Das Gericht der Europäischen Union hat eine Entscheidung über die Klage der Bürgerinitiative gegen das TTIP vertagt. EU-Vertreter halten das Ansinnen für illegitim. Davon unbeeindruckt wollen an diesem Samstag wieder Hunderttausende gegen die Freihandelspolitik demonstrieren.
Proteste gegen TTIP und CETA
© ReutersUnmut auf der Straße: Weiterhin starker Protest gegen TTIP und CETA
Die Initiative "Stop TTIP" hat über drei Millionen Bürger aus ganz Europa zu einer Unterschrift gegen das geplante Abkommen bewegt. Getragen von fast 500 Organisationen deckt der Widerstand gegen die Freihandelspolitik der EU eindeutig die gesamte Breite der Gesellschaft ab.

Sogar die EU selbst könnte die rege Beteiligung an der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) eigentlich als Erfolg werten. Immerhin ließe sich mit dem Hinweis auf diese Initiative ja eigentlich Kritikern entgegnen, dass es sich bei Brüssel mitnichten um einen an der Bevölkerung vorbeiregierenden Bürokratenverein handle. Eine Umsetzung der geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA scheint Brüssel da jedoch wichtiger. Die Petition wurde seitens der EU jedenfalls nicht anerkannt, Brüssel verweigerte bereits die Registrierung der Initiative. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte es, angeblich aus Termingründen, sogar ab, die Unterschriften persönlich in Empfang zu nehmen.

Die Argumentation hinter dem Vorgehen der politischen Entscheidungsträger lautet wie folgt: Das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative solle es dem Bürger allenfalls erlauben, Impulse zu setzen, keinesfalls aber direkten Einfluss auf konkrete Entscheidungen zu nehmen. "Stop TTIP" sei eine "destruktive Bürgerinitative", so die juristische Argumentation der EU-Kommission, denn den Gegnern von TTIP und CETA gehe es ja nicht darum, ein eigenes Anliegen auf den Weg zu bringen, sondern bereits angestoßene Prozesse zu unterbinden.

Der Anwalt der klagenden Bürgerinitiative, der Völkerrechtler Bernhard Kempen, widerspricht dieser Auffassung und geht in die Vollen:
Sie entscheiden darüber, ob das Europa der Bürgerinnen und Bürger nur ein leeres Versprechen oder ob es die politische und rechtliche Realität der Europäischen Union ist.

Wenn die Rechtsauffassung der Kommission Bestand hat, heißt das im Klartext: Der Bevölkerung sind bei der Entwicklung internationaler Verträge jedweder Art die Hände gebunden. Internationale Verhandlungen der Kommission dürfen durch Bürgerinnen und Bürger nur bejubelt, nicht aber kritisiert werden."
Das Gericht der Europäischen Union wollte sich am Dienstag in der Frage, welcher Rechtsauffassung es eher zuneigt, zunächst nicht festlegen. Eigentlich sollte der EuGH darüber entscheiden, ob die Klage der Bürgerrechtler grundsätzlich zulässig ist, doch bereits in dieser Frage wurde die Entscheidung vertagt. Nun können einige Monate vergehen, bis es zu einer Beschlussfassung kommt. Die Befürworter von CETA wollen bis dahin Nägel mit Köpfen gemacht und das europäisch-kanadische Abkommen umgesetzt haben.

Je mehr der Eindruck Platz greift, der juristische Weg wäre den Bürgern und ihrem Anliegen verwehrt, desto stärker rückt der Straßenprotest gegen TTIP und CETA wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. In sieben deutschen Städten soll am kommenden Samstag, dem 17. September, zeitgleich demonstriert werden: in Berlin, Frankfurt am Main, Köln, Stuttgart, Hamburg, Leipzig und München - jeweils ab 12 Uhr.

Vor knapp einem Jahr konnten die Veranstalter in Berlin rund 250.000 Menschen auf die Straße bringen. Die Mainstreammedien zeigten sich sichtlich damit überfordert, in ihren Berichten korrekte Teilnehmerzahlen zu nennen, oder sahen sich veranlasst, den Demo-Teilnehmern unlautere Motive anzudichten. Doch auch in diesem Jahr dürfte sich in der Berichterstattung zu dem Großereignis die ideologische Voreingenommenheit von BILD bis Spiegel zeigen. Das Problem für die Meinungsmacher: Sie stehen dabei einer Mehrheit von rund 97 Prozent der Bundesbürger gegenüber. Nicht bei CETA und schon gar nicht bei TTIP ist es den Apologeten des Freihandels und der US-Dominanz bisher gelungen, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne umzulenken.

Die Strategie von Brüssel und Berlin lautet daher derzeit wie folgt: TTIP erst einmal hintanstellen, volle Konzentration auf CETA. Wenn in dem Abkommen mit Kanada bestimmte Regelungen getroffen wurden und lautstarker Protest dagegen ausbleibt, kann dies in einem zweiten Anlauf auch mit den USA nachgeholt werden. Hinzu kommt: CETA ist bereits durchverhandelt und wartet nur noch auf die Zustimmung vonseiten der Mitgliedsstaaten. Für ein solches "gemischtes Abkommen" ist eine solche auch aus Sicht der EU-Kommission erforderlich.

Damit dies gelingt, setzen die Freihandelsbefürworter den Spaltpilz zunehmend im Lager der Gewerkschaften an, die zu den wichtigsten Bündnispartnern der am Samstag bevorstehenden Großdemonstrationen zählen. Teilweise mit Erfolg: So gelang es den Befürwortern des Abkommens bereits, die DGB-Teilgewerkschaft IG BCE aus dem Lager der CETA-Gegner herauszulösen, was auch den Deutschen Gewerkschaftsbund als Ganzes hemmen wird.

Auch die Sozialdemokraten sind einmal mehr ein Wackelkandidat. Geht es nach dem Willen der Parteielite, sollen die Genossen auf ihrem Konvent am 19. September Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel grünes Licht erteilen, um im EU-Ministerrat für CETA zu stimmen. Noch ist unklar, ob die Partei dem folgen wird. Auch diesbezüglich könnten die Demonstrationen am Samstag ein Zeichen setzen.