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© Sott.net/Myriam Kieffer
Seit dem Mittelalter wurde die zyklische Natur unserer Realität kontinuierlich aus dem menschlichen Verständnis ausradiert. Neben der im vorigen Kapitel beschriebenen Umschreibung der Geschichte, hat die Religion auch eine große Rolle darin gespielt, wie die Menschen die Welt um sich herum wahrgenommen haben und ihre eigene Funktion darin zu erkennen. Bis zum 17. Jahrhundert dominierte und beherrschte die Religion die Geister der meisten, wenn nicht sogar allen, Mitgliedern der westlichen Zivilisation. Angesichts der Ereignisse, die die Menschen dieser Zeit erlebt haben, ist es nicht schwer zu verstehen warum. Der massenhafte Tod überall und die Zerstörung aus dem Himmel führten zur Tendenz, in den Menschen eine extreme Religiosität zu induzieren, im Versuch die richtige Formel zu finden um die Götter zu besänftigen.

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© Gemälde von John MartinAbbildung 213: ‘Gott hat die Städte Sodom und Gomorra zu Schutt und Asche gemacht und zum Untergang verurteilt’. 2 Petrus 2:6 (Luther 1984 Übersetzung). Die Zerstörung von Sodom und Gomorra
Die Religion durchdrang die mittelalterlichen Gesellschaften Europas und alle diese Menschen wurden durch eine tiefe Furcht vor der Verdammnis beherrscht. Alle Aktionen auf der Erde zielten darauf ab einen Platz im Himmel zu bekommen. Alles was zählte, war irdische Sünden zu vermeiden und/oder Vergebung zu erhalten, basierend auf der Annahme, dass die Bibel die Wahrheit darstellte und alles außerhalb dieser Schrift Ketzerei ist. Und es gab offensichtlich einen überzeugenden großen Knüppel, der von der Umwelt geschwungen wurde, der die Leute dazu drängte, sich so extrem religiös zu verhalten. In solch einer Kosmogonie verursachte das Christentum Obskurantismus808 und die Menschen wurden in einem Zustand der Ignoranz gehalten, unfähig ihre Umwelt im Allgemeinen, und ihre zyklische Natur im Besonderen, zu verstehen.

Aber so war es nicht immer. Am Anfang des Mittelalters war das Heidentum809 immer noch eine weitverbreitete Form der Religion. Nach dem heidnischen Glauben war Gott immanent, in jedem Geschöpf und in jedem Bestandteil der gegenwärtigen Welt. Das Übernatürliche und Wunder waren Teil des täglichen Lebens. Aber diese Weltanschauung stand in direktem Widerspruch zum kirchlichen Dogma und besonders der Bibel, nach der der monotheistische Gott das Monopol auf Wunder und das Übernatürliche innehatte.

Um dem Heidentum also entgegenzuwirken, etablierte die katholische Kirche ein dualistisches Dogma, in dem die Menschen von Gott getrennt waren. Menschen lebten von nun an in einer materiellen Welt, die ausschließlich von Naturgesetzen regiert wurde, während ein entfernter überweltlicher Gott gelegentlich in die materielle Welt durch Wunder und übernatürliche Taten eingriff. Folglich wurde die (direkte) Mensch-Kosmos Verbindung beseitigt und durch den willkürlichen Zorn Gottes ersetzt, der zwischen menschlichem Verhalten und kosmischen Ereignissen intervenierte. Beachten Sie jedoch, dass an dieser Stelle die Möglichkeit von dramatischen kosmischen Ereignissen immer noch bestand (von Gott zugefügte Katastrophen).

Das menschliche Reich, das ausschließlich von den von der Kirche postulierten Naturgesetzen regiert wird, legte den Grundstein für die Entwicklung der Wissenschaft während des 17. Jahrhunderts. Die Wissenschaft wurde damit beauftragt, die Gesetzmäßigkeiten dieser Naturgesetze herauszufinden, während die Kirche weiterhin den eisernen Griff auf die Seelen der Menschen beibehielt. Somit kam das ‘mittelalterliche dunkle Zeitalter’ zu einem Ende und das Zeitalter der ‘Aufklärung’810 begann, oder zumindest wollte man es uns so suggerieren: Man kann die Renaissance nämlich mit einer gewissen Plausibilität auch als eine noch dunklere Zeit als das Mittelalter repräsentieren. Machiavelli, die Medici und die Borgia sind schon lange als eine Sünde betrachtet worden, die diesmal in abscheulichen Formen inkarnierte. Die Renaissance war kein goldenes Zeitalter, da sie mit voller Inbrunst die Überspitzung und Perversion der Wahrheit erlaubte und förderte und die Dramen des Horrors, die dort entstanden sind, mehr als nur die Albträume eines Verrückten waren.811 Religion und die Wissenschaft arbeiteten Hand in Hand. Erstens wurde Gott aus dem menschlichen Reich durch die Kirche entfernt, die diesen immanenten Gott dann durch einen fernen, überweltlichen Gott ersetzte. Zweitens wurde Gott dann durch Philosophen und Wissenschaftler eliminiert, die ein atheistisches, mechanistisches Paradigma verkündeten.

Das Zeitalter der Vernunft begann und wurde zur neuen Religion. Also eine Transformation von einem Gott, der die Hölle für diejenigen vorbereitet hat, die es wagten zu fragen, was er denn machte bevor er Himmel und Erde erschaffte,812 hin zu einer uniformitarischen, mechanistischen Wissenschaft, die alles und jeden verfluchte, der es wagte deren Diktate in Frage zu stellen. Im Endeffekt hatte sich also nichts verändert und Obskurantismus (was ironischerweise der ‘Feind der Aufklärung’ bedeutet) hatte immer noch die Oberhand: Gerade als die Sonne die Erde als das Zentrum unseres Kosmos im kosmologischen System des Kopernikus ersetzt hatte, wurde die Menschheit selbst zum Gott im Zentrum des Bewusstseins der Menschheit, im Zeitalter der ‘Aufklärung’ bzw. ‘Vernunft’.813 Mit der Herrschaft der Wissenschaft wurde es dann noch schlimmer, da jede Form von moralischen Werten (Sinn für das Gute und Böse, Ethik) und die Transzendenz (Entitäten und Prinzipien, die höher sind als Menschen) eliminiert wurden. Der Mensch wurde von nun an in seiner Gesamtheit als eine spirituelle biochemische Maschine betrachtet (Abbildung 215).

Ab dem 18. Jahrhundert entfernte der ruhige Himmel und die Entstehung des uniformitarischen/mechanistischen Paradigmas nach und nach erfolgreich die Mensch-Kosmos Verbindung und ihre letzte mittelalterliche Inkarnation, der Zorn Gottes, aus der Erinnerung.

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Abbildung 214: Fotografie des französischen Alchemist Sédir
Eine der letzten schriftlichen Zeugnisse, die eine Verbindung zwischen menschlichen Angelegenheiten und kosmischer Aktivität bzw. Kometen-Aktivität erwähnt, stammt von dem französischen Alchemist Sédir814 am Ende des 19. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt war die Mensch-Kosmos schon fast vollständig eliminiert worden und nur wenige ‘esoterische’ Gemeinschaften hatten noch Bruchstücke dieses Wissens:
Die Erde ist kein homogener Körper und wenn sich die Achse zu sehr neigt, führt der Druck, der durch Wasser und Gestein Veränderungen hier und da ausgeübt, zu Faltungen und Rissen in der Kruste, was wir dann Erbeben nennen. Diese Druckänderungen und die Verschiebung der Erde gegenüber der Sonne und anderen Planeten stört die unterirdischen magnetischen Ströme; und da Widerstand gegen einen elektrischen Strom Wärme erzeugt, erscheinen Vulkane wie Sicherheitsventile dieser riesigen Maschine und große Eruptionen terrorisieren die Bevölkerung [...] Sonnenflecken verändern sich, einige Schüler können eine unbekannte Sonne am Horizont differenzieren [...] Solche Phänomene sind jedoch nicht auf eine Gefahr zurückzuführen [sondern]: sie werden von kosmischen Intelligenzen vermacht oder aber als Reaktionen auf soziale oder ethnische Krankheiten verursacht.815
Sédir etablierte eine klare Parallele zwischen der menschlichen ‘Devolution’ und kosmischen Ereignissen, einschließlich einer ‘unbekannten Sonne’. Die Neuzeit hat uns jedoch zu Waisen dieses kostbaren Wissens gemacht und blind für die große Bedrohung und das Unheil, das ständig über unseren Köpfen wartet und droht. Im 19. Jahrhundert hatte dann das Zeitalter der Vernunft endgültig triumphiert: Die Wissenschaftler betrachteten das Universum als rein mechanistisch. Das war das Zeitalter der industriellen Revolution und des Modells des ‘Uhrwerk-Universums’. Nach diesem Paradigma war der einzige Bestandteil des Universums Materie aus ‘Billardkugel’ -Teilchen, die ausschließlich durch mechanische Gesetze (auch Naturgesetze genannt) beherrscht wurden, wie z.B. Trägheit, Geschwindigkeit, Masse etc.

Diese Ablehnung jeglicher ‘Fernwirkungen’ führte natürlich zu der Überzeugung, dass menschliche Tätigkeiten keinerlei Einfluss auf kosmische Aktivitäten haben. Sogar der menschliche Geist würde schon bald ausschließlich durch elektrische Signale und chemische Reaktionen erklärt werden, oder zumindest hofften es die Materialisten so. Aber am Ende des 19. Jahrhunderts begannen einige Risse im Gebäude der Materialisten zu erscheinen. 1861 demonstrierte Maxwell816 die Gesetze des Elektromagnetismus. Materie war nicht mehr alleine. Die Wissenschaftsgemeinde musste die Existenz von etwas subtilerem akzeptieren: Energie.

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© Fritz KahnAbbildung 215: Der Mensch als Industriepalast. Nationalbibliothek der Medizin, Stuttgart
1895 entdeckt Röntgen817 die Radioaktivität, ein Phänomen, bei dem sich solide Materie in radioaktive Wellen umwandelt. An diesem Punkt begannen die Wissenschaftler zu begreifen, dass es keine fundamentale Grenze gab, die Materie und Energie trennte. Einstein zeigte in seiner mittlerweile berühmten Gleichung E = mc², dass Energie und Masse äquivalent sind. Masse-Energie hatte die Stelle der alleinigen Masse eingenommen. Hiroshima und Nagasaki wwurden zum tragischen Beweis für das Prinzip der Äquivalenz zwischen Masse und Energie. Mit diesem Prinzip als Grundlage kam der ‘Feld’-Charakter der Materie zum Vorschein und Wissenschaftler begannen sich zu fragen, inwieweit die Relativitätstheorie eine Entmaterialisierung der Materie implizierte.

Als die Energie in den Gleichungen berücksichtigt wurde, funktionierte das neue Modell des Universums, das aus winzigen physikalischen Strukturen (Partikelmaterie) und Wellen (Energie) bestand, viel besser als das rein mechanische. Jedoch blieben weiterhin viele Phänomene ungeklärt, einschließlich der Phänomene, die herablassend als ‘paranormal’ oder ‘metaphysisch’ bezeichnet wurden.818

Die Entstehung der Quantentheorie zu Beginn des 20. Jahrhunderts kennzeichnete den zweiten großen Rückschlag für den Materialismus und revolutionierte unser Verständnis über die Realität. Nach der Quantenphysik ist unsere Realität nicht so handfest und unveränderlich wie es bisher angenommen wurde.

Eine der frühen Entdeckungen in der Quantenphysik bezieht sich auf die Eigenschaften der subatomaren Teilchen (Elektronen, Protonen, Neutronen), die grundlegenden Bestandteile der Materie. Zur Erforschung dieser Frage wurde ein ‘Doppelspaltexperiment’ durchgeführt. Wie der Name schon andeutet, wird bei diesem Experiment in der Bewegungsrichtung der subatomaren Teilchen ein Doppelspalt platziert (Abbildung 216).

In Abbildung 216 sehen wir Photonen, die sich wie Wellen verhalten. Auf der rechten Seite der zwei Spaltöffnungen erzeugen die Lichtwellen Wellenmuster, die denen ähneln, die enstehen, wenn ein Kieselstein ins Wasser geworfen wird. Da es zwei Spalten gibt, gibt es zwei Abfolgen von Wellen (so wie wenn sie zwei Kieselsteine ins Wasser werfen).

Schließlich erreichen diese Wellen einander und beginnen sich gegenseitig zu stören (sie interferieren). Das bedeutet, dass sich die Wellen an manchen Stellen gegenseitig verstärken, während sie sich an anderen Stellen gegenseitig aufheben. Die rote Kurve auf der rechten Seite veranschaulicht die Helligkeit (Quantität der Photonen) relativ zu der vertikalen Position auf dem Photonendetektor. Zum Beispiel ist in der Mitte des Photonendetektors die Helligkeit auf dem Maximum, da sich die zwei Wellenreihen vollständig addieren.

Jedoch prognostizieren diese Interferenzmuster nur die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon den Detektor an einer bestimmten Stelle treffen wird. Das Photon folgt probabilistischen Regeln. Der Ort, an dem das Photon den Detektor treffen wird ist nicht determiniert; wir können diesen Punkt im Vorhinein weder wissen noch berechnen.

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© Sott.netAbbildung 216: Doppelspaltexperiment
Nach der Standardinterpretation der Quantenphysik819 ist die Welt nicht fundamental determiniert. Heisenbergs820 Prinzip der Unbestimmtheit bedeutet nicht nur, dass wir die genaue Lage und den Impuls der subatomaren Teilchen nicht kennen können, sondern auch, dass diese Teilchen einfach keine präzise Lage und Impuls haben. Anders ausgedrückt induzierte somit die Quantenphysik eine Dosis ‘Zufall’ in eine Welt, die zuvor als völlig fest und bestimmbar angesehen wurde.

Die Geschichte endet hier jedoch nicht. Die Resultate des Doppelspaltexperiment s werden sogar noch merkwürdiger wenn ein Beobachter in genau dasselbe Experiment involviert wird, und zwar nicht wie zuvor auf der Ebene des Photonendetektors, sondern auf der Ebene der Spaltöffnungen. Mit der Einführung dieses Beobachters in das Experiment ändern sich die Ergebnisse drastisch; die Photonen hören auf sich wie Wellen zu verhalten und sie beginnen sich wie Teilchen zu verhalten.

Wie in Abbildung 217 dargestellt, hat jedes Photon, das sich jetzt wie ein Teilchen verhält (da es auf der Ebene der Spaltöffnung beobachtet wird), die ‘Wahl’ zwischen zwei Wegen wenn es dem Doppelspalt begegnet. Das Photon kann durch die Öffnung A hindurchgehen und dann auf den Photonendetektor an der Stelle A treffen oder es kann durch Öffnung B gehen und auf den Photonendetektor an der Stelle B treffen.

Die österreichischen Quantenphysiker Brukner und Zeilinger fassten das Phänomen in diesen Worten zusammen:
Der Beobachter kann entscheiden, ob er Detektoren in den Interferenz-Weg stellen soll oder nicht. Auf diese Weise kann er, durch die Entscheidung ob er den Weg durch das Doppelspaltenexperiment bestimmen will oder nicht, entscheiden, welche Eigenschaft Realität werden kann. Wenn er sich dazu entscheidet die Detektoren nicht dort zu platzieren, dann wird das Interferenzmuster zur Realität werden; wenn er [jedoch] die Detektoren dort platziert, wird der Strahlengang zur Realität werden. Dennoch ist es [hier] am wichtigsten, dass der Beobachter keinen Einfluss auf das spezifische Element der Welt hat, die zur Realität wird. Wenn er sich dazu entscheidet den Weg zu bestimmen hat er [jedoch] ausdrücklich keinerlei Einfluss darauf, welche der zwei Wege, der linke oder der rechte, die Natur ihm zeigen wird [...] wo das Teilchen sein wird. Gleichermaßen hat er keinerlei Einfluss darauf, wo in der Beobachtungsebene er ein spezifisches Teilchen beobachten wird, wenn er sich dazu entscheidet, das Interferenzmuster zu beobachten. Beide Ergebnisse sind völlig zufällig.821
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© Sott.netAbbildung 217: Das Doppelspaltexperiment mit Photonen, die sich wie Teilchen verhalten
Dieser Aspekt der Quantenwelt wird durch das mittlerweile berühmte Katzenexperiment von Schrödinger822 illustriert, das er wie folgt beschreibt:
[...] Man kann auch ganz burleske Fälle konstruieren. Eine Katze wird in eine Stahlkammer gesperrt, zusammen mit folgender Höllenmaschine (die man gegen den direkten Zugriff der Katze sichern muß): in einem Geigerschen Zählrohr befindet sich eine winzige Menge radioaktiver Substanz, so wenig, daß im Laufe einer Stunde vielleicht eines von den Atomen zerfällt, ebenso wahrscheinlich aber auch keines; geschieht es, so spricht das Zählrohr an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäure zertrümmert. Hat man dieses ganze System eine Stunde lang sich selbst überlassen, so wird man sich sagen, daß die Katze noch lebt, wenn inzwischen kein Atom zerfallen ist. Der erste Atomzerfall würde sie vergiftet haben. Die Psi-Funktion des ganzen Systems würde das so zum Ausdruck bringen, daß in ihr die lebende und die tote Katze zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert sind.823
Schrödinger zufolge impliziert die Kopenhagen-Interpretation, dass die Katze sowohl lebendig als auch tot ist824 (für das Universum außerhalb der Box), bis die Box geöffnet wird:
Es ist typisch, dass in diesen Fällen eine ursprünglich auf den Atombereich beschränkte Unbestimmtheit sich in eine makroskopische Unbestimmtheit verwandelt, die dann durch direkte Beobachtung aufgelöst werden kann.825
Der entscheidende Punkt ist hier, dass die ‘Unbestimmtheit’ (dass die Katze für das Universum außerhalb der Box sowohl tot als lebendig ist) durch die ‘direkte Beobachtung’ beseitigt wird, d.h., durch den Austausch von Informationen zwischen dem Beobachter und dem Ereignis.

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© helifeofpsi.comAbbildung 218: Die Darstellung des Gedankenexperiments ‘Schrödingers Katze’
Aus dieser Perspektive scheint unsere Realität aus einer zugrunde liegenden Dimension zu erscheinen, die eine unendliche Anzahl von möglichen Universen umfasst. Nur eines der möglichen Universen materialisiert sich durch den sogenannten ‘Kollaps der Wellenfunktion’, auf die selbe Weise wie ein bestimmter Ort oder Impuls eines Teilchens aus der ‘Überlagerung’ aller möglichen Zustände erscheint. Zum Beispiel kann ein Teilchen sich theoretisch an jedem Ort und in jedem Zustand befinden bis es beobachtet wird, während zugleich einige Orte und Zustände wahrscheinlicher sind als andere. Sobald es beobachtet wird, ‘friert’ das Teilchen an nur einem Ort ein.

Ironischerweise hatte nun die Wissenschaft, durch die Quantenphysik, die Möglichkeit einer gewissen Wechselwirkung zwischen dem Geist (dem Beobachter) und der Materie (das beobachtete Ereignis) und im weiteren Sinne der Mensch-Kosmos Verbindung, wiedereingeführt, zwei Jahrhunderte nachdem sie selbst, durch die Newton'sche Physik, genau die selben Phänomene abgelehnt hatten.

Schrödinger entwarf sein Gedankenexperiment mit der Katze im Kontext einer Diskussion826 über ‘Quantenverschränkung’. Quantenverschränkung geschieht, wenn ein Teilchenpaar (zwei Teilchen, die aus derselben Quelle stammen oder miteinander interagiert haben) die gleichen Eigenschaften aufweist (Position, Impuls, Eigendrehmoment, Polarisation, etc.)

Um die Vorstellung der Quantenverschränkung besser zu verstehen, gingen Wissenschaftler beim Doppelspaltexperiment einen Schritt weiter und stellten ein Gedankenexperiment auf, indem zwei Doppelspaltöffnungen simultan mit zwei Zwillings-Photonen beschossen wurden.

Wie in Abbildung 219 dargestellt, werden zwei Photonenpaare (Zwilling 1 und Zwilling 2) genau zur selben Zeit generiert und erreichen ihre Doppelspaltenöffnungen ebenfalls zur selben Zeit. Wegen der Verschränkung sollten die beiden Photonen die gleiche Entscheidung treffen (Spalt A und Spalt A oder Spalt B und Spalt B).

Im Versuch die Verschränkung zu verstehen, brach unter den Wissenschaftlern eine heiße Diskussion aus. Einige Wissenschaftler wie Einstein argumentierten, dass es, wie Einstein es nannte, durch ‘Spukhafte Fernwirkung’ zu verstehen ist. Auf irgendeine Weise wurde die erste Messung des Zwillings 1 dem zweiten Zwilling mitgeteilt, der dann das Verhalten des ersten Photons nachahmen könnte.

Für einige andere Wissenschaftler, zu denen Niels Bohr827 gehörte, war die Kommunikation zwischen den beiden Elektronen verzögerungsfrei (ein nicht-lokales Phänomen). Die Diskussion zwischen Bohr und Einstein dauerte über 20 Jahre, bis zu ihrem Tod.828

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© Sott.netAbbildung 219: Zwei Doppelspaltexperimente, die gleichzeitig mit zwei Zwillings-Photonen durchgeführt werden
Das Problem war, dass die zwei Doppelspaltexperimente nichts anderes als theoretische Spekulationen waren. Erst in den 1980er-Jahren war die Technologie so weit, dass die Erzeugung von einzelnen Photonen möglich war und somit die Gelegenheit ein Experiment durchzuführen, das die Debatte über die Verschränkung beilegen sollte. 1982 gelang es schließlich dem französischen Physiker Alain Aspect829 alle notwendigen Geräte zu entwerfen und er schoss gleichzeitig ein Photon in die eine Richtung und seinen Zwilling in die andere.

Die Resultate waren eindeutig: Beide Photonen trafen gleichzeitig auf ihren jeweiligen Doppelspalt und wählten genau zur gleichen Zeit die gleiche korrespondierende A- oder B-Öffnung.830 Irgendwie gelang es den Zwillingen auch über große Entfernungen augenblicklich (verzögerungsfrei) Informationen untereinander auszutauschen.831

Nachdem Aspects Resultate veröffentlicht waren, schlugen einige Wissenschaftler vor, dass das Experiment eine superluminale (schneller als das Licht) Fernwirkung bewiesen hat und somit Einsteins theoretische Grenze überschritt, die besagt, dass die Lichtgeschwindigkeit die maximal mögliche Geschwindigkeit ist.832

Während die Quantenphysik zwar sehr deutlich die zentrale Rolle der Information nahe legt (Beobachter-Ereignis Interaktion-Verschränkung), die Verbindung zwischen Geist und Materie (die Rolle des Beobachters) und die Existenz von augenblicklichen Interaktionen (das Zwei-Doppelspaltexperiment), lässt sie dennoch viele Fragen unbeantwortet. In den nächsten drei Kapiteln werden wir uns auf folgende Fragen konzentrieren:
  • Kann die Verbindung zwischen Geist und Teilchen auf Ereignisse im Maßstab der Makroebene übertragen (skaliert) werden? Wie beeinflusst der Beobachter ein ‘zufälliges’ Ereignis? (Kapitel 37)
  • Was ist das genaue Wesen und was sind die Eigenschaften von Information? (Kapitel 38)
  • Wie kann ein Informationsaustausch über die Grenzen von Zeit und Raum hinweg stattfinden? (Kapitel 39).
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© GOA/LCFIOAbbildung 220: Aspect führte sein Experiment in diesem Labor in Orsay durch. Die Quelle der zwei Paar-verschränkten Photonen waren mehrere Laser und ein Strom von Atomen. Die Messungen wurden vorgenommen, nachdem die Photonen sich sechs Meter in beide Richtungen von der Quelle weg bewegt hatten
Fußnoten:

808 Obskurantismus ist das was ‘die Aufklärung verhindert oder den Fortschritt des Wissens und der Weisheit behindert.’
809Das Heidentum umfasst verschiedene Formen von Religionen wie Animismus, Schamanismus, Hermetismus, Katharismus, Bogomilismus usw.
810 Das Zeitalter der Aufklärung erstreckte sich von der Mitte des 17. Jahrhunderts durch das 18. Jahrhundert. Diese Periode wird mit Philosophen wie Descartes, Voltaire, Rousseau, Kant, Diderot und Spinoza, und Wissenschaftlern wie Newton, Leibnitz und Locke assoziert. Das Zeitalter erreichte seinen Höhepunkt mit der französischen Revolution, die den Tod der Kirche und der aristokratische Ordnung markierte und gleichzeitig die Geburt einer Gesellschaft hervorbrachte, die von Kapitalismus, Individualismus und Atheismus beherrscht wurde. Siehe: ‘Enlightenment’, StanfordEncyclopedia of Philosophy, 20 August 2010. www.plato.stanford.edu/entries/enlightenment/
811Potter, M., ‘History, III The Renaissance’, Lectures on the Harvard Classics. The Harvard Classics, 1909 - 14
812 Umschreibung der Bekenntnisse und Briefe von Aurelius Augustinus (Buch XI-12): Siehe ich antworte dem, der da fragt: Was tat Gott, bevor er Himmel und Erde schuf? Ich gebe ihm nicht die Antwort, die einst jemand scherzweise gegeben haben soll, um der Schwierigkeit dieser Frage zu entgehen: "Er bereitet denen, die sich vermessen, jene hohen Geheimnisse zu ergründen, Höllen."
813‘Enlightenment’, op.cit.
814Sein richtiger Name war Yvon Le Loup, 1871-1926.
815Auszüge von Sédirs Briefen, die im Februar 1919 im "Bulletins des Amitiés Spirituelles" veröffentlicht wurden
816James Clerk Maxwell (1831-1879), ein schottischer Wissenschaftler der mathematischen Physik
817Wilhelm Conrad Röntgen (1845 - 1923), deutscher Physiker
818Talbot, M., The Holographic Universe, S. 2
819 ‘Kopenhagener Deutung’, Wikipedia. Siehe: de.wikipedia.org/wiki/Kopenhagener_Deutung
820Werner Heisenberg (1901-1976), deutscher Physiker, einer der Begründer der Quantenmechanik.
821Zeilinger, B., ‘Young’s experiment and the finiteness of information’, Philosophical Transactions of the Royal Society, 360: 1061 - 1069 (2002)
822Österreichischer Physiker (1887-1961)
823Schrödinger, E., The Present Situation in Quantum Mechanics
824Zu dieser Zeit glaubten die Wissenschaftler, dass die Unbestimmtheit nur im Maßstab (Skala) der Teilchen gilt. Große Objekte wie Katzen könnten nicht in einer Superposition (Überlagerung) von zwei oder mehr Zuständen existieren. Mikroskopische Objekte gehorchten der Quantenphysik, während makroskopische Dinge den klassischen Physikregeln gehorchten (Siehe: Wogan Tim, ‘Coherent Schrödinger’s cat still confounds’, IOP, 23. November 2011). Wir werden in Kapitel 39: ‘Das Feld’, sehen dass die Unbestimmtheit vielleicht auch für große Objekte gelten kann.
825ebd.
826Eine Diskussion über einen wissenschaftlichen Beitrag von Einstein über die Quantenverschränkung. Siehe: Einstein A., Podolsky B.,and Rosen N., ‘Can Quantum-Mechanical Description of Physical Reality Be Considered Complete?’, Phys. Rev. 47, 777 (1935)
827Dänischer Physiker (1885-1962).
828Aspect, A., ‘The Bohr - Einstein debate and quantum entanglement tested experimentally’, CNRS Communiqué, 1982
829Ravaud M., ‘Alain Aspect: Shedding new light on light and atoms’, CNRS International Magazine. Siehe: www2.cnrs.fr/en/447.htm
830Um das Experiment leichter zu verstehen, habe ich seine Beschreibung vereinfacht, aber das Prinzip und die Resultate bleiben trotzdem die gleichen. Alain Aspect maß nicht die von den Photonen gewählte Öffnung, sondern deren Eigendrehmoment. Er verwendete auch eine Reihe von Spiegeln um die verschränkten Photonen zu generieren und zu lenken. See: Schmüser, P., The Strange Features of Quantum Mechanics in the Light of Modern Experiments, S. 24-37
831In nachfolgenden Experimenten erhöhte Aspect die von den Photonen zurückgelegte Distanz auf bis zu 10 km (ungefähr 6 Meilen). Siehe: Davies, P. & Gregersen, N. Information and the Nature of Reality, S. 56
832ebd.