Nach dem Mord an Käthe H. herrscht Fassungslosigkeit im Ort. Der tatverdächtige Ehemann galt als Rüpel, hatte bereits mehrere Anzeigen.
polizei
© dpaEinsatz für die Spurensicherung nach dem grausamen Mord in Nindorf

Nindorf. Der grausame Mord von Nindorf ist für die Menschen schwer zu begreifen. Vor dem gelben Backsteinhaus von Käthe und Otto H. herrscht gespenstische Ruhe. Nur die Ermittler der Polizei sind vor Ort, um ihrer Arbeit nachzugehen. Dazu gesellen sich Kamerateams, um über den unvorstellbaren Mord zu berichten. In dem gepflegten Wohnviertel gibt es - anders als nach vielen anderen Morden - vor dem Haus des Opfers keine Blumen, keine Kerzen zum Andenken an die vermutlich von ihrem Mann ermordete Rentnerin.

Das Dorf stehe, so sagen die Bürger, unter Schock. Der Mord ist vor allem bei den älteren Bürgern in Nindorf derzeit Gesprächsthema. Viele von ihnen hatten nach eigenen Angaben sogar Angst, nach draußen zu gehen, solange der Täter nicht gefasst war, und während Polizei und Feuerwehr die einzelnen Teile der zerstückelten Leiche suchten.

Unterdessen hat die Polizei die Spurensicherung im Haus des Paares abgeschlossen. Auch die Garage und das Auto nahmen die Kriminalspezialisten unter die Lupe. Ob sie Blutspuren fanden, wollte ein Polizeisprecher am Dienstag nicht sagen. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Rentner die Leichenteile mit dem Wagen an mehrere Orte gebracht und angezündet hat. Mit Leichenspürhunden suchte die Polizei am Dienstag noch nach den fehlenden Unterschenkeln des 79 Jahre alten Opfers.

Rückblende: Am Freitag soll das ehemalige SPD-Ratsmitglied der Gemeinde Beckdorf, der 78-jährige Otto H., seine 79-jährige Frau in ihrem Nindorfer Einfamilienhaus zunächst getötet und anschließend zerstückelt haben. Die Körperteile soll er danach an mehreren Feldwegen, an Waldrändern und an einer Kiesgrube im Umkreis von etwa fünf Kilometern verteilt und angezündet haben. Gestern Morgen hat eine Spaziergängerin die Arme des zerstückelten Opfers gefunden. Sie lagen an der Landesstraße 127 zwischen Apensen und Kammerbusch etwa 300 Meter hinter Revenahe. Auch diese Körperteile waren wie andere Teile des Leichnams angezündet worden. Die Unterschenkel und Füße des Opfers werden immer noch vermisst.

Dennoch gibt es ein gewisses Aufatmen bei den Bürgern, jetzt, da der mutmaßliche Täter verhaftet worden ist. "Meine Mutter ist 70 Jahre alt. Sie und ihre Freundinnen haben sich nicht mehr zu ihren Radtouren getroffen, als die Polizei mit Hochdruck fahndete. Zu groß war ihre Angst, bei einer Tour auch auf Leichenteile in Plastiktüten zu stoßen, oder gar dem Täter zu begegnen", sagt Karsten Lemke aus Goldbeck. Dass nun der mutmaßliche Mörder gefasst sei, habe die Frauen beruhigt. Trotz dieser positiven Entwicklung wollen viele im Ort über das Geschehene reden, um es verarbeiten zu können. "Ich hatte am Sonntag beim Gottesdienst mehrere Gespräche mit den Bürgern zu dem Thema", bestätigt der Apenser Pastor Christoph Schoon. Viele Bürger seien noch verstört. Am kommenden Sonntag will Schoon daher einen Gottesdienst am Litberg halten.

Dass die Dorfgemeinschaft von dem grausamen Mord dauerhaft erschüttert wird, sei laut dem stellvertretenden Beckdorfer Ortsbürgermeister Peter Wiechern wohl nicht zu erwarten. "Das normale Dorfleben wird sicherlich bald zurückkehren. Wir müssen jetzt alle zusammenhalten", sagt Wiechern. Dennoch sei der Vorfall eine unglaubliche Tragödie für alle. Das findet auch Pastor Schoon. "Wir sind natürlich alle schockiert, denn so etwas beängstigendes gab es hier bisher noch nicht", so der Geistliche.

Otto H., galt im Ort als Sonderling. Einst hatte er im Obstbau gelernt, dann sei er bei der Buxtehuder Firma Elida Gibbs tätig gewesen. Seit 40 Jahren lebte H. in Nindorf, doch in das Dorfleben habe er sich nie richtig integrieren können. Wiechern glaubt, dass er sich auch gar nicht integrieren wollte.

Otto H. habe immer unter starken Stimmungsschwankungen gelitten. "Seine Stimmung ist manchmal unvermittelt innerhalb von Minuten umgeschlagen", sagt der Beckdorfer. Die Stimmungsschwankungen seien mit zunehmendem Alter immer stärker geworden und ein Grund, weshalb sich viele Bürger im Dorf in den letzten Jahren von dem Ehepaar zurückgehalten hätten. Die ermordete Ehefrau Käthe sei, so Wiechern, freundlich gewesen. Soziale Kontakte habe sie aber kaum aufbauen können, da ihr Ehemann sie zunehmend in dem Haus eingeschlossen habe. "Es gab zuletzt mehrere Anzeichen dafür, dass mit dem Mann irgendwas nicht richtig war", sagt Wiechern. So soll Otto H. etwa ohne Grund versucht haben, Wicherns Sohn mit seinem Auto umzufahren, als dieser vom Pflügen kam. "Der musste sich damals wohl wegen irgend etwas abreagieren", so der Beckdorfer.

Der festgenommene Nindorfer ist der Polizei seit vielen Jahren bekannt. Gegen ihn lagen unter anderem wegen wiederholten Anpöbelns von Kindern und Hausfriedensbruchs mehrfach Anzeigen vor. Otto H. wurde am Sonntag in seinem Haus festgenommen. Dem Amtsgericht Stade reichten die von der Polizei vorgelegten Indizien dafür aus, um einen Untersuchungshaftbefehl wegen Mordes zu erlassen. Otto H. wurde anschließend in eine niedersächsische Haftanstalt eingeliefert, in der er nun in Untersuchungshaft sitzt. Die Stader Staatsanwaltschaft bereitet nun gegen den dringend tatverdächtigen Mann eine Anklage wegen Mordes vor. Der genaue Zeitpunkt der Tat steht derweil noch nicht fest. Er muss von der Gerichtsmedizin in Hamburg anhand der Brandspuren an den Leichenteilen rekonstruiert werden.

Die Polizei hatte am Sonntag bei einer Hausdurchsuchung Beweismaterial gefunden, das den Verdacht erhärtet, dass der Otto H. seine Frau umgebracht hat. Otto H. habe laut Polizeisprecher Rainer Bohmbach bei seiner Festnahme sehr überrascht gewirkt. Der Rentner hatte bestritten, für die grausige Tat verantwortlich zu sein. Seither schweigt er zu den Vorwürfen.

Mit Material von dpa