Während US-amerikanische und afghanische Soldaten gegen die Taliban in der Provinz Helmand kämpfen, weist ein UN-Bericht einen neuen Höchststand an zivilen Opfern für 2016 aus. In Deutschland herrscht Uneinigkeit über die Rückführung afghanischer Flüchtlinge.

Kabul
© Reuters Reuters/Omar SobhaniDie Schuhe von Opfern eines Attentats in Kabul, Afghanistan, 23. Juli 2016.
In den letzten drei Tagen starben bei einer Offensive gegen die Taliban in der afghanischen Provinz Helmand 15 Zivilisten und 65 Taliban. Die Provinz Helmand ist als strategisch wichtige Provinz bekannt, da die dortige Opiumproduktion den Krieg der Taliban finanziert.


Der jüngste Bericht der UN über zivile Opferzahlen im konfliktgebeutelten Afghanistan und den Einfluss der Taliban, die über 65,6 Prozent des Landes herrschen, lässt nichts Gutes für das Jahr 2017 erwarten. Mit Beginn dieses Jahres wurde das mittlerweile 15. Jahr des jüngsten bewaffneten Konflikts in Afghanistan eingeläutet. Die Vereinten Nationen hatten die Geberländer gerade erst vor einer humanitären Katastrophe am Hindukusch gewarnt.

Der Bericht zu den Opferzahlen beginnt mit einer Aussage Tadamichi Yamamotos, des Stellvertretenden Sonderbeauftragten für politische Angelegenheiten der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan. Dieser verdeutlicht die Ausweglosigkeit im Land und die Wut über fehlende Lösungsansätze:
Dieser entsetzliche Konflikt zerstört Leben und zerreißt Gemeinden in jeder Ecke Afghanistans. Zum wirklichen Schutz von Zivilisten sind Engagement und konkrete Aktionen gefordert.
Die UN zählte innerhalb des vergangenen Jahres 11.418 zivile Opfer. Von diesen handelte es sich in 3.498 Fällen um Todesopfer sowie um 7.920 Verletzte. Dies entspricht einem dreiprozentigen Anstieg gegenüber 2015. Unter den Opfern waren auch 3.512 Kinder, deren Schicksal hätte abgewendet werden können, hätten afghanische Streitkräfte von ihnen hinterlassene Minen und Sprengsätze besser gekennzeichnet.

Deutschland hatte im Zuge der Flüchtlingskrise jüngst damit begonnen, Afghanen auszuweisen. Die SPD ist gegen eine Rückführung. Allgemein sind derzeit von Familien, Kinder und über 65-Jährige von einer Rückführung ausgenommen. An Bord der ersten Maschine mit abgeschobenen Afghanen Ende 2016 saßen nach Angaben der Bundesregierung lediglich allein reisende Männer, die in Deutschland zum Großteil auch straffällig geworden waren. Innerhalb Deutschlands gibt es aber keine einheitliche Linie der Bundesländer in Bezug auf Entscheidungen über afghanische Asylanträge. Hamburg bietet Familien 4.000 Euro für eine freiwillige Ausreise. Entgegen dem Willen der Kanzlerin setzten fünf SPD-geführte Bundesländer die Abschiebungen aufgrund der unsicheren Lage in Afghanistan aus.

Der Bericht macht auch eine Reihe selbstverständlich erscheinender Lösungsvorschläge, um Opferzahlen künftig zu reduzieren: Die Taliban und militante Gruppierungen sollten entwaffnet werden; Täter von Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gebracht; Frauen der Weg hin in eine sichere Zukunft gewährt werden; Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten vermieden etc.

Auch auf die Opfer von Luftangriffen weist der Bericht hin, ohne hier näher auf die Ursachen einzugehen.

Weiblichen Opfern widmete die UN-Publikation eine eigene Sparte. Hier gab es gegenüber 2015 einen 25-prozentigen Anstieg. Kürzlich rief die afghanische Regierung ihre weibliche Bevölkerung dazu auf, zu den Waffen zu greifen. Das Ziel der afghanischen Armee ist es, einen zehnprozentigen Anteil von Frauen an der Waffe zu erreichen. Derzeit sind es nur drei bis fünf Prozent. Doch dies ist nicht nur ein Signal des guten Willens zur Gleichberechtigung vonseiten der afghanischen Regierung, sondern auch eine Notwendigkeit für ein Land, von dem aus massenhaft junge Männer in der Fremde eine neue Zukunft suchen.

Die afghanischen Streitkräfte konnten jüngst in Helmand nach drei Tagen einen kleinen Erfolg verzeichnen und die Stadt Sangin zurückerobern. Den Nachschub an Taliban-Kämpfern konnten sie für eine kurze Zeit unterbinden.

Zeid Ra'ad Al Hussein, der UN-Beauftragter für Menschenrechte, wies in der UN-Veröffentlichung darauf hin, dass sich über die Misere hinaus nun auch ein Daesh-Ableger in Afghanistan gebildet hat. Dies bietet umso mehr einen düsteren Ausblick auf das neue Jahr.