Fortbewegung Gravitationswellen Quasar
© NASA/ESA, M. Chiaberge (STScI and JHU) Nicht in der Mitte: Der helle Quasar 3C 186 liegt seitlich versetzt in seiner Galaxie und rast schnell vom Zentrum weg. Möglicherweise sind daran Gravitationswellen schuld.
Kraft von 100 Millionen Supernovas: Gravitationswellen können enorme Kraft entfalten - und sogar massereiche Schwarze Löcher durch das All schleudern. Einen ersten Fall dieser Art könnten Astronomen nun in einer acht Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie entdeckt haben. Dort wurde ein Milliarden Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch aus dem Galaxienzentrum herauskatapultiert - möglicherweise durch den Rückstoß asymmetrischer Gravitationswellen.

Seit Februar 2016 ist bewiesen, dass es die ein Einstein vorausgesagten Gravitationswellen wirklich gibt. Die wellenförmigen Schwingungen der Raumzeit entstehen, wenn massereiche Objekte wechselwirken oder abrupt beschleunigt werden - beispielsweise bei der Kollision von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen. Bisher allerdings wurden die Wellen nur bei der Verschmelzung stellarer Schwarzer Löcher registriert.

Was jedoch passieren kann, wenn die supermassereichen Schwarzen Löcher im Herzen von Galaxien miteinander kollidieren und Verschmelzen, demonstriert nun eine Beobachtung von Marco Chiaberge vom Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore und seinen Kollegen. "Als ich das sah, war mir klar, dass hier etwas sehr Merkwürdiges vorgeht", berichtet der Astronom.

Aus dem Zentrum geschubst

Der Auslöser des Rätselratens war der rund acht Milliarden Lichtjahre entfernte Quasar 3C 186 - ein stark strahlendes, quasistellares Objekt. Sie entstehen, wenn die massereichen Schwarzen Löcher im Zentrum aktiver Galaxien Materie einsaugen und dadurch enorme Mengen Strahlung freisetzen. Doch in diesem Falle lag der Quasar seltsamerweise nicht in der Mitte der Galaxie, sondern seitlich versetzt. "Das ist sehr ungewöhnlich", sagt Chiaberge.

Zwar wurden bisher schon wandernde Schwarze Löcher entdeckt, darunter sogar in der Milchstraße. Dabei handelte es sich jedoch meist um eher massearme stellare oder die sehr seltenen intermediären Schwarzen Löcher. Quasar 3C 186 jedoch umfasst rund eine Milliarde Sonnenmassen - und ist damit ein echter Gigant.

Mit 7,5 Millionen Kilometer pro Stunde

Doch die Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop, dem Chandra Röntgen-Teleskop und erdbasierten Teleskopen ergaben alle das gleiche Bild: Das massereiche Schwarze Loch dieser Galaxie lag rund 35.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt. Diese Entfernung entspricht mehr als dem Abstand von der Sonne zum Zentrum unserer Milchstraße, wie die Astronomen erklären.

Und nicht nur das: Das Schwarze Loch ist offenbar noch immer in Bewegung: "Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass sich das Gas rund um das Schwarze Loch mit 7,5 Millionen Kilometer pro Stunde vom galaktischen Zentrum entfernt", berichtet Chiaberges Kollege Justin Ely. In diesem Tempo würde der Schwerkraftgigant die Strecke von der Erde zum Mond in nur drei Minuten zurücklegen.

Verschmelzung schwarzer Löcher
© NASA/ESA, A. Feild (STScI)Zwei Galaxien mit ihren zentralen Schwarze Löchern nähern sich an und verschmelzen (1-3). Weil Rotation und Masse beider Schwarzer Löcher verschieden ist, ist die Energie der Gravitatiosnwellen asymmetrisch. Nach erfolgter Verschmelzung kommt es daher zum Rückstoß in Richtung der schwächeren Wellen.
Wer war der Täter?

Doch was hat dieses enorme Schwarze Loch aus seiner angestammten Position katapultiert? Um 3C 186 so auf Tempo zu bringen, wäre immerhin die Energie von 100 Millionen Supernova-Explosionen nötig. Eine mögliche Ursache wäre ein zweites, verborgenes Schwarzes Loch im Herzen der Galaxie, das den Quasar wegegeschleudert hat. Doch dessen Präsenz schließen die Astronomen aufgrund ihrer Daten aus. Zudem sei dafür das Tempo des Quasars zu hoch.

Die Astronomen halten ein anderes Szenario für wahrscheinlicher: die Wirkung starker, asymmetrischer Gravitationswellen, wie sie bei manchen Galaxienkollisionen verursacht werden. Tatsächlich entdeckten die Forscher im Außenbereich der Galaxie schwache, bogenförmig ausgezogene Stern- und Gasschweife, die auf eine Kollision vor rund fünf Millionen Jahren hindeuten könnten.

Rückstoß durch einseitige Wellen

Wenn bei einer solchen Kollision die beiden zentralen Schwarzen Löcher verschmelzen, setzt dies Gravitationswellen frei. Sind dabei jedoch Masse und Rotationsrate der beiden Galaxienkerne sehr verschieden, dann können die Gravitationswellen sehr asymmetrisch sein - ein Großteil von ihnen geht in nur eine Richtung, wie die Forscher erklären.

Ist dann die Verschmelzung abgeschlossen und die Wellenfreisetzung stoppt, dann kommt es zu einer Art Rückstoß: "Die anisotropische Emission der Gravitationswellen erzeugt einen Stoß, der das verschmolzene supermassereiche Schwarze Loch aus der Zentralregion der Galaxie katapultiert", erklären Chiaberge und seine Kollegen.

Dieser Rückstoß-Effekt durch asymmetrische Gravitationswellen ist in der Theorie schon länger bekannt, wurde aber bisher noch nie im Kosmos beobachtet. "Eine Reihe zukünftiger Beobachtungen von 3C 18 sollten nun die Eigenschaften dieser spannenden Strahlungsquelle näher erforschen und so das vorgeschlagene Szenario eines Gravitationswellen-Rückstoßes überprüfen", sagen Chiaberge und seine Kollegen.

Sollte sich ihr Szenario bestätigen, wäre dies nicht nur die erste direkte Beobachtung dieses Phänomens, es könnte auch wertvolle Informationen für die Gravitationswellen-Forschung liefern.

(Astronomy & Astrophysics, in press) (Space Telescope Science Institute, 27.03.2017 - NPO)