Burnout
© dpaMenschen, die an Burnout leiden, brauchen professionelle Hilfe.

Das Thema scheint zu brennen. Mit einem Informationsabend zum Burnout-Syndrom - ausgebrannt sein, ohne dass Feierabend, Wochenende, Urlaub eine nachhaltige Erholung brächten - traf die Telefon-Seelsorge Ortenau ins Schwarze.

OFFENBURG. In der Villa Bauer in Offenburg drängte sich das Publikum bis auf die Flure, wo man bei geöffneten Türen der Diskussion zu folgen versuchte.
Heinz-Joachim Feuerstein, Professor für Psychologie an der Hochschule Kehl, sprach von einer deutlichen Zunahme von Burnout in den letzten Jahren: "Unsere Stressbelastung nimmt zu. Immer mehr Arbeit wird von immer weniger Arbeitnehmern erledigt." Dauerstress, eine Überbelastung im Beruf oder im Privaten sieht Feuerstein als die wesentliche Ursache von Burnout. Das liege am "gebrochenen Fairness-Vetrag". Ich gebe dir meine Arbeitskraft, du gibst mir die Möglichkeit, ein normales Leben in Wohlstand und relativer Sicherheit zu führen: So formuliert Feuerstein den Fairness-Vertrag zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer.

Die soziale Marktwirtschaft sei nach dem Ende des Ostblock-Sozialismus immer stärker ausgehöhlt worden. Die Arbeitnehmer hätten das Gefühl von Ungerechtigkeit ihnen gegenüber, fühlten sich als Teil eines Systems, auf das sie kaum Einfluss haben. "Selbst wenn man in seiner Firma gute Leistungen bringt, kann man sich seines Arbeitsplatzes nicht sicher sein." Umfragen zufolgen identifizierten sich 87 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland nicht oder nicht mehr mit ihrer Firma. Der Druck führe zwangsläufig zu Stress, Erschöpfung, Hamsterrad-Gefühl, schlechtem Selbstbild, Zynismus, Depression, Aggression - alles Symptome des Burnouts.

Der Diplom-Psychologe Peter Pfingstl und Edgar Hauser, Schwerbehindertenvertreter in einem Ortenauer Unternehmer, berichteten aus der Praxis. Hauser erzählte von dem Fall eines Produktionsleiters, der auch nach drei Zusammenbrüchen seine Situation nicht wahrhaben wollte. "Ich bin wichtig, ich werde in der Firma gebraucht", habe der Mann im persönlichen Gespräch zu ihm gesagt - und weiter geschuftet. Eine andere Mitarbeiterin, in den Fünfzigern, habe durch die Umstellung des innerbetrieblichen Schichtmodells ihre beruflichen und familiären Aufgaben nicht mehr zusammenbringen können. Gespräche brachten keine Hilfe, der Fall steuert auf eine Frühverrentung zu. Bei einem anderen Kollegen, Mitte 40, hätten ständige Kontrollen eines leistungsorientierten Vorgesetzten zu Angstzuständen geführt, mit Schlaflosigkeit und Atemnot bis hin zum Selbstmordversuch. Nach Reha-Aufenthalten und einem neuen Aufgabenfeld in der Firma sei die Neueingliederung ins Arbeitsleben gelungen. "Es ist aber sehr schwierig, die Firmenleitungen für solche langwierigen Prozesse zu gewinnen", glaubt Hauser. Die Beispiele von Pfingstl belegten, dass Führungskräfte oft nicht den Kontakt zu ihren Untergebenen haben, um Anzeichen des Burnout zu erkennen, und dass sie diesem Problem teils hilflos, teils unbewusst gegenüberstehen.

Die Wortmeldungen aus dem Publikum zeigten, dass es viele Betroffene gibt, Familienangehörige, Partner, Kollegen. Der Rat ging stets dahin, auf Persönlichkeitsveränderungen zu achten: Der Kollege, der sich mehr und mehr verschließt, der nicht mehr zur Kaffeepause kommt, sondern sich in der Arbeit vergräbt, der reizbar oder sprunghaft wird.

All das können Anzeichen sein: "Suchen Sie das Gespräch!" Im Frühstadium könne eine Auszeit helfen. Zugleich wurde klargestellt, dass vom Burnout Betroffene professionelle Hilfen brauchen. Dabei wurde auf Beratungsstellen des Ortenaukreises hingewiesen. Auch ein Besuch beim Hausarzt kann die nötigen Kontakte bringen.

BURNOUT
Burnout nimmt zu: Laut der AOK sind die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen - dazu wird Burnout gerechnet - seit 1999 um 80 Prozent gestiegen. 2010 war jeder zehnte Fehltag darauf zurückzuführen. 100 000 Arbeitnehmer in Deutschland seien 2010 wegen Burnout krankgeschrieben gewesen. Betroffen sind vor allem Arbeitnehmer zwischen 40 und 60 Jahren, Frauen doppelt so häufig wie Männer.