Säbelzahnschleimfisch
© Brian FryIm Gift von Meiacanthus grammistes haben Forscher schmerzlindernde Komponenten entdeckt.

Sedierung statt Schmerz: Das Gift von Säbelzahnschleimfischen überrascht mit einer erstaunlichen Wirkung. Es löst nicht wie viele andere Gifte Schmerzen aus - sondern bewirkt genau das Gegenteil. Denn in dem gefährlichen Cocktail der Fische sind Opioide enthalten. Diese wirken wie Morphin oder Heroin und setzen gebissene Opfer förmlich unter Drogen. Vor den so außer Gefecht gesetzten Feinden könne der Fisch dann leicht flüchten, berichten die Forscher.


Ob Spinnen, Pfeilgiftfrösche, Tintenfische oder Schlangen: Es gibt viele Tiere auf der Erde, die gefährliche Giftmischer sind. Sie alle verfügen über außergewöhnliche Strategien, um ihren Opfern brisante Cocktails zu verabreichen. Feinde werden auf diese Weise ebenso ausgeschaltet wie schmackhafte Beute - die Toxine sind damit eine effektvolle Waffe, mit der der Kampf ums Dasein schon halb gewonnen ist.

Die Evolution hat im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Methoden innerhalb dieses Rüstungswettstreits hervorgebracht: Manche Arten schießen heute mit Harpunen, andere tragen ihre Toxine auf der Haut oder injizieren Mixturen mithilfe von Stacheln oder Zähnen. So auch die Säbelzahnschleimfische aus der Gattung Meiacanthus. Sie mögen zwar klein sein, doch die mit ihren Eckzähnen im Unterkiefer verbundenen Giftdrüsen haben es in sich. Potenzielle Fressfeinde sollten das oft auffällige Warnkleid der im Pazifik heimischen Tierchen daher besser ernst nehmen.

Einzigartiger Cocktail

Nicholas Casewell von der Liverpool School of Tropical Medicine und seine Kollegen haben die Verteidigungsstrategie der Säbelzahnschleimfische nun genauer untersucht. Sie wollten wissen, welche Zutaten ihr gefährlicher Cocktail enthält und vor allem: wie er wirkt. Zu diesem Zweck analysierten die Forscher Giftproben der Arten Meiacanthus grammistes und Meiacanthus atrodorsalis.

Das Ergebnis: Die kleinen Fische nutzen giftige Bestandteile, die sich andere Tiere ebenfalls zunutze machen. Zum einen fanden die Wissenschaftler ein Nervengift, das im Gift von Kegelschnecken vorkommt und zu einem plötzlichen Abfall des Blutdrucks führt. Zum anderen entdeckten sie ein im Gift von Skorpionen enthaltenes Enzym. Die Waffe der Fische enthält jedoch noch eine dritte Komponente - und die ist den Forschern zufolge eher ungewöhnlich. Es handelt sich dabei um ein Opioid-ähnliches Peptid.

Morphinähnliche Wirkung

Dieser Inhaltsstoff könnte auch die erstaunliche Wirkung des Cocktails erklären. Denn als Casewell und seine Kollegen das Gift an Mäusen testeten, reagierten diese ganz anders, als nach einem Giftbiss zu erwarten gewesen wäre: Die Tiere zeigten keinerlei Anzeichen von Schmerzen. "Dass das Gift offenbar keine Qualen herbeiführt, war eine ziemliche Überraschung", sagt Mitautor Bryan Fry von der University of Queensland. "Denn andere Fische wie zum Beispiel der Stachelrochen nutzen ihr Gift in der Regel, um Schmerzen zu verursachen."

Die Säbelzahnschleimfische aber lenken ihre Opfer nicht durch Schmerzen ab - sie benebeln deren Sinne auf eine subtilere Weise. Gewissermaßen setzten sie ihre Feinde unter Drogen, berichtet Fry: "Die Opioide wirken wie Heroin oder Morphin. Sie dämmen Schmerzen ein, anstatt sie zu verursachen."

Gleichzeitig wirken die Stoffe sedierend und können zumindest bei Säugetieren Übelkeit und Schwindelgefühle verursachen. In Kombination mit dem plötzlichen Blutdruckabfall, den die erste Komponente auslöst, ergibt sich eine effektive Mischung. Das Opfer bleibt schwindlig im Kopf und womöglich orientierungslos zurück, seine Bewegungen werden langsamer und es gibt seine Beute wieder frei. "Das gibt dem Säbelzahnschleimfisch die Gelegenheit, vor dem Feind zu flüchten", sagt Fry.

Schlaue Nachahmer

Für ihre Studie untersuchten Casewell und seine Kollegen auch, wie sich die effektvolle Waffe der Meiacanthus im Laufe der Evolution der Säbelzahnschleimfische entwickelt hat. Denn die Arten dieser Gattung sind die einzig giftigen in dieser insgesamt fünf Gattungen umfassenden Gruppe von Fischen.

Von Vergleichen zwischen unterschiedlichen Spezies von Säbelzahnschleimfischen und verwandten Arten schließen die Forscher, dass sich die charakteristischen Eckzähne der Fische vor den Giftdrüsen entwickelt haben: "Das ist ungewöhnlich. Bei Schlangen zum Beispiel ist zunächst eine Form der Giftsekretion entstanden. Dann erst kam der passende Verabreichungsmechanismus hinzu", sagt Casewell.

Der Blick in den Stammbaum der Säbelzahnschleimfische zeigte zudem: Im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Gruppe haben sich viele Arten entwickelt, die sich die Giftigkeit ihrer Verwandten zunutze machen. Diese Spezies sind zwar selbst nicht giftig. Sie tun aber so als ob. Die Fische ahmen die Farbe und Musterung der Giftlinge nach - und schrecken auf diese Weise Feinde ab, die schon einmal schlechte Erfahrungen mit den giftigen Tieren gemacht haben. Auch andere Fische aus der Familie der Schleimfische ahmen teilweise die giftigen Säbelzahnschleimfische nach.

Rezept für Schmerzmittel?

In Zukunft wollen die Forscher die Verteidigungsstrategien der kleinen Fische weiter untersuchen und dabei auch das Gift weiterer Säbelzahnschleimfisch-Arten eingehender analysieren. Womöglich ergeben sich daraus eines Tages sogar Erkenntnisse für die Medizin: "Diese Studie ist ein gutes Beispiel dafür, warum wir die Natur schützen müssen: Wenn wir Ökosysteme wie das Great Barrier Reef verlieren, verschwinden damit auch Tiere wie die Säbelzahnschleimfische, deren Gift vielleicht die Rezeptur für das nächste innovative Schmerzmittel bereithalten könnte", schließt Fry. (Current Biology, 2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.02.067)

Cell Press/ University of Queensland, 31.03.2017 - DAL