Die AfD hat heute in Köln ihr Programm für die Bundestagswahl verabschiedet und die Spitzenkandidaten vorgestellt. In den Wahlkampf zieht die Partei mit Gauland und Weidel. Auf dem zweitägigen Bundesparteitag hatte sich zunächst ein Trend gegen den „realpolitischen“ Kurs der Vorsitzenden Petry abgezeichnet, der sich auch im Programm wiederfindet. Eine Vielzahl von Themen wie Bildung, Biogasanlagen und Mehrwertsteuer wurden diskutiert.
Alexander Gauland Alice Weidel
Die AfD zieht mit Alexander Gauland und Alice Weidel an der Spitze in den Bundestagswahlkampf
Die AfD zieht mit dem stellvertretenden Parteichef Alexander Gauland und Vorstandsmitglied Alice Weidel als Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf. Knapp 68 Prozent der Delegierten hatten für das Duo gestimmt. Schon vor dem Parteitag hatten sich mehrere Parteistimmen für ein „Spitzenteam“ zur Bundestagswahl ausgesprochen, um damit eine zu dominante Einzelspitze zu verhindern.

Parteivize Alexander Gauland ist Ehrenvorsitzender der AfD in Brandenburg auf Lebenszeit, steht hinter Björn Höcke und sah die Forderung von Frauke Petry, stärker in die Mitte zu rücken, als nicht gerechtfertigt an. Er ging gestärkt aus ihrer Ankündigung am vergangenen Mittwoch hervor, dass sie nicht als Spitzenkandidatin zur Verfügung stehe.

Gauland zählt zu den Unterstützern des Thüringer Parteichefs Björn Höcke. Petry hatte nach dessen umstrittener Rede im Januar ein Parteiausschlussverfahren in Gang gesetzt, das Gauland ablehnt. Höcke selbst war nicht auf dem Parteitag, wegen seiner Januar-Rede hatte er im Maritim Hausverbot. Der Thüringer Landeschef hatte sich damals abwertend über das Holocaust-Mahnmal geäußert. Zudem werfen Kritiker ihm vor, keinen klaren Trennungsstrich zur rechtsextremen NPD zu ziehen. Gauland weist Vorwürfe zurück, in der AfD gebe rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen. Er gilt als einer der einflussreichsten Politiker in der Partei. Nach der Wahl versuchte er, eine Brücke zu Petry zu bauen und betonte, dass man sie sie in der Partei brauche.

Das baden-württembergischen Vorstandsmitglied Alice Weidel wurde lange Zeit dem Petry-Lager zugerechnet und wird den Wirtschaftsliberalen zugerechnet. Sie war unter anderem für Goldman Sachs und Allianz Global Investors Europe in Frankfurt tätig. In der Frage des Umgangs mit der Euro-Krise geriet sie jedoch mit Parteichef Jörg Meuthen aneinander.

Laut Reuters schirme Weidel ihr Privatleben von der Öffentlichkeit ab, da sie mit einer Lebenspartnerin am Bodensee zusammenlebe, was in starkem Kontrast zum Parteiprogramm steht. Zur Familie gehören zwei Söhne. Weidel verschärfte zuletzt ihre öffentliche Islam-Kritik. So wirft sie etwa dem Zentralrat der Muslime vor, sich "nie glaubhaft von der Steinzeit-Scharia und religiösem Fundamentalismus distanziert" zu haben. Den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer bezeichnete Weidel als „Nebelkerze“. In Anspielung auf das Terrorattentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt sagte Weidel, es sei ein Skandal, dass christliche Feste inzwischen „mit Polizei, mit Maschinengewehren und LKW-Sperren“ geschützt werden müssten.

Nach dem Parteitag sagte sie, sie werde gemeinsam mit Björn Höcke im Wahlkampf in Thüringen auftreten. Sie hatte sich für das Ausschlussverfahren ausgesprochen und Höckes rechtsnationalen Kurs mehrfach stark kritisiert. Sie selbst stehe für einen «freiheitlich-konservativen Arm». Doch sie und Höcke seien «zwei Teile einer Partei».

Inhaltlich betonte die AFD, sie sehe die Demokratie in Deutschland in Gefahr und warnte „Heimlicher Souverän in Deutschland ist eine kleine, machtvolle politische Oligarchie, die sich in den bestehenden politischen Parteien ausgebildet hat.“

Zum großen Thema Zuwanderung hat die AfD sich für eine Bringschuld der Migranten ausgesprochen, die sich anpassen müssten. Man sprach sich gegen Familiennachzug für Flüchtlinge aus und dafür „ausschließlich qualifizierten Zuzug nach Bedarf zulassen. Eine ungeregelte Massenimmigration „in unser Land und in unsere Sozialsysteme durch überwiegend beruflich unqualifizierte Asylbewerber“ müsse sofort beenden werden.

Weg von Euro und Klimaschutz, konventionelle Familienstrukturen

Zum Thema Wirtschaft betonte die AfD, Deutschland soll den Euro-Raum verlassen und Vorkehrungen für die Wiedereinführung einer neuen nationalen Währung getroffen werden. Steuern und Abgaben sollten nicht „beliebig“ erhöht werden können. Sie fordert eine Umsatzsteuersenkung um sieben Punkte.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz soll gestrichen und der Atomausstieg rückgängig gemacht werden. Deutschland solle seine Klimaschutzverpflichtungen aufkündigen.

Zum Thema Arbeit spricht die AfD sich im Grundsatz für den Mindestlohn aus, will sich dazu aber noch genauer positionieren. Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I solle abhängig werden von der Dauer der Erwerbstätigkeit. Wer als Rentner arbeiten möchte, soll das ohne Einschränkung seiner Rentenbezüge tun können. Bei einer Lebensarbeitszeit von 45 Jahren plädiert die AfD dafür, den Rentenanspruch „abschlagfrei“ zu gewähren. Eine Stabilisierung der Sozialsysteme sei nur möglich, wenn „unsere begrenzten Mittel“ nicht in eine „unverantwortliche Zuwanderungspolitik“ gesteckt würden.

Zu Familie möchte die AfD die Deutschen motivieren, mehr Kinder in die Welt zu setzen, um so den „Erhalt des eigenen Staatsvolks“ zu sichern, Abtreibungen sollen meldepflichtig werden. Und „schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität muss bei den Scheidungsfolgen wieder berücksichtigt werden.“ Familienpolitik solle sich immer am Bild Vater, Mutter, Kind orientieren, Alleinerziehen soll als ein „Notfall“ bezeichnet werden und als „Ausdruck eines Scheiterns eines Lebensentwurfs“ stehen. Eine „vorbehaltlose Förderung Alleinerziehender“ sei falsch.

Deutsche Leitkultur und Abschaffung der Rundfunkgebühren

Zum Thema Kultur Sprach die AfD sich für die Abschaffung des verpflichtenden Rundfunkbeitrags aus, die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Angebots solle freiwillig sein und damit auch die Zahlung.

Weiterhin betonte die AfD, sie würde „ nicht zulassen, dass Deutschland aus falsch verstandener Toleranz sein kulturelles Gesicht verliert.“ Die deutsche Erinnerungskultur dürfe nicht auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt werden.

Zur Religionsausübung hatte die AfD angekündigt, sie wolle verhindern, „dass sich abgeschottete islamische Parallelgesellschaften weiter ausbreiten". Ein Antrag, Kirchensteuern abzuschaffen, wurde abgelehnt. Ins Wahlprogramm aufgenommen ist aber die Forderung, Kirchenrepräsentanten wie Bischöfe nicht mehr aus Steuermitteln zu bezahlen. Eine Initiative der Nachwuchsorganisation Junge Alternative gegen eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung von Jungen scheiterte. Parteivize Beatrix von Storch hatte mit Blick auf die jüdische Religionsgemeinschaft gemahnt, das sei "ein politisch völlig falsches Signal".

Zur Religionsausübung kündigte die AfD an, sie wolle verhindern, „dass sich abgeschottete islamische Parallelgesellschaften weiter ausbreiten.“ Ein Antrag, Kirchensteuern abzuschaffen, wurde abgelehnt. Ins Wahlprogramm aufgenommen ist aber die Forderung, Kirchenrepräsentanten wie Bischöfe nicht mehr aus Steuermitteln zu bezahlen. Eine Initiative der Nachwuchsorganisation Junge Alternative gegen eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung von Jungen scheiterte. Parteivize Beatrix von Storch hatte mit Blick auf die jüdische Religionsgemeinschaft gemahnt, das sei «ein politisch völlig falsches Signal».

Opposition als Strategie?

Nachdem der von Frauke Petry favorisierte "realpolitische Kurs" gestern mehrheitlich abgelehnt wurde, hatte sie betont, dass sie Vorsitzende der AfD bleibe. Sie führt die sächsische Landesliste für die Bundestagswahl und will im Herbst in den Bundestag. Aber sie erklärte auch, sie behalte sich vor, die Entwicklung der AfD in den kommenden Monaten sehr genau zu beobachten.

Petry wollte eine strategische Neuausrichtung der Partei, um bürgerliche Schichten anzusprechen indem man sich von rassistischem und völkischem Gedankengut distanziere. Damit wollte sie die Partei regierungsfähig machen.

Der Berliner Politologe Oskar Niedermayer teilte Reuters mit, er halte den nun eingeschlagenen Kurs aber für möglicherweise erfolgreich. Petrys Vorstellung, dass nur eine relativ kurzfristig koalitionsbereite Strategie bürgerliche Wähler binde und das Überleben der AfD garantiere, hält er für falsch. Der strikte Oppositionskurs, den Befürworter auch deshalb als richtig ansehen, weil etablierte Parteien sich gar daran orientierten, könne Protestwähler binden. Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, glaubt, dass viele Deutsche sich eine Veränderung in der Politik wünschen. "Die Mehrheit der Bevölkerung will eine Kursänderung, aber sie sind noch nicht alle bei der AfD. Viele sind noch mit der Faust in der Tasche bei der CDU", sagte sie im Interview mit dem Sender Phoenix. Etablierte Parteien passten sich der Programmatik der AfD an: "Einige Dinge, die vorher unsagbar waren, werden mittlerweile sogar von der CDU aufgenommen."

Niedermayer warnte allerdings davor, die eigene Nation hochzuhalten und dabei andere Völker abzuwerten, wie Höcke es mache. Forsa-Chef und Meinungsforscher Manfred Güllner sagte Zeit Online, vieles deute darauf hin, dass die AfD eine rechtsradikale Partei sei. Dies gehe aus der Struktur ihrer Anhänger hervor. Gauland wies Vorwürfe, es gebe rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen, zurück. Er hatte Höcke im Rahmen der Kontroversen als "Nationalromantiker" bezeichnet.