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt - so viele wie in keinem anderen EU-Land. Die Gründe dafür sind laut Liebig vielfältig.