Pirkau. Idyllische Ruhe, wie an so vielen Tagen, herrscht am Mittwoch in dem 70-Seelen-Örtchen Pirkau. Nur ein paar mobile Händler bringen ein bisschen Leben ins Dorf und locken einige Leute auf die Straße. Doch Schlag 12 ist es in dem kleinen Zeitzer Ortsteil mit der Ruhe vorbei. Polizei und Krankenwagen fahren vor. "Aufgrund eines Bombenfundes wird die Ortschaft geräumt", tönt es durch die Dorfstraße.
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© Hartmut KrimmerGisela Weber wird von Matthias Tändler zu einem Krankenwagen geführt, der ältere und kranke Dorfbewohner nach Nonnewitz bringt.

Auf dem unmittelbar an den Ort grenzenden Feld und nur rund fünfhundert Meter von den ersten Häusern entfernt war rund zwei Stunden zuvor eine 125-Kilo-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden. Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes der Polizei Sachsen-Anhalt hatten das Kriegsgerät amerikanischer Herkunft entdeckt. Seit Wochenbeginn sind die Kampfmittelbeseitiger im Auftrag der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH auf dem neun Hektar großen Areal unterwegs, suchen hier, wo das Braunkohleunternehmen einen Tagebau erschließen will, gezielt nach Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg.

Auch Gisela Weber ist durch die Durchsage neugierig geworden und tritt vors Haus. Die 73-Jährige ist gehbehindert, will wissen, wie es weitergeht. Doch die Einsatzkräfte der Polizei und des Deutschen Roten Kreuzes, die durchs Dorf gehen und an allen Häusern klingeln, können sie und die anderen Anwohner beruhigen. Wer nicht selbstständig fahren oder bei Verwandten und Bekannten in der Umgebung unterkommen kann, der wird in die Turnhalle nach Nonnewitz befördert und später auch wieder nach Hause zurück gebracht, erfährt die Seniorin. Und schon hat sie Matthias Tändler vom DRK Burgenlandkreis untergehakt und führt sie zum Krankenwagen. Auch Ortsbürgermeister Roland Meuche (parteilos), der eine Holzbaufirma im Ort betreibt, staunt über die Aufruhr als er mit seinem Transporter zufällig durchs Dorf fährt. "Es ist zwar bekannt, dass hier im Zweiten Weltkrieg Bomben gefallen sind, aber eine solche Evakuierung hat es hier noch nicht gegeben", sagt er.

Nur etwas mehr als eine halbe Stunde dauert es und das Dorf ist geräumt. Auch die angrenzende Landesstraße 191 nach Hohenmölsen wird anschließend von der Polizei gesperrt und so müssen viele Autofahrer, die an diesem sonnenscheinreichen Tag den Mondsee als Ziel ihrer Reise anvisiert haben, einen Umweg in Kauf nehmen. "Doch Sicherheit geht vor, denn auch nach mehr als 60 Jahren haben diese Waffen nichts von ihrer Gefährlichkeit verloren", sagt Polizei-Pressesprecher Jörg Bethmann. Gegen 13 Uhr wollen sich die Kampfmittelbeseitiger die Bombe genauer ansehen und damit beginnen, das Ungetüm zu entschärfen. Beim Kopfzünder gelingt dies auch. Doch der Heckzünder ist derart verformt, dass die beiden Sprengmeister Thilo Pierau (30) und Hans-Werner Schwabe (58) nur eine Entscheidung treffen können und die heißt, die Bombe muss vor Ort gesprengt werden. Und gerade zwanzig Minuten später rast Thilo Pierau mit Blaulicht Richtung Halle, um Sprengstoff für die kontrollierte Sprengung der Bombe zu holen. Für die Pirkauer bedeutet das, dass sich die Rückkehr in ihre Häuser verzögert. Am Ende werden es mehr als vier Stunden sein, in denen sie ihr Dorf nicht betreten dürfen. Denn erst gegen 16 Uhr kann die Polizei Entwarnung geben. Eine gute Viertelstunde zuvor hatte eine gut 30 Meter hohe dunkle Rauchsäule das Ende der Evakuierung angekündigt. Weil bei der Sprengung Getreidefelder durch herumfliegende Teile in Brand gesetzt werden könnten, hat man auch die Feuerwehren der umliegenden Ortschaften gerufen. Doch die brauchen nicht zu löschen, können vielmehr am Schluss den Krater, der einen Durchmesser von fünf Metern und eine Tiefe von drei Metern aufweist, bestaunen. "Es ist nicht auszuschließen, dass wir hier noch weitere Bomben finden", sagt Sprengmeister Hans-Werner Schwabe am Ende der Aktion.