Das Arbeitsministerium plant Ausnahmeregelungen für Flüchtlinge beim Mindestlohn. Laut einem gemeinsamen Papier von Arbeits-, Finanz- und Bildungsministerium soll für Flüchtlinge unter bestimmten Bedingungen kein Mindestlohn gezahlt werden. Der DGB warnt vor der weiteren Aushebelung der Lohnuntergrenze.
Ausbildung Flüchtling
© ReutersEin ehemaliger afghanischer Flüchtling durchläuft eine Ausbildung in einem Wupertaler Familienbetrieb.
Für Zuwanderer und Flüchtlinge, die sich in Deutschland noch für die Anerkennung ihres im Ausland erworbenen Berufsabschlusses in Deutschland nachqualifizieren müssen, soll der Mindestlohn nicht gelten. Das geht aus dem gemeinsamen Papier der Ministerien hervor.

Davon wären all jene betroffen, die noch praktische Kenntnisse in einem Ausbildungsbetrieb erwerben müssen, um eine gleichwertige Anerkennung ihres Abschlusses zu erhalten. In dem Papier heißt es dazu:
Das fällt damit nicht unter die Mindestlohnpflicht. In diesen Fällen kann eine Ausbildungsvergütung gezahlt werden.
Der gesetzliche Mindestlohn wurde zu Beginn des Jahres 2017 von 8,50 auf 8,84 Euro pro Stunde erhöht. Dies entspricht einem Anstieg der Lohnuntergrenze um 4 Prozent. Nach Angaben des DGB-Vorstands und Mitglied der Mindestlohnkommission, Stefan Körzell, habe der Mindestlohn zu einer besseren Beschäftigungslage und mehr Beschäftigten geführt. Bereits jetzt existieren Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn, so etwa für Langzeitarbeitslose. Dazu Körzell:
Langzeiterwerbslose, die mindestens ein Jahr erwerbslos sind, können ein halbes Jahr unterhalb des Mindestlohns beschäftigt werden. Und man muss feststellen, und das ist keine Analyse des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sondern eine Regierungsanalyse aus dem Bundesarbeitsministerium, dieses Schwert ist tot, es werden keine Anträge massenhaft gestellt bei der Bundesagentur für Arbeit auf Bescheinigung der Langzeitarbeitslosigkeit, um die Ausnahme zu generieren. Hier kam es zu keinen Beschäftigungseffekten.
Für Flüchtlinge gilt bisher, dass diese grundsätzlich nicht vom Mindestlohn ausgenommen sind, sofern sie eine gültige Arbeitserlaubnis vorweisen können und nicht unter die im Mindestlohngesetz benannten Ausnahmen fallen. Diese Praxis wird jedoch unter den politischen Parteien bereits seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Denn während Befürworter die Lohnuntergrenze auch für Zuwanderer und Flüchtlinge begrüßen, lehnen Kritiker diese ab. Ihrer Ansicht nach würden weniger Menschen eingestellt, je höher und verbreiteter der Mindestlohn sei. Gerade in den Grenzregionen würde zudem die Schwarzarbeit durch den Mindestlohn nur gefördert.

Unterdessen warnt der DGB vor weiteren Ausnahmen beim Mindestlohn. Nach Ansicht von Körzell würden Unternehmen schon jetzt "Flüchtlinge, die sich mit ihren Rechten noch nicht auskennen, als billige Arbeitskräfte ausnutzen". Eine Auslegung durch die Ministerien führe dazu, "dass die Einfallstore zur Umgehung des Mindestlohns größer werden und nicht mehr kontrollierbar sind".

Währenddessen argumentiert die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dass es nicht um reguläre Beschäftigungsverhältnisse, sondern um ausbildungsähnliche Qualifizierungen gehe, die nicht unter den Mindestlohn fielen. Würde für diese die Untergrenze von 8,84 Euro Stundenlohn gelten, würde dies die Bereitschaft der Betriebe bremsen, solche Angebote zu machen.

In ihrem Papier kommen die drei Ministerien nun dem BDA entgegen und nennen mehrere Beispiele, in denen der Mindestlohn nicht gelten soll. Absolviert demnach etwa ein syrischer Tischler ein neun Monate langes Praktikum, da ihm für die Anerkennung seines Abschlusses diese neun Monate fehlen, gilt der Mindestlohn nicht. Ein weiteres Beispiel ist das der vietnamesischen Krankenschwester, die für ihre Berufszulassung in Deutschland noch einen längeren Lehrgang oder einen Kurs plus Praktikum absolvieren muss, um gleichwertige Kenntnisse nachzuweisen.

Aufgrund der geplanten Regelungen der neuen Ausnahmen beim Mindestlohn steht jedoch zu befürchten, dass durch diese Flüchtlinge und Zuwanderer als zusätzliche Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden könnten. Gerade in der aktuell sehr angespannten gesellschaftlichen Situation würde dies wohl eher zu einem weiteren Anstieg des sogenannten Rechtspopulismus als zu einer gesamtgesellschaftlichen Debatte über wachsende Armut und die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse führen. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell gibt zu bedenken:
Wir befürchten, dass klassische Einarbeitungsphasen zu monatelangen betrieblichen Qualifizierungsphasen und die Beschäftigten zu Pflicht-Praktikanten umdeklariert werden.
Dies wiederum könne „Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten sein, die gerne mit der Behauptung ‚Ausländer nehmen Deutschen die Arbeitsplätze weg, weil sie billiger zu haben sind‘ Stimmung gegen Flüchtlinge machen.

Die Überlegungen zum Mindestlohn werden bislang als "internes Diskussionspapier" betrachtet. Demnach wären Rechtsänderungen oder Änderungen der Verwaltungs- und Kontrollpraxis nicht damit verbunden. Die Auslegungs- und Praxishinweise könnten aber "Bestandteil des Informationsangebots der Bundesregierung" werden.