Kristall
© Moskauer Physisch-Technischen Institut in Dolgoprudny
Russische Physiker haben die Existenz ungewöhnlicher Kristalle vorhergesagt, in denen Lichtstrahlen verschiedener Wellenlängen unterschiedlich brechen werden, was effektivere Systeme für die Datenübertragung und neue Elemente von Lichtcomputern schaffen lassen würde, heißt es in einem Artikel in der Zeitschrift „Optica“.

„In der Tat wurde über eine mögliche Existenz zahlreicher optischer Achsen in periodischen transparenten Strukturen bereits Mitte des 20. Jh. geschrieben, beispielsweise durch unseren Nobelpreisträger Vitali Ginsburg. Doch in natürlichen Kristallen sind solche Effekte wegen der kleinen Periode unmöglich, und damals gab es keine Technologien zur Herstellung von qualitativen Verbundstoffen“, sagt Alexej Schtscherbakow vom Moskauer Physisch-Technischen Institut in Dolgoprudny.

Schtscherbakow und seine Kollegen arbeiten seit langem an der Schaffung von Algorithmen, die die Berechnung der optischen Eigenschaften verschiedener künstlicher Kristalle und Strukturen, die aus Stückchen verschiedener Materialien bestehen, ermöglichen würde, wobei die Kapazitäten von Computer-Videokarten genutzt werden. Sein Team entwickelte vor kurzem ein Programm, mit dem die Eigenschaften optischer Bestandteile von Kommunikationsmitteln und Lichtcomputern der Zukunft schnell und präzise berechnet werden können.

In ihrer neuen Arbeit haben Schtscherbakow und der Student Andrej Uschkow einen Teil dieser Algorithmen zur Erforschung der Eigenschaften von Materialien genutzt, der so genannten doppelbrechenden Kristalle - Strukturen, die den Lichtstrahl in zwei Hälften spalten. Die Bahn des Lichtstrahls hängt bei der Bewegung durch diese Objekte von seiner Polarisierung ab - nichtpolarisiertes Licht wird störungsfrei durchgehen, polarisierte Wellen werden auf besondere Weise brechen.

Solche Kristalle werden heute von Physikern aktiv bei der Schaffung von Quellen verschränkter Photonen für Systeme der Quantenkryptografie genutzt. Einige Fischarten haben solche Strukturen zur Tarnung vor Räubern „entdeckt“, die über ihnen und unter ihnen schwimmen. Laut dem Pressedienst der Hochschule konnten solche Kristalle bereits von den Wikingern zur Suche nach der Sonne hinter den Wolken genutzt werden.

Analoga solcher Strukturen können Wissenschaftlern zufolge unter Verwendung von Metamaterialien und Photonenkristallen entwickelt werden - Konstruktionen aus mehreren Teilchen transparenter und nichttransparenter Materialien, deren Kombination über äußerst ungewöhnliche optische Eigenschaften verfügen wird. Die Berechnungen Schtscherbakows und Uschkows zeigen, dass es auch Kristalle gibt, die eine Art verlorenes Kettenglied der Evolution zwischen gewöhnlichen Kristallen mit klassischen optischen Eigenschaften und Metamaterialien sind.

Solche Komposit-Kristalle bestehen Wissenschaftlern zufolge aus äußerst kleinen Teilchen von Materialien mit ähnlichen optischen Eigenschaften, deren Kombination unter bestimmten Bedingungen Effekte verursacht, die es in der Natur nicht gibt. In solchen Kristallen entstehen beispielsweise „überflüssige“ optische Achsen (bis zu zehn Achsen statt zwei wie in doppelbrechenden natürlichen Kristallen), wobei die Richtung der Lichtbrechung von der Wellenlänge abhängen wird.

Bislang wurden sie in der Praxis nicht entwickelt, doch die heute existierenden Technologien ermöglichen im Prinzip die Schaffung solcher Kristalle. Falls die Physiker es schaffen, sie zu bekommen, könnten sie neue Typen optischer Geräte für Mikroelektronik und Systeme zur Datenübertragung entwickeln, die die Polarisierung der Lichtwellen steuern.