Der Französische Zementproduzent Lafarge, heute LafargeHolcim, muss sich für seine Geschäftstätigkeit in umkämpften Gebieten in Syrien vor Gericht erklären. "Le Monde" hatte im Juni 2016 die Verdachtsmomente auf mögliche Terrorfinanzierung publikgemacht.
Bruno Lafont Vorstandsvorsitzende von Lafarge
© ReutersBruno Lafont, der Vorstandsvorsitzende von Lafarge, während der Konferenz zur Jahresbilanz 2014 am 18. Februar 2015 in Paris.
Es war eine große Investition: Im Jahre 2007 kaufte der französische Großkonzern das Werk Jalabiya von einem ägyptischen Besitzer für umgerechnet 600 Millionen Euro. Damals war der Standort 160 Kilometer nordöstlich von Aleppo noch im Bau. Kurz nach dessen Inbetriebnahme 2010 brach der Krieg aus, und Terrormilizen nahmen das Gebiet ein, am Ende der IS. Laut Le Monde habe Lafarge an IS-Kontrollposten Abgaben für den Gütertransport bezahlt; außerdem habe das Unternehmen über Mittelsmänner Lizenzen gekauft und Steuern bezahlt, um an Erdöl zu kommen, das "vom IS raffiniert" worden war.

Insgesamt habe sich der größte Zement-Produzent für "dubiose finanzielle Arrangements" mit den Dschihadisten entschieden, urteilte Le Monde am 21. Juni. Den Recherchen der Zeitung zufolge war das Werk selbst noch nicht vom Krieg betroffen gewesen. Bis Sommer 2012 gewährleistete die syrische Armee die Sicherheit der Mitarbeiter, danach die Kurdenmiliz der Demokratischen Unionspartei (PYD). Diese konnte die Territorien am Ende jedoch nicht halten und es gelang dschihadistischen Kämpfern aus dem Al-Nusra-Umfeld, die sich später dem IS anschlossen, die Gebiete einzunehmen.

Seitdem wurde die Produktion in dem Zementwerk zwar etwas heruntergefahren, aber nicht eingestellt. Das sicherte Lafarge gute Gewinne, denn der Zementpreis stieg in der Region aus nachvollziehbaren Gründen auf mehr als das Doppelte. Le Monde wies nach, dass die Manager der Lafarge Group E-Mails mit den Vertretern der terroristischen Vereinigung IS austauschten. In diesem Schriftwechsel bat die Direktion um Erlaubnis, die Arbeit des Werkes fortzusetzen. Dies war allerdings an "gewisse Bedingungen" geknüpft. Die Produktion und damit die Kooperation mit den Terroristen dauerte bis zum 19. September 2014, als die IS-Kämpfer selbst das Werk-Gelände einnahmen und die Produktion einstellten.
Das Werkgelände in Jalabiya
© Agefi.comDas Werkgelände in Jalabiya
Ungeachtet dieser Vorwürfe kam der französische Parlamentsausschuss im Juli zu dem Schluss, es gebe keinerlei Beweis dafür, dass Lafarge "direkt oder indirekt" oder auch nur "passiv" an der Finanzierung des IS beteiligt gewesen sei.

Die abenteuerlichen Umstände der Arbeit des Bauriesen, der in der Region über die Kriegsjahre hinweg mit Gewinn etwa 200 Menschen beschäftigt hatte, waren einem der Lafarge-Sicherheitsmanager sogar ein Buch wert. Im August veröffentliche Jacob Waerness in seinem Heimatland Norwegen ein 245-seitiges Buch über seine Arbeit in Syrien. Er schrieb darin, dass er es gut fand, dass die große Zementfabrik trotz allem den Menschen in der Region Arbeit gab.

Doch das hatte seinen Preis:
Wir konnten in dieser Region nicht operieren, ohne dass diese Gruppen [wie der IS] direkt oder indirekt von unserer Tätigkeit profitierten", räumt der ehemalige Manager ein.
Nun will Sherpa, jene französische NGO, die sich für den Schutz und die Verteidigung der Opfer von Wirtschaftskriminalität einsetzt, gegen Lafarge wegen grober Verletzung der Geschäftsethik vorgehen.
Wir verurteilen die Vorgehensweise der Unternehmen, ihre Tätigkeit selbst dann noch fortzusetzen, wenn sie - wohl wissend über die Konsequenzen ihrer Taten - ihre Verbindungen mit jenen aufrechterhalten, die als Feinde der Menschheit gelten.

Wir fordern, dass aus dieser zynischen Politik, die dem Handels- und Finanzaustausch zwischen dem Tochterunternehmen Lafarge Cement Syria und jener Gruppierung Pate stand, die der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezichtigt wird, Konsequenzen gezogen werden", erklärte Sherpa-Chef William Bourbon.
Bislang wurde bekannt, dass zwei Anwälte im Namen von Sherpa und einiger Personen aus Syrien vor französischen Gerichten eine Klage gegen den Zementhersteller eingereicht haben.

Heute ist das Werk geschlossen. Das Fabrikgelände befindet sich auf dem von Kurden kontrollierten Territorium.Den Vermutungen einheimischer Augenzeugen zufolge dient sie als Basis für die amerikanischen und französischen Ausbilder kurdischer Kämpfer.