Seit die Balkanroute geschlossen ist, versuchen immer mehr Flüchtlinge von Ägypten aus nach Europa zu gelangen. Jetzt kommt es allerdings erneut zur Tragödie mit Dutzenden Toten. Der EU-Parlamentspräsident schlägt daher ein Abkommen mit Kairo vor.
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© dpaEin Boot mit Leichen von Opfern erreicht den Hafen von Rosetta.
Bei der Flüchtlingstragödie vor der ägyptischen Küste sind nach jüngsten Angaben mehr als Hundert Menschen ertrunken. Es wurden weitere 53 Leichen aus dem Meer geborgen, wie das Gesundheitsministerium in Kairo mitteilte. Damit erhöhte sich die Zahl der Todesopfer auf 108. Viele Schiffbrüchige würden noch vermisst, die Zahl der Toten werde deshalb voraussichtlich weiter steigen, hieß es weiter. Das Flüchtlingsboot war am Mittwoch in der Nähe der Hafenstadt Alexandria gekentert.

163 Bootsinsassen wurden gerettet, darunter mehr als hundert Ägypter sowie zahlreiche Sudanesen und Eritreer. Nach Angaben von Überlebenden war das Boot völlig überladen. Bis zu 600 Menschen sollen an Bord gewesen sein. Vier mutmaßliche Schlepper wurden festgenommen, sie müssen sich wegen fahrlässiger Tötung und Menschenhandels vor Gericht verantworten.

Schon 2800 Tote in diesem Jahr

Wegen des ruhigen Wetters wagen in den Sommermonaten besonders viele Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt nach Europa. Dabei gibt es immer wieder tödliche Bootsunglücke. Viele der von Schleppern eingesetzten Boote sind nicht seetauglich und völlig überladen. Seit 2014 starben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mehr als 10.000 Menschen bei der Überfahrt über das Mittelmeer, mehr als 2800 allein in diesem Jahr.

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hatte sich im Juni besorgt gezeigt, dass zuletzt immer mehr Flüchtlinge von Ägypten aus die lange und "sehr gefährliche" Fahrt über das Mittelmeer wagten. Zuletzt mussten mehrfach in Ägypten gestartete Fischerboote mit Hunderten Flüchtlingen an Bord aus Seenot gerettet werden. Seit der Schließung der Balkanroute versuchen die Schutzsuchenden laut Frontex wieder verstärkt, von Nordafrika aus über das Mittelmeer nach Europa zu kommen.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat deshalb ein europäisches Flüchtlingsabkommen mit Ägypten vorgeschlagen, das sich an der Vereinbarung mit der Türkei orientieren soll. Damit solle dem Umstand Rechnung getragen werden, dass immer mehr Flüchtlinge von Nordafrika aus die Flucht über das Mittelmeer wagen, sagte Schulz der Süddeutschen Zeitung. "Diesen Weg müssen wir einschlagen."

Der Schutz der Flüchtlinge und die Bekämpfung des Schlepperwesens müssten im Vordergrund stehen, sagte Schulz weiter. Am EU-Türkei-Abkommen zeige sich, dass eine solche Zusammenarbeit möglich sei, ohne eigene Prinzipien aufzugeben. Das im März geschlossene Abkommen sieht vor, dass die Türkei Bootsflüchtlinge aus der Ägäis zurücknimmt.

Auch in der EU und in der Bundesregierung wächst die Sorge, dass künftig aus Ägypten weit mehr Flüchtlinge kommen könnten - vor allem, wenn die wirtschaftliche Lage der 92 Millionen Einwohner sich weiter verschlechtert. Ägypten hat sich nach Libyen zum zweitwichtigsten Ausgangsland für Migranten entwickelt, die über das Mittelmeer in die EU gelangen wollen. Jeder zehnte beginnt seine Reise hier, berichtete die SZ unter Berufung auf die Bundesregierung.

Quelle: n-tv.de , hul/AFP/dpa