Überraschung vor dem AfD-Bundestreffen: Per Videobotschaft wendet sich Frontfrau Frauke Petry an die Basis und erklärt ihren Verzicht auf eine Spitzenkandidatur. Doch ihre Gegner haben noch längst nicht freie Bahn.
frauke petry
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Etwas mehr als zwölf Minuten dauert das Video, in dem sich die AfD-Vorsitzende an diesem Mittwochnachmittag über ihre Facebook-Seite persönlich an die Parteimitglieder richtet. Frauke Petry wirkt müde, und sie verkündet, was bis vor Kurzem noch im Kosmos der rechtspopulistischen Partei undenkbar schien: ihren Verzicht auf eine Spitzenkandidatur für die anstehende Bundestagswahl. Weder allein noch im Team stehe sie dafür zur Verfügung, erklärt sie, "um allen Spekulationen diesbezüglich ein Ende zu bereiten".

Es ist eine kleine Bombe, die Petry da platzen lässt, wenige Tage vor dem entscheidenden Bundesparteitag am Samstag und Sonntag in Köln. Die AfD-Chefin stellt nunmehr ihre Widersacher vor die Aufgabe, selbst ein Team zu bilden.

Zwar ist der Bundesparteitag theoretisch nicht daran gebunden, die Partei könnte immer noch mit einer einzigen Spitzenperson in den Bundestagswahlkampf ziehen. Doch werden sich die härtesten innerparteilichen Gegner Petrys - Parteivize Alexander Gauland und Co-Parteichef Jörg Meuthen sowie der Rechtsausleger Björn Höcke - hüten, an der Basis vorbeizuoperieren.

Petry fordert einen Preis

Ihre Macht ist in den vergangenen Wochen zwar gewachsen, aber bei Weitem nicht so stark, dass sie den Durchmarsch wagen würden. Zumal sie argumentativ in der Klemme wären: Schließlich waren gerade sie es, die in den vergangenen Monaten versuchten, die Parteichefin in ein Team einzubinden und so ein Stück weit kaltzustellen. Erst Anfang Februar hatten sich die Mitglieder in einer Onlinebefragung für eine Teamlösung ausgesprochen.

Nun hat sich die hochschwangere Petry, die noch vor dem Sommer ihr fünftes Kind erwartet, selbst aus dem Rennen genommen - allerdings will sie dafür offenbar einen Preis. Im Video wirbt sie dafür, dass der Parteitag ihren "Zukunftsantrag" unterstützt, mit dem sie die AfD auf einen "realpolitischen" Kurs zwingen und in den kommenden Jahren auch koalitionsfähig machen will.

Das Papier war schon in seiner Entstehung in der AfD umstritten, in einer Schlussversion war sogar ein Angriff auf ihren Vize Alexander Gauland enthalten, was viele in der Führung empörte. Nun ist Petry bereit, wie sie in ihrer Botschaft einräumt, Änderungen zuzulassen. Es ist der Versuch, auf die brodelnde Stimmung einzugehen.

Kampfansage an die Widersacher

Dennoch bleibt ihr Antrag im Kern eine Kampfansage an Gauland und Höcke. Gegen den Rechtsausleger hatte eine Mehrheit im Bundesvorstand kürzlich ein Ausschlussverfahren eingeleitet - mit Unterstützung Petrys. Im Kampf gegen Höckes Dresdner Rede, in der dieser das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein "Denkmal der Schande" genannt und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" gefordert hatte, sah Petry auch eine Chance, dessen Verteidiger Gauland zu isolieren.

Doch die Rechnungen gehen nicht auf, Petry hat sich diesmal gründlich verschätzt. Das Verfahren gegen Höcke droht zu scheitern, den Delegierten liegt auf dem Kölner Bundestreffen ein Antrag aus dem Landesverband Bremen vor, der die Rücknahme des Ausschlussverfahrens fordert. Er hat gute Chancen, angenommen zu werden.

Opfer des eigenen Machtanspruchs

Petry malt in ihrer Videobotschaft ein düsteres Szenario, sollte die Partei sich für den Kurs einer Fundamentalopposition entscheiden. Namen nannte sich nicht, aber jeder in der Partei weiß, wen sie meint: Gauland und Höcke. Die AfD-Landeschefs aus Brandenburg und aus Thüringen befürchten ihrerseits, Petry bereite eine schleichende Anpassung an die von der AfD in diffamierender Weise so bezeichneten "Systemparteien" vor.

In dem andauernden Machtkampf vermischen sich persönliche und politische Ambitionen beider Lager. Denn auch Petry, die sich nun als scheinbar bürgerliche Stimme der Partei anbietet, hat in der Vergangenheit mit rechtsextremem Vokabular geflirtet - etwa, als sie den unter den Nazis gebrauchten Begriff des "Völkischen" zu rehabilitieren versuchte.

Es geht in der AfD also nicht nur um die Frage, wie rechts die Partei künftig sein soll. Die Vorsitzende ist nun vielmehr Opfer ihres eigenen Machtanspruchs geworden. Viele, die ihr bis vor Kurzem noch nahestanden, sind von ihr abgerückt. Ihre Kritiker werfen ihr seit Langem vor, die Partei wie ihr privates Eigentum zu benutzen, sich nicht an Absprachen zu halten und selbst Weggefährten zu vergrätzen.

Petry hat sich nicht zuletzt an der Seite ihres neuen Ehemannes Marcus Pretzell, AfD-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, in eine Wagenburg-Mentalität geflüchtet, in der die Zahl der Gegner in den vergangenen Monaten ständig wuchs.

Die Ironie der Geschichte: Ähnlich lautete die parteiinterne Kritik, als noch Bernd Lucke die Partei in der Gründungsphase leitete, zusammen mit zwei Kollegen - eine davon war Petry. Im Frühjahr 2015 stürzte sie ihn auf dem Mitglieder-Parteitag in Essen, Lucke verließ bald die Partei.

Auf ihre Kandidatur hat Petry verzichtet - auf den Bundestag dagegen nicht. In Sachsen führt sie weiterhin die AfD-Landesliste an. Dennoch lautet heute die spannende Frage: Wie lange bleibt Frauke Petry überhaupt noch in der AfD?