'Schwarzer Raucher'
© marum.deAn den Schwarzen Rauchern in 3000 Meter Tiefe gedeihen ungewöhnliche Lebensgemeinschaften.

Bremen/ Deutschland - Um heiße Tiefseequellen, sogenannter "Schwarzer Raucher" ("Black Smokers"), haben Biologen Muscheln entdeckt, die mit Hilfe symbiotischer Bakterien über die Fähigkeit verfügen, Wasserstoff als Energiequelle zu nutzen. Wahrscheinlich, so vermuten die Forscher, seien derartige Lebensgemeinschaften weit verbreitet. Die Entdeckung könnte nicht nur die Forschung zur Nutzung Wasserstoff-betriebener Brennstoffzellen inspirieren, sondern auch Aufschlüsse darüber zulassen, welche Formen des Lebens auch in den Ozeanen anderer Himmelskörper in unserem Sonnensystems möglich sind.

Wie die Wissenschaftler um Nicole Dubilier vom "Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie" (mpi-bremen.de) und ihre Kollegen vom "Exzellenzcluster MARUM" (marum.de) an der "Universität Bremen" in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Nature berichten, entstehen heiße Quellen in der Tiefsee an den Verschiebungszonen der Erdplatten, dort, wo Magma in die obere Erdkruste aufsteigt und Seewasser mit dem hoch erhitzten Magma in Kontakt kommt. "Das erhitzte Seewasser", so erläutert die Pressemitteilung der "Max-Planck-Gesellschaft" (mpg.de), "löst Mineralien aus der Erdkruste, und tritt mit bis zu 400 Grad Celsius an den sogenannten Schwarzen Rauchern wieder aus. So gelangen Schwefelwasserstoff, Ammonium, Methan, Eisen oder Wasserstoff ins Meer. Aus der Oxidation dieser anorganischen Verbindungen gewinnen die Organismen Energie, um Kohlenhydrate aufzubauen. Da in die Tiefen des Ozeans kein Sonnenlicht vordringt, müssen chemische Reaktionen diese Energie liefern. In Analogie zur Fotosynthese spricht man daher von Chemosynthese.

Chemosynthetische Mikroorganismen bilden die Existenzgrundlage für einzigartige Lebensgemeinschaften an den heißen Quellen der Tiefsee. Denn viele, bis vor kurzem noch vollkommen unbekannte Arten von Würmern, Weichtieren und Gliederfüßern können dort nur überleben, weil sie symbiotische Beziehungen mit Bakterien eingegangen sind und somit quasi ihr eigenes Kraftwerk betreiben."

Bislang waren jedoch nur zwei Quellen bekannt, aus denen die jeweiligen symbiotischen Mikroorganismen Energie gewinnen konnten: Schwefelwasserstoff und Methan. "Wir haben jetzt eine dritte Quelle entdeckt", so Dubilier.

In 3.000 Meter Tiefe am Mittelatlantischen Rücken, einem untermeerischen Gebirgszug, befindet sich auf halber Strecke zwischen der Karibik und den Kapverdischen Inseln das Logatchev-Hydrothermalfeld. In einer Reihe von Forschungsfahrten registrierten die Forscher hier die höchsten jemals an heißen Quellen gemessenen Konzentrationen an Wasserstoff. "Nach unseren Berechnungen bringt die Oxidation von Wasserstoff dort siebenmal mehr Energie als die Methanoxidation und bis zu 18-mal mehr Energie als die Oxidation von Sulfid", erklärt Dubiliers Mitarbeiterin Jillian Petersen.

In den Kiemen der dort lebenden Tiefseemuschel Bathymodiolus puteoserpentis entdeckten die Forscher erstmals ein Schwefel-oxidierenden Symbionten, die auch Wasserstoff einsetzen kann, um Energie und Nahrung zu gewinnen. Mittels molekularbiologischer Methoden gelang es ihnen anschließend eines der Schlüsselgene für die Wasserstoff-Oxidation nachzuweisen und den Wasserstoff-Verbrauch experimentell zu bestimmen.

Entsprechende Muschelfelder um die hydrothermalen Quellen herum können eine Ausdehnung von einigen hundert Quadratmetern erreichen, auf denen sich dann bis zu einer halben Millionen Individuen tummeln.
Muschelfelder
© marum.deMuschelfelder um die hydrothermalen Quellen herum erreichen eine Ausdehnung von einigen hundert Quadratmetern.

"Unsere Experimente deuten darauf hin, dass die Muschelpopulation im Logatchev-Hydrothermalfeld bis zu 5000 Liter Wasserstoff pro Stunde oxidiert", rechnet Frank Zielinski vor, der in der Bremer Arbeitsgruppe von Dubilier promoviert hat und inzwischen am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig forscht. Die bakteriellen Untermieter der Muscheln spielen demnach eine beachtliche Rolle als Primärproduzenten und bei der Umwandlung von geochemischer Energie in Biomasse. "Entlang der mittelozeanischen Rücken gibt es so etwas wie einen 'Wasserstoff-Highway' mit Zapfstellen für die symbiotische Primärproduktion - das sind die Hydrothermalquellen", sagt Jillian Petersen.

Auch die Symbionten anderer an den Hydrothermalquellen lebenden Tiere, wie die des Röhrenwurms Riftia pachyptila oder die Garnele Rimicaris exoculata, besitzen dieses Schlüsselgen. "Wir gehen deshalb davon aus, dass die Fähigkeit, Wasserstoff als Energiequelle zu nutzen, unter diesen symbiotischen Gemeinschaften weit verbreitet ist, und zwar selbst dort, wo der Wasserstoff in nur sehr geringen Mengen vorkommt", so Nicole Dubilier.

Schon zuvor hatten US-Wissenschaftler Mikroben am Tiefseeboden des Pazifik vor den Küsten der US-Bundesstaaten Oregon und Washington erforscht und sich von den Erkenntnisse darüber erhofft, wie Leben etwa im durch einen Eispanzer bedeckten Wasserozean auf dem Jupitermond Europa aussehen könnte (...wir berichteten).

Für die US-Forscher bedeutet das Leben rund um die "Black Smokers", dass sich Leben auch auf anderen Himmelskörpern in ähnlicher Weise und selbst unter derart extremen Umständen entwickelt haben könnte, selbst wenn sie sich in ihrem zellularen Aufbau von irdischem Leben unterscheiden. Die Ergebnisse der Bremer Wissenschaftler stützen diese Schlussfolgerungen zusehends, eröffnen sie doch noch einen weiteren Weg der Energiegewinnung selbst unter bislang unbekannten Umständen.

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