Salt Lake City (USA) - Religiöse und spirituelle Erfahrungen aktivieren in unserem Gehirn das Belohnungszentrum auf ähnliche Weise wie Liebe, Sex, Spiel, Drogen oder Musik. Zu diesem Ergebnis kommen US-Forscher anhand von Hirnscans praktizierender gläubiger Mormonen.
Religiöse Erfahrung
© grewi.deSymbolbild: Religiöse Erfahrung (Illu.).
Wie das Team um Michael Ferguson und Professor Jeffrey Anderson von der School of Medicine an der University of Utah aktuell im Fachjournal Social Neuroscience (DOI:10.1080/17470919.2016.1257437) berichtet, stehe man erst am Anfang eines Verständnisses darüber, wie unser Gehirn an Erfahrungen teilnimmt, die Gläubige als spirituell, göttlich oder transzendent bezeichnen: „In den vergangenen Jahren haben sich die technischen Möglichkeiten der Bildgebungsverfahren derart entwickelt, dass wir uns endlich Fragen widmen können, die wir uns vielleicht schon seit Jahrtausenden stellen“, so Anderson.

Von besonderem Interesse war für die Neurowissenschaftler die Frage, welche Netzwerke an der Erzeugung spiritueller Gefühle innerhalb religiöser Gruppen beteiligt sind und beispielsweise tiefgläubige Mormonen etwa dazu führen, „den (heiligen) Geist zu verspüren“ („feel the Spirit“). „Dieses Erlebnis von Frieden und der wirklichen Nähe und Einheit gemeinsam mit anderen und Gott, gehört zu den wichtigsten Elementen des mormonischen Lebens“, erläutert der Forscher weiter. „Mormonen treffen Entscheidungen auf der Grundlage dieser Empfindungen, betrachten diese als Bestätigung der Prinzipien ihrer Glaubenslehre und als wichtigstes Mittel zur Kommunikation mit dem Göttlichen.“

In ihrer Studie untersuchten die Forscher insgesamt 19 junge Erwachsene Kirchenmitglieder (7 Frauen und 12 Männer) mit Hilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT), während diese darum bemüht waren, durch gemeinsames Gebet, Lesungen im „Buch Mormon“ und in der Bibel, und das Betrachten religiöser Filme, spirituelle Empfindungen zu erzeugen.

Gehirnscans Religion Glaube
© Jeffrey AndersonfMRT-Scan der Aktivitäten in einem Mormonenhirn während einer spirituellen Erfahrung.
Während der teilweise stark emotionalen entsprechenden Empfindungen zeigten die Hirnscans Aktivitäten unter anderem im „Nucleus accumbens“, dem sogenannten Belohnungszentrum des Gehirns. Zu vergleichen sind diese Aktivitäten mit der Hirnreaktion auf Liebe, Sex, Spiel, Drogen und Musik.

Interessanterweise stellte sich die gemessene - und in allen Versuchen reproduzierbare - Hauptaktivität in dieser Region bereits 1-3 Sekunden vor der mittels eines Schalters von den Probanden angezeigten Empfindungen ein. Damit einhergehend stellte sich auch ein schneller Herzschlag und tiefere Atmung bei den untersuchten Gläubigen ein.

Neben dem Belohnungszentrum zeigten sich auch im präfrontalen Cortex eine erhöhte Aktivität, der u.a. mit der Integration von Gedächtnisinhalten, emotionalen und moralischen Bewertungen im Zusammenhang steht. Zudem aktivierte das spirituelle Erlebnis Regionen, die mit konzentrierter Aufmerksamkeit assoziiert werden.

„Religiöse Erfahrungen stellen vielleicht den einflussreichsten Teil jener Hirnvorgänge dar, die uns Menschen Entscheidungen treffen lassen - sowohl im Guten als auch im Schlechten“, erläutert Anderson und führt abschließend weiter aus: „Bislang ist erst wenig über den neurowissenschaftlichen Aspekt westlicher spiritueller Praktiken bekannt. Zu wissen, was während dieser Empfindungen in unserem Gehirn geschieht, ist von großer Bedeutung. Bislang wissen wir allerdings noch nicht, ob Gläubige anderer Religionen auf die gleiche oder ähnliche Weise reagieren. Allerdings haben frühere Untersuchungen bereits gezeigt, dass etwa die Gehirne von Anhängern östlicher Religionen während ihrer meditativen Rituale auf diese anders reagieren.
GreWi-Kurzgefaßt

- US-Neurowissenschaftler haben Mormonen während spiritueller Erfahrungen mit Hilfe funktioneller Magnetresonanztomographie beobachtet.

- Die Scans der Hirnaktivität zeigen, dass dieser Erfahrungen das Belohnungszentrum im Hirn in ähnlicher Weise aktivieren wie Liebe, Sex, Spiel, Drogen oder Musik.