Im Interview mit dem französischen Sender TF1 machte Russlands Präsident Wladimir Putin deutlich, dass die Russische Föderation bis zuletzt versucht habe, den Westen durch konstruktive Vorschläge zur Lösung der Syrienkrise mit ins Boot zu holen. Ergebnislos.
Putin
© Reuters Der russische Präsident Wladimir Putin beim Interview mit TF1 vom 12.10.2016.
Washington und seine Verbündeten beuten die Syrien-Krise aus, um politisches Kleingeld zu wechseln, anstatt echte Lösungen anzubieten, sagte der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, in einem Interview im französischen Fernsehen. Er wies darauf hin, dass Moskau angeboten habe, Truppen zum Schutze humanitärer Hilfslieferungen in Aleppo bereitzustellen, während der Westen Moskau vorwerfe, Kriegsverbrechen zu begehen.

"Das ist eine politische Rhetorik, die keine große Bedeutung hat und nicht die reale Situation in Syrien berücksichtigt", antwortete Putin dem französischen Fernsehsender TF1 in einem Interview aus der zentralrussischen Stadt Kowrow auf die Frage nach dem Vorwurf angeblicher Kriegsverbrechen in Syrien, für die Russland die Verantwortung trage. Der französische Präsident Francois Hollande, der britische Außenminister Boris Johnson und die Regierung Obama hatten in den vergangenen Tagen Anschuldigungen dieser Art erhoben.

Putin beschuldigte seinerseits den Westen, die Region zu destabilisieren und benannte in diesem Zusammenhang den so genannten "Arabischen Frühling" von 2011 als Schlüsselmoment für jene Spannungen, die immer noch die muslimische Welt dominieren.
Ich glaube fest daran, dass Teile der Verantwortung dafür, was in der Region insgesamt geschieht und insbesondere in Syrien, bei unseren westlichen Partnern liegen, in erster Linie bei den USA und ihren Verbündeten, den wichtigsten europäischen Ländern", sagte Putin. "Erinnern Sie sich noch, wie sich jeder beeilt hat, den Arabischen Frühling zu unterstützen? Wo ist dieser Optimismus jetzt? Wie ist das alles ausgegangen? Erinnern Sie sich, wie Libyen oder der Irak aussahen, bevor diese Länder und ihre Organisationen als Staaten zerstört wurden von den Streitkräften unserer westlichen Partner?"



Putin stellte außerdem eine Verbindung fest zwischen den Unruhen in der Region und dem jüngsten Aufkommen von Terroranschlägen erheblichen Ausmaßes im Westen. Diese wurden von dschihadistischen Gruppen wie dem "Islamischen Staat" (IS), welche sich infolge des Chaos, das in den arabischen Ländern ungehindert ausbreiten konnten, entweder geplant oder inspiriert.

[Schon vor dem Arabischen Frühling] waren diese Länder nicht Musterbeispiele für Demokratien, wie wir sie heute verstehen, und es gab vermutlich die Notwendigkeit und Möglichkeit, diese Gesellschaften zu beeinflussen; den Staat und die Natur dieser Regime", sagte Putin, der im Vorfeld des Interviews ein Sambo-Festival besucht hatte. Sambo ist ein russischer Kampfsport.
Aber so oder so: Diese Staaten zeigten kein Anzeichen für Terrorismus. Sie waren keine Gefahr für Paris, für die Côte d’Azur, für Belgien, für Russland oder die Vereinigten Staaten. Jetzt sind sie eine Quelle der terroristischen Gefahr. Unser Ziel ist es, das Gleiche in Syrien abzuwenden.
Putin legte auch seine Version des Scheiterns des lange zwischen Washington und Moskau verhandelten Abkommens zur Herbeiführung eines Waffenstillstands in Syrien dar. Dabei erklärte der russische Präsident, dass der Schlüsselmoment für das Ende dieser Vereinbarung die Bombardierung einer Einheit der syrischen Armee durch die von den USA geführten Koalitionstruppen war, von welcher das Pentagon später sagte, dass diese ein Versehen gewesen sei.
Unsere amerikanischen Kollegen haben uns gesagt, dass der Luftschlag aus Versehen erfolgte. Dieses Versehen kostete 80 Menschen das Leben, und vielleicht ist es auch nur ein Zufall, aber der IS begann unmittelbar darauf eine Offensive. Zur gleichen Zeit, in den unteren Rängen, auf dem ausführenden Level, sagte einer aus dem amerikanischen Militär ganz offen, dass sie mehrere Tage damit verbrachten, diesen Luftschlag vorzubereiten. Wie konnten sie einen Fehler machen, wenn es mehrere Tage Vorbereitung gab?", fragte Putin. "So endete unser Waffenstillstandsabkommen. Waren wir es, die es gebrochen haben? Nein."
Mehrere westliche Mächte haben kurz darauf begonnen, Russland zu beschuldigen, hinter dem bis heute völlig ungeklärten Angriff auf einen UN-Konvoi zu stecken, der sich am 20. September ereignet hatte. Dem westlichen Narrativ zufolge weise dieser den Charakter eines Vergeltungsschlages auf. Washington hat mittlerweile die bilateralen Gespräche über Syrien abgebrochen.


Putin machte jedoch auch deutlich, dass Russland immer noch bereitstehe, um die laut UN größte humanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu lösen, die seit dem Beginn der Kampfhandlungen vor fünf Jahren vermutlich mehr als 400.000 Menschen das Leben gekostet hat.
Es wurde vorgeschlagen, dass unsere bewaffneten Kräfte, russisches Militärpersonal, an der Straße stationiert werden um die Transitsicherheit zu gewährleisten [für Hilfskonvois nach Aleppo]. Das russische Militär, mutige und entscheidungsstarke Menschen, haben gesagt, sie würden es tun", sagte Putin.
Er fügte hinzu, dass die Initiative, von der zuvor noch nie in der Öffentlichkeit die Rede war, als "exotischer Vorschlag" galt.
Aber ich habe ihnen gesagt, dass das nur zusammen mit den USA umgesetzt werden könne, und habe ihnen befohlen, ihnen diesen Vorschlag zu unterbreiten. Wir haben dies entsprechend vorgeschlagen, und sie [die USA] haben prompt abgelehnt. Sie wollen ihre Truppen nicht hinschicken, aber sie wollen auch nicht die so genannten "oppositionellen Gruppen" zurückziehen - welche in Wirklichkeit Terroristen sind. Was können wir in so einer Situation tun?
Trotz des pessimistischen Tonfalls, der sich durch das Interview zog, bestand Putin darauf, dass er immer noch "optimistisch" sei bezüglich einer diplomatischen Lösung. Er ergänzte, dass das Angebot, den jüngst abgesagten Besuch Frankreichs, welcher wegen einer diplomatischen Brüskierung seitens Hollandes abgesagt worden war, auf nächste Woche zu "verschieben", ernst gemeint sei.

Dennoch sei zu bedenken:
Dies ist nicht der beste Moment für offizielle Treffen, unter Inbetrachtnahme des fehlenden gegenseitigen Verständnisses, um es milde auszudrücken, das wir für die Vorkommnisse in Syrien haben, insbesondere die Situation in Aleppo.