Zerstörung Donbass
© Sputnik/Gennady Dubovoy
Seit Francis Fukuyamas Prophezeiung über ein Ende der multipolaren Geschichte nach Trumps Wahlsieg und dem Brexit sich zumindest für eine Zeit lang verzögert, scheint das Interesse der Weltgemeinschaft an der antirussisch gestimmten Ukraine zu schwinden. Politik-Experte und Journalist Wiktor Marachowskij erklärt, warum.

„Zur schockierenden Bilanz des neu ausgebrochenen Krieges zwischen dem Donbass und der Ukraine kann neben den toten, verletzten und obdachlosen Bürgern der ehemaligen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik die internationale Reaktion hinzugefügt werden. Oder besser gesagt - das Ausbleiben dieser Reaktion“, schreibt der Experte in einem Gastbeitrag für RT.

Die bereits seit drei Tagen andauernde Eskalation sei nicht in die Top-Themen der führenden europäischen oder US-Medien gekommen, wobei die ersten überfälligen Stellungnahmen des UN-Sicherheitsrats und des US-Außenministeriums ziemlich trocken und fade verfasst worden seien. Anscheinend habe es für die Ukraine und ihren Krieg einfach keinen Platz unter den Eil-Meldungen gegeben, dafür aber für die Proteste gegen ein neues Korruptionsgesetz in Rumänien.

Einerseits lasse sich das damit erklären, dass der Westen von eigenen lokalen Nachrichten überfüttert sei, erklärt Marachowskij: „Trump baut eine Wand, Mexiko protestiert, die Schießerei in der kanadischen Moschee, der Brexit-Gesetzentwurf in Großbritannien. Bei solchen Umständen hat man ja besseres zu tun, als sich mit Dutzenden Toten irgendwo am Rand der Welt zu konfrontieren.“

Andererseits fehle es auch an der sonst so üblichen Kritik: „Diese allgemeine Gleichgültigkeit ist übrigens nicht nur mein persönlicher Eindruck. The Guardian teilt zum Beispiel in einem Text, der dazu noch von einer eher zweitrangigen Bedeutung zu sein scheint, mit, dass das State Department dieses Mal keine Kritik gegen Russland oder die Separatisten übte — im Gegensatz zu den meisten seiner früheren Kommentare zu vergleichbaren Abläufen, als sich die Lage auf eine ähnliche Weise zuspitzte‘.“

Diese Gleichgültigkeit und der Schwund des Interesses könnte laut dem Experten das Anzeichen einer neuen Epoche sein:

„Auf globaler Ebene lässt sich diese neue Ära leicht beschreiben - das Zurückrudern der Globalisierung. Und etwas detaillierter bedeutet das Folgendes: Die supranationalen Eliten sind ins Wanken gekommen und in dem größten Mitgliedstaat des Projekts „Globaler Fukuyama“ (Francis Fukuyama prophezeite in seinem gleichnamigen Buch das Ende der Geschichte in einer finalen Form der amerikanischen Lebensart, Anm. d. Red.) begann zumindest vorübergehend die Negation der Versuches, auf dem ganzen Erdball die Herrschaft der liberalen Demokratie und freien Wirtschaft zu legitimieren, die keine Grenzen für Arbeitskräfte und Kapital kennt.“

Deshalb kehre man nun zurück zur Akkumulation des eigenen Potentials und der Behauptung der eigenen nationalen und nicht supranationalen Interessen, betont Marachowskij.

Und genau in diesem Moment, während das Brüssel-Washington-Magnetfeld kollabiere, hätten diejenigen Staaten die meisten Probleme zu verzeichnen, die außer ihrer mit ihnen verbundenen Rolle in der Globalisierung nichts zu bieten hätten. Mehrheitlich seien diese Länder einst auch nur dafür gegründet und unterstützt worden, um die Feinde des „Globalen Fukuyamas“ zu torpedieren.

Größtenteils hätten diese Länder, darunter auch alle postsowjetischen Staaten, mittlerweile ihre Dispositionsfähigkeit jedoch verloren: „Sie kultivierten nur eine absatzfähige Eigenschaft: ihre demonstrative Abhängigkeit aufzuzeigen, sich über die „russische Bedrohung“ zu beklagen sowie dem zur Schau getragenen „russischen Druck“ standzuhalten.“

Die Ukraine, die von Anfang an „zu russisch“ gewesen sei und zu lange dies zu beseitigen versuchte, sei in diesem Zusammenhang nun ein tragisches Beispiel dessen, wie man seinen Zug verpasse, so Marachowskij.

„Sie schaffte es noch, im letzten Moment in das anti-russische Lager aufzuspringen, als alle Boni schon verteilt gewesen sind. Der ukrainischen Elite gelang es nicht, in die Nato und EU einzulaufen — zu dem Augenblick, als die bekannten Geschehnisse auf dem Maidan in Kiew abliefen, waren diese beiden Strukturen schon überfüllt und hatten die ersten Systemfehler zu verzeichnen“, erklärt er.

Im Endeffekt sei das Einzige, was die Ukraine stattdessen nun an Aktiva besitze - Europas traditioneller historischer Antirussismus. „Man muss aber bedenken, dass das heutige Europa, gelinde gesagt, nicht derselbe aggressiv-koloniale Nabel der Welt ist, wie das vor 100 und 70 Jahren der Fall war. Es ist nicht mehr in der Lage, weder auf eigene Faust einen Krieg zu führen noch das Ruder der globalen Politik zu führen.“

Noch weniger sei es bereit, 35 Millionen Menschen aus einem Krisengebiet zu versorgen.

„Im Endeffekt haben wir ein ukrainisches Nichtrussland, das der erste Kandidat für die Rolle eines nicht betriebsnotwendigen Vermögens ist, der in schwierigen Zeiten wie ein überschüssiger Ballast abgeworfen werden kann“, so Marachowskij.

Die Gleichgültigkeit zur Ukraine und zu der Eskalation im Donbass sei ein Beweis dafür, dass die Ukraine bereits ausrangiert worden sei, schließt er.