Kinderheim in Torgau
© UnbekanntEhemaliger Jugendwerkhof in Torgau (Sachsen)

Eine neue Studie über die Situation von Berliner Heimkindern in den Nachkriegsjahrzehnten hat erstmals auch die ostdeutsche Heimpraxis mit beleuchtet. Der am Freitag in Berlin vorgestellte Bericht belegt einen in Ost- und West-Berlin gleichermaßen furchtbaren Heimalltag für viele Kinder. Prügel, Demütigungen, Missbrauch seien in vielen Heimen an der Tagesordnung gewesen, sagte Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) am Freitag bei der Vorstellung der Studie.

Erst Anfang Juli hatte der Bundestag sich dafür ausgesprochen, die geplante Entschädigungsregelung für misshandelte Heimkinder aus dem Westen Deutschlands auch auf ehemalige DDR-Heimkinder zu übertragen. Ein Runder Tisch hatte sich 2010 auf die Einrichtung einer Stiftung verständigt, die von Bund, Ländern und Kirchen getragen wird und die mit 120 Millionen Euro ausgestattet sein wird. Das Geld soll an Hunderttausende früherer Heimkinder fließen, die bis in die 70er-Jahre hinein misshandelt wurden.

Lange verdrängtes Kapitel DDR-Geschichte

Die 250 Seiten starke Untersuchung enthält zum Teil erschütternde Biografien und untersucht zugleich auch die verschiedenen Heimstrukturen in der geteilten Stadt. Das Ergebnis: Trotz völlig unterschiedlicher politischer Systeme und Erziehungsideale wirkten in beiden deutschen Staaten die oft unmenschlichen Fürsorge-Grundsätze des späten 19. Jahrhunderts gleichermaßen nach.

Insgesamt soll es in dem Untersuchungszeitraum etwa 800.000 Heimkinder in Westdeutschland (1945 bis 1975) und 120.000 Heimkinder in der DDR (1945 bis 1989) gegeben haben. Zwar haben längst nicht alle Kinder Leid und Unrecht erlebt. Im Unterschied zum Westen ist das lange verdrängte Kapitel DDR-Geschichte aber erst bruchstückhaft aufgearbeitet.