Fundsituation in Abusir el-Meleq 1903
© Otto RobensohnFundsituation in Abusir el-Meleq, 1903.
Tübingen (Deutschland) - Erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, das gesamte Erbgut von altägyptischen Mumien zu entziffern. Dabei zeigt sich, dass die nächsten Verwandten der alten Ägypter aus dem Nahen Osten stammen - und es kaum zu einem Genaustausch mit Afrika südlich der Sahara gab.

Wie das internationale Wissenschaftlerteam um Prof. Johannes Krause sowie weiteren von der der Universität Tübingen und des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena aktuell im Fachjournal Nature Communications (DOI: 10.1038/ncomms15694) berichten, stammen die untersuchten Mumien aus der Zeit um 1.400 v. Chr. bis 400 n. Chr.

„Bei drei Individuen konnte das Team sogar das Genom entschlüsseln“, erläutert die Pressemitteilung der Universität und führt weiter aus: „Die Analysen ergaben, dass die alten Ägypter nicht nur mit der damaligen Bevölkerung des östlichen Mittelmeerraums eng verwandt waren, sondern auch mit der neolithischen Bevölkerung Kleinasiens und Europas. Dagegen ließen sich kaum genetische Einflüsse von Afrikanern südlich der Sahara nachweisen, sehr im Gegensatz zur Situation bei modernen Ägyptern.“

Die Forscher untersuchten die genetische Differenzierung und die Populationen über einen Zeitraum, der vom ägyptischen sog. Neuen Reich bis in die spätrömische Zeit reicht, und verglichen diese Ergebnisse mit denen der modernen ägyptischen Populationen.

Grundlage der Analysen waren Proben aus 151 einbalsamierten Individuen, aus der archäologischen Fundstätte Abusir el-Meleq am Nil in Mittelägypten und aus zwei anthropologischen Sammlungen.

Insgesamt entzifferten die Wissenschaftler Mitochondriengenome von 90 Individuen und genomweite Daten von drei Individuen.

Die Studie ergab, dass es in der Genetik der Gemeinschaft von Abusir el-Meleq im untersuchten Zeitraum von rund anderthalb Jahrtausenden keine großen Verschiebungen gab. „Die Population wurde von fremden Eroberungen wie etwa die durch Alexander den Großen genetisch nicht beeinflusst“, so Dr. Dr. Verena Schünemann vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Tübingen. Dagegen weisen die Gene moderner Ägypter einen Anteil von ungefähr acht Prozent auf, der aus afrikanischen Populationen südlich der Sahara stammt. „Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass es innerhalb der letzten 1.500 Jahre einen zunehmenden Genfluss aus dem sub-saharischen Afrika nach Ägypten gegeben haben muss“, fügt Dr. Stephan Schiffels vom Jenaer Max-Planck-Institut hinzu.

Die Forscher vermuten, dass „nach dem Ende der Antike die Mobilität der Menschen aus dem Süden Afrikas entlang des Nils nach Ägypten zugenommen hat.“ Dazu habe der Fernhandel beigetragen, insbesondere der Sklavenhandel über die Sahara hinweg, der vor rund 1.300 Jahren begonnen habe.

Aufgrund seiner reichen und gut dokumentierten Geschichte gilt Ägypten als vielversprechende Region für die Untersuchung früher Populationen. Auch seine geografische Lage und der häufige Kontakt mit Populationen aus Afrika, Asien und Europa sorgten schon lange für eine dynamische Entwicklung. „Die jüngsten Fortschritte bei der Untersuchung alter DNA ermöglichen es, das bestehende Wissen über die ägyptische Geschichte anhand von genetischen Daten zu überprüfen“, erklärte Professor Krause.

Angesichts der Isolierung von verwertbarer DNA aus altägyptischen Mumien, sehen sich die Wissenschaftler aber auch weiterhin größeren Problemen gegenüber: „Zum einen zerfällt das Erbgut auch in einbalsamierten Körpern, zum anderen wurde es über den langen Zeitraum mit der DNA von Mikroorganismen und anderen Menschen verunreinigt.“

Tatsächlich hatten - bis zum jetzigen Forschungserfolg - Wissenschaftler schon immer Zweifel erhoben, ob vor allem die aus den Zellkernen von Mumien isolierte DNA überhaupt aussagekräftige Daten liefert. „Das Potenzial dieser Daten muss besonders kritisch geprüft werden“, so Krause. „Das heiße ägyptische Klima, die hohe Luftfeuchtigkeit in vielen Gräbern und einige der Chemikalien, die bei der Einbalsamierung eingesetzt wurden, tragen zur Veränderung und dem Abbau der DNA bei. Das muss man im Blick behalten.“

Mit der aktuell publizierten Studie sei nun jedoch ein Durchbruch bei der Isolierung der DNA aus dem Zellkern und der Gewinnung verlässlicher Daten erzielt worden. „Die Studie hat gezeigt, dass ägyptische Mumien eine verlässliche Quelle für die DNA der alten Ägypter sind und dass sie erheblich dazu beitragen können, die Bevölkerungsgeschichte dieser Region zu verstehen“, erläutert Krause abschließend.