Kriegsschauplatz Jemen USA
Washington plant eine Ausweitung seiner Unterstützung für die saudische Militärintervention im Jemen. Al-Qaida ist bisher der Nutznießer der saudischen Strategie. Der neue US-Präsident scheint voll auf die saudische Strategie einzusteigen und versteht den Jemen als Kriegsschauplatz gegen den Iran.

Die erste von Donald Trump als US-Präsident autorisierte Kommandoaktion von US-Spezialkräften sorgt weiter für politischen Wirbel in Washington. Bei dem am 29. Januar erfolgten Einsatz im Jemen, der sich gegen eine mutmaßliche Zentrale von Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP) richtete, kam auch ein Angehöriger der Navy SEALs ums Leben. Vier weitere US-Soldaten wurden verletzt und ein Hubschrauber zerstört. Die US-Soldaten töteten laut einer Stellungnahme des US-Zentralkommandos 14 angebliche Terroristen. Außerdem hätten sie wichtiges Material beschlagnahmt.

Bei dem Einsatz kamen "bedauerlicherweise auch zahlreiche Zivilisten ums Leben", wie das Pentagon Tage später eingestehen musste. Unter den Opfern befinden sich laut örtlichen Quellen mindestens acht Kinder und acht Frauen.

"Fast alles ging schief", kommentierte ein namentlich nicht genannter, ranghoher US-Militär den Einsatz gegenüber NBC News. Aus Militärkreisen heißt es zudem, die Operation habe insgeheim der Festnahme beziehungsweise Tötung des AQAP-Führers Kassim al-Rimi gegolten. Dieser verhöhnte Donald Trump anschließend in einer als authentisch eingestuften Audiobotschaft als "Idiot aus dem Weißen Haus".

Der so Geschmähte wertet die Mission öffentlich dennoch als Erfolg. Öffentliche Kritik an deren Ablauf, wie sie etwa Senator John McCain äußerte, verbittet sich der US-Präsident: "Das stärkt nur den Feind", ließ Trump per Tweet verlauten.

In den Augen von Karen Greenberg, der Direktorin des Zentrum für Nationale Sicherheit der Fordham Universität, wird die "Gewinner-Mission" (O-Ton Trump) jedoch langfristig AQAP nutzen. Sie bezeichnet den Einsatz als vermeintlichen Segen für al-Qaidas Propaganda.

Immerhin töteten die US-Militärs bei dem Einsatz auch die 8-jährige Nawar al-Awlaki. Deren Vater Anwar al-Awlaki landete als erster US-Bürger auf einer Tötungsliste der CIA. Im September 2011 tötete die CIA ihn mittels eines Drohneneinsatzes. Menschenrechtsorganisationen werteten das als erste außergerichtliche Hinrichtung eines US-Bürgers. Drei Wochen später brachten die Amerikaner auch al-Awlakis 16-jährigen Sohn Abdulrahman um, ebenfalls bei einem Drohneneinsatz.


Der Tod der nunmehr drei Familienmitglieder nütze Al-Qaidas Narrativ, denn er hinterlasse den Eindruck, dass es "nicht genug ist, Anwar al-Awlaki zu töten, die USA mussten seine gesamte Familie umbringen", gibt Greenberg zu Bedenken.

Militäraktionen, die den lokalen Kontext ignorieren und in hohen zivilen Verlusten resultieren, wie dies bei dem Kommandounternehmen der Fall war, das von der Trump-Regierung am 29. Januar genehmigt worden war, sind im Kampf gegen al-Qaida kontraproduktiv. So heißt es zumindest in einer zu Monatsbeginn veröffentlichten Analyse der International Crisis Group (ICG). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Einsatz bereits von der vorherigen Administration vorbereitet wurde. Aus operativen Gründen erteilte Präsident Obama diesem zum Ende seiner Amtszeit jedoch kein grünes Licht mehr. Das Militär wollte angeblich eine mondschwache Nacht abwarten, die aber erst in die Amtszeit von Trump fiel, berichtet die New York Times.

Kriegsgewinner Al-Qaida

Al-Qaida sei bisher der große Gewinner des Krieges im Jemen und heute weitaus stärker als jemals zuvor, so die ICG-Analyse, die daher als drängendste Anti-Terror-Maßnahme empfiehlt, den Konflikt schnellstmöglich am Verhandlungstisch zu beenden.

Ähnlich fällt das Fazit einer aktuellen Studie des Anti-Terror-Zentrums der US-Militärakademie in West Point aus. Die im März 2015 unter saudischer Führung und mit wesentlicher logistischer Unterstützung aus den USA begonnene Militärintervention namens Sturm der Entschlossenheit habe demnach das ideale operative Umfeld für Al-Qaida geschaffen.

Erklärtes Ziel der Militärkampagne ist es, die Regierung im Nordjemen zu stürzen. Dort hatte eine Koalition aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Parteien den von Saudi-Arabien unterstützen Übergangspräsidenten Hadi gestürzt. In saudischen Medien und im Westen werden die Revolutionären Komitees zumeist als "schiitische Huthi" bezeichnet. Saudi-Arabien versucht damit, seinen offenbar völkerrechtswidrigen Einsatz im Jemen als Religionskrieg gegen den schiitischen Iran zu verkaufen. Tatsächlich besteht die neue Regierung in Sanaa aus unterschiedlichsten Volksgruppen und Parteien, darunter die Revolutionären Komitees und die ehemalige Regierungspartei, der Allgemeine Volkskongress.

Das saudische Königshaus und die USA wollen ihren Statthalter, den Ex-Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi, wieder inthronisieren. Durch geschickte Bündnispolitik sei es AQAP den Analysten in West Point zufolge dabei gelungen, sunnitische Stämme auf seine Seite zu ziehen. Durch seine Strategie der "unsichtbaren Hand" ("al-yad al-makhfi") sei das Terrornetzwerk in der Lage, insgeheim Städte und Gebiete zu kontrollieren, die formal lokalen Stämmen unterstehen. Beispielhaft nennen die US-Analysten die Hafenstadt al-Mukalla, die AQAP ein Jahr lang offen beherrschte, bevor die Dschihadisten kampflos abzogen, um Truppen der Vereinigten Arabischen Emirate zu weichen.

Es sind vor allem AQAP-Kämpfer, die auf dem Boden an vorderster Front für die saudische Allianz die Kohlen aus dem Feuer holen. Die Terrormiliz sei immer stärker in das Gefüge der saudischen Invasionstruppen eingebettet, heißt es in auch in der ICG-Studie.


Kommentar: Eine Verbindung zwischen Saudi-Arabien und Terroristen ist wie Pech und Schwefel = Terror-Arabien.


Bereits im April vergangenen Jahres wies die International Business Times auf den Erfolg des Wirkens der "unsichtbaren Hand" hin. Geräuschlos, so schreibt das Blatt, regiere AQAP weite Landstriche durch Stellvertreterkräfte. Um die Bande zu sunnitischen Stämmen zu stärken, heirateten Al-Qaida-Mitglieder gezielt in prominente Familien ein.

Dank der von Riads Kriegskoalition herbeigeführten humanitären Katastrophe sei das Terrornetzwerk in der Lage, die Herzen und Köpfe der örtlichen Bevölkerung für sich zu gewinnen, so das US-Magazin, indem es soziale Hilfsleistungen bereitstellt.

Schon ein halbes Jahr zuvor kam die BBC nicht um die Feststellung umhin, dass die Dschihadisten von Luftschlägen „derselben Länder - Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten - die ihnen normalerweise feindlich gegenüber stehen“, unterstützt werden. Wobei die Zielauswahl für Luftangriffe in den Händen des US-Militärs liegt.

Faktisch agieren die saudisch geführte Koalition und AQAP im Jemen als Verbündete. Augenscheinlich wurde dies, als Riad im Sommer 2015 mit Abd al-Wahhab al-Humayqani einen Mann als Delegierten zu unter UN-Schirmherrschaft stehenden Friedensverhandlungen nach Genf schickte, der von US-Behörden als „globaler Terrorist“ eingestuft wird, der AQAP als Rekrutierer und Finanzier diene.

Grundsätzlich sei der Aufstieg des „militanten Islam“ im Jemen auf dessen „substantielle Finanzierung“ durch die Saudis während der letzten Jahrzehnte zurückzuführen, schreibt Julie Chernov Hwang vom Middle East Institute in ihrem 2012 erschienenen Buch Peaceful Islamist Mobilization in the Muslim World: What Went Right. Darin konstatiert sie das historische Interesse des wahhabitischen Königshauses an einem „schwachen und gespaltenen Jemen, über den es ein starken Einfluss ausüben kann“.

Die saudische Militärintervention, für die der frisch gekürte Bundespräsident Frank-Walther Steinmeier als Außenminister bereits sein „Verständnis“ geäußert hatte, steht dafür exemplarisch: Sie verhinderte eine kurz bevorstehende Einigung der verschiedenen politischen Fraktionen und Stämme des Landes über eine Machtteilung, die den Jemen zwar vor seiner Verwüstung durch die Luftschläge und dem fulminanten Aufstieg al-Qaidas bewahrt hätte, zugleich aber den saudischen Einfluss geschmälert hätte.

Washington auf Eskalationskurs

Um den weiteren Aufstieg al-Qaidas nicht zu befördern, so die aktuelle Empfehlung der International Crisis Group, müsse von der Sichtweise Abstand genommen werden, wonach es sich bei den Huthis um „iranische Stellvertreter handelt, die Teil einer 'schiitischen Agenda' in der Region sind“.

Während das saudische Königshaus dieses Narrativ bemüht, um im Westen und unter den Golfstaaten Verbündete zu finden, die einen wachsenden iranischen Einfluss in der Region fürchten, macht sich AQAP diese Sichtweise zu eigen, um sich sunnitischen Stämmen als Schutzmacht gegenüber iranischen Machtgelüsten und Teherans angeblichen Stellvertretern in Form der Huthis anzubieten.


Tatsächlich ist der Einfluss des persischen Landes im Jemen im Vergleich zu Saudi-Arabien verschwindend gering, wie selbst eine in Foreign Affairs veröffentlichte Auswertung von Telekommunikationsdaten ergab. Bei den Huthis handele es sich nicht um iranische Erfüllungsgehilfen, hatte selbst das Weiße Haus nach Beginn des „Sturms der Entschlossenheit“ erklärt.

Mit dem Einzug von Donald Trump ins Oval Office hat sich nun offenbar eine andere Sichtweise durchgesetzt. Um „Irans Stellvertreter in Jemen“ zu bekämpfen, erwäge seine Regierung die „Ausweitung von Drohneneinsätzen, die Entsendung von mehr Militärberatern und die Durchführung von mehr Kommandoaktionen“, berichtete Foreign Policy vor einer Woche unter Berufung auf Berater der Administration und Kongressmitarbeiter.

Innerhalb der neuen Regierung gebe es das Verlangen nach einem „sehr aggressiven“ Zurückdrängen Irans im Jemen, so ein auf Anonymität bestehender Berater von Trumps nationalem Sicherheitsteam. Die USA könnten sich „direkter am Kampf gegen die Huthis beteiligen“. Dabei hatte Trump in seiner Wahlkampagne den Kampf gegen al-Qaida und den „Islamischen Staat“ - und nicht gegen deren ärgste Widersacher - noch zur Priorität seiner Politik erhoben. Nun erklärte US-Verteidigungsminister James Mattis, Iran sei der „größte staatliche Sponsor des Terrorismus“.


Wie der britische Guardian berichtet, erwägt das Pentagon sogar die formale Einstufung Jemens als „Schlachtfeld“ des US-Militärs, um die „Durchführung von Operationen zu beschleunigen“. Diese Klassifizierung würde es ermöglichen, Kommandoaktionen wie die vom 29. Januar auch ohne präsidiale Genehmigung auszuführen.

Um den saudischen Krieg gegen den Jemen zu unterstützen, will das Weiße Haus laut einem Bericht der Washington Times Waffenlieferungen freigeben, die Obama nach wachsender öffentlicher Kritik angesichts des Ausmaßes der mit US-Rüstungsgütern im Jemen begangenen Kriegsverbrechen noch gestoppt hatte.

Wenn dessen Amtsnachfolger es Ernst meinte mit dem Kampf gegen al-Qaida, müsste er die Unterstützung für die saudische Intervention unverzüglich einstellen, in deren Windschatten das Terrornetzwerk gedeiht und blüht. Der 45. US-Präsident schickt sich allerdings an, den entgegen gesetzten Weg zu beschreiten. Dann dürfte AQAP-Führer Kassim al-Rimi seiner Beschreibung von Donald Trump als „Idiot im Weißen Haus“ noch ein Adjektiv hinzufügen können: Der nützliche Idiot im Weißen Haus.