Wie das Team um Roberto Mignani vom Istituto di Astrofisica Spaziale e Fisica Cosmica Milano (INAF) und der polnischen Universität Zielona Gora aktuell im Fachjournal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society berichten, haben sie mit dem VLT den rund 400 Lichtjahre von der Erde entfernten Neutronenstern „RXJ1856.5-3754“ beobachtet.
Aufgrund seiner sehr geringen Leuchtkraft kann der Stern trotz seiner relativen Erdnähe nur schwer im sichtbaren Licht beobachtet werden. Deshalb mussten Astronomen mit dem FORS2-Instrument am VLT bis an die Grenzen dessen gehen, was mit derzeitigen Technologien möglich ist.
„Neutronensterne sind die sehr dichten Überreste der Kerne massereicher Sterne, die am Ende ihres Lebens als Supernovae explodiert sind“, erläutert die ESO-Presseerklärung und führt weiter aus: „Massereich bedeutet hierbei, dass der Stern vorher 10 mal massereicher als unsere Sonne war. Die verbliebenen Neutronensterne weisen sehr starke Magnetfelder auf, die milliardenfach stärker sind als das unserer Sonne und die äußere Oberfläche und Umgebung des Sterns durchdringen.“Diese Felder sind dabei so stark, dass sie sogar die Eigenschaften des leeren Raums um den Stern beeinflussen: „Normalerweise wird ein Vakuum als völlig leer angesehen, so dass sich das Licht, das es durchdringt, nicht verändern kann“, erläutern die Forscher weiter. „In der Quantenelektrodynamik (QED), der Quantentheorie, die die Wechselwirkung zwischen Photonen des Lichts und geladenen Teilchen wie Elektronen beschreibt, ist der Raum jedoch voller virtueller Teilchen, die ständig entstehen und wieder verschwinden. Sehr starke magnetische Felder können daher den Raum so verändern, dass er die Polarisation des durch ihn hindurchtretendes Lichts beeinflusst.“
„Gemäß der QED verhält sich ein hochmagnetisiertes Vakuum für die Ausbreitung des Lichts wie ein Prisma, ein Effekt, der als Vakuumdoppelbrechung bekannt ist“, erläutert Mignani.
Bislang fehlte unter den vielen Vorhersagen der QED zur Vakuumdoppelbrechung jedoch ein direkter experimenteller Nachweis. Seit seiner Vorhersage in einem Fachartikel von Werner Heisenberg (der durch die nach ihm benannte Unschärferelation berühmt wurde) und Hans Heinrich Euler vor 80 Jahren waren bisher alle Versuche gescheitert, den Effekt im Labor nachzuweisen.
„Dieser Effekt kann nur in Gegenwart enorm starker Magnetfelder nachgewiesen werden, wie sie etwa um Neutronensterne zu finden sind. Das zeigt einmal mehr, dass Neutronensterne für die Erforschung der grundlegenden Naturgesetze von unschätzbarem Wert sind“, erläutert Roberto Turolla von der Universität Padua in Italien.
Nach der gründlichen Auswertung der VLT-Daten konnten Mignani und Kollegen nun die lineare Polarisation in einem signifikanten Ausmaß von rund 16% nachweisen - von der sie ausgehen, dass sie aufgrund des Verstärkungseffektes der Vakuumdoppelbrechung im Bereich des leeren Raums um RXJ1856.5-3754 auftritt.
Vincenzo Testa vom INAF im italienischen Rom äußert sich dazu wie folgt: „Hierbei handelt es sich um das lichtschwächste Objekt, bei dem Polarisation je gemessen wurde. Es erforderte eines der größten und leistungsstärksten Teleskope der Welt, das VLT, sowie präzise Datenauswertungstechniken, um das Signal eines solch lichtschwachen Sterns messen zu können.“
„Unsere Modelle können die hohe lineare Polarisation, die wir mit dem VLT gemessen haben, nur schwer erklären, wenn die durch die QED prognostizierten vakuumdoppelbrechenden Effekte nicht berücksichtigt werden“, ergänzt Mignani.
„Diese VLT-Beobachtungen unterstützen erstmals die Vorhersagen dieser Art von QED-Effekten, die sich in extrem starken Magnetfeldern ergeben“, fügt Silvia Zane vom UCL/MSSL in Großbritannien hinzu.
Mignani ist begeistert angesichts der weiteren Fortschritte, die mit moderneren Teleskopen auf diesem Gebiet erreicht werden könnten: „Polarisationsmessungen mit der nächsten Generation an Teleskopen, wie dem European Extremly Large Telescope der ESO, könnten eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Effekte der Vakuumdoppelbrechung, die von der QED vorhergesagt werden, an vielen weiteren Neutronensternen zu untersuchen.“
„Diese Messung, die nun zum ersten Mal mit sichtbaren Licht gemacht wurde, ebnet auch den Weg zu ähnlichen Messungen, die im Wellenlängenbereich der Röntgenstrahlung durchgeführt werden sollen“, schließt Kinwah Wu vom UCL/MSSL in Großbritannien.
...mit Material der ESOGreWi-Kurzgefaßt
- Astronomen haben einen ersten Hinweis auf einen seltsamen Quanteneffekt des leeren Raums gefunden.
- Diese widerspricht der bisherigen Vorstellung, dass das Vakuum als völlig leer angesehen werden kann, und es so auch das Licht, das es durchdringt, nicht verändern kann.
- Die Polarisation des beobachteten Lichts legt nahe, dass der leere Raum um den Neutronenstern einem Quanteneffekt unterliegt, den man als „Vakuumdoppelbrechung“ bezeichnet.
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